ESSO-Häuser und die Außerirdischen

Von Michael Buschow

Festgehalten
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Tabularasa auf St.Pauli

Da steht sie nun an ihrer Staffelei vor der Kneipe „Das Herz von St.Pauli“ und dokumentiert etwas mit Pinsel, Farbe und Leinwand, das es bald nicht mehr geben wird. Die Malerin Gilla Schmitz arbeitet an ihrem Projekt  „Hamburger Eingänge“, einer bildlichen Dokumentation über Häuserfronten und typische Eingangsbereiche der Hansestadt, die durch den urbanen Kahlschlag bedroht sind. Und sie muß sich beeilen, denn  Abrissbirnen und Bagger sind im Anmarsch.

Heute ist es „Das Herz von St.Pauli“ am Spielbudenplatz, tatsächlich mitten im Herzen des Stadtteils zwischen Davidwache und Panoptikum gelegen, das Gilla Schmitz auf ihre Leinwand gebracht hat. Dort wo schon Hans Albers gerne saß, dort wo man den Puls des Kiezes auf eine angenehm solide Art spürt, werden heute noch Gäste bewirtet.

Noch.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann an dieser Stelle eine riesige Lücke klaffen wird, denn der gesamte Komplex der sogenannten „ESSO-Häuser“ soll weg! Eine Investorengruppe aus dem Süden der Republik hat das 1961 errichtete Gebäudeensemble gekauft und planmäßig verwahrlosen lassen. Das Gutachten, das der Bezirk Mitte in Auftrag gegeben hatte, kam zu dem „überraschenden“ Schluß, daß sich der Bau in einem „teilweise kritischen Zustand“ mit „erheblichem Sanierungsbedarf“ befindet. Er sei „nicht standsicher“. Na sowas!

Hier wird nicht nur ein altes, mittlerweile vergammeltes Gebäude plattgemacht. Hier geht es, wie auch in vielen anderen Fällen um die Vernichtung von gewachsenen urbanen Strukturen mit Nachbarschaftsgefühl und man muß kein Kiez.-oder Sozialromatiker sein, um zu erkennen, daß die „Investoren“ nur ein Ziel haben – und das heißt Gewinnoptimierung. Und zwar für sich!

Diese Investoren-Aliens folgen dort wo sie auftreten einem Plan : Vernichtung des menschlichen Lebensraumes zugunsten von solventen Außerirdischen. In diesem Falle heißen die Außerirdischen „Bayerische Hausbau München“, ein harmlos bürgerlich klingender Name für Aliens, die die innerstädtische Menschheit ausradieren wollen.

Ihr Anführer, ein  Bernhard Taubenberger mit dem Sternenflotten-Dienstgrad „Geschäftsführer der Projektgesellschaft Spielbudenplatz“  macht den „Mieter-Menschlein“ schon mal klar, was passieren wird. „Es wird selbstverständlich besser für sie werden“! Allerdings gibt es noch eine Klitzekleinigkeit und zwar die Entmietung bis spätestens Juni 2014. Dann aber wird etwas ganz Großes, Tolles gebaut. Für sie – oder so. Und dieser Mister Spock –Taubenberger hat auch bereits der Stadt seine Bedingungen gestellt. Nur so ginge das eben.

Ja, ja der Senat: Die Bauexpertin Henriette von Enckvort  SPD (Zitat:“Chance für das Quartier“) und der CDU-Fraktionschef Jörn Frommann,  selbst die GRÜNEN haben eigentlich keine Einwände gegen den Abriss.

Was ist denn nun los? Sonst beharken sich doch die unterschiedlichen Parteien bei jedem kleinen Scheiß. Und ausgerechnet in diesem Falle herrscht hier bis auf wenige winzige Nuancen  große Einmütigkeit. Aber vielleicht haben die Parteien jede für sich eine hübsche Zusage erhalten. Für die GRÜNEN ein netter Glasüberdachter, begrünter Öko-Kiez-Bio-Markt direkt am Neubau, die SPD erhält vielleicht für ihr Schallmeienorchester „August Bebel“ einen Übungsraum im Keller und eventuell wird für die CDU noch eine kleine Sankt Merkel Kirche ins neue Konzept eingebaut. Ein Schelm, der Böses dabei denkt.

Die Aliens sind längst unter uns – ihre trendigen, mattscharzen Ufos stehen in Luxustiefgaragen und man erkennt diese Typen an ihren dunklen Anzügen, einer auf den Kopf geschobenen Sonnenbrille und –  sie lächeln immer! Wenn das so weitergeht, (und das geht so weiter) wird nicht nur das Herz von St.Pauli aufhören zu schlagen, sondern irgendwann ist alles, was uns etwas bedeutet an der Reihe. Dann tanzen bald  überall in der Stadt nur noch die Türme. Bürger – wacht mal langsam auf! Morgen könnt ihr dran sein!

Zum Trost: Es gibt ja dann immer noch die Bilder von Gilla Schmitz, die die alten, nicht mehr existierenden Eingänge Hamburgs zeigen.

Foto: Zeppi