von Uta Buhr und Joachim Frank
Foto: Christin van Talis
Wir gratulieren unserer Preisträgerin Maren Schönfeld zu diesem hoch verdienten Lyrikpreis. Marens Gedichte sind sprachlich ausgefeilt und elegant.
Sie berühren jeden, der sie lesen oder – noch besser – ihrem Vortrag lauschen darf. Die Autorin ist ein Multitalent auf dem Gebiet der Literatur im weitesten Sinne. Sie ist in allen Sätteln des geschriebenen und gesprochenen Wortes gerecht. Neben Gedichten verfasst sie gelegentlich Kurzgeschichten, die durch Klarheit und Prägnanz bestechen. Zudem schreibt sie Sachbücher und konzipiert Pressetexte. Aber das ist noch längst nicht alles. Maren ist eine viel beschäftigte Lektorin. Mehr geht nicht. Die Auswärtige Presse e.V. ist glücklich, Maren Schönfeld zu ihren Mitgliedern zählen zu dürfen.
Seit dem letzten Jahr schreibt die Hamburger Autorenvereinigung neben dem Hannelore-Greve-Preis und dem Walter-Kempowski-Preis auch Literaturpreise für ihre Mitglieder aus. 2016 gab es den ersten Kurzgeschichtenpreis, 2017 folgte der erste Lyrikpreis. Nachdem eine Jury acht Finalisten aus allen Bewerbern ausgewählt hatte, wurde das Finale am 22. Juli in der evangelisch-methodistischen Kirche in den Bethanienhöfen lesend ausgetragen. Dabei gingen nicht nur Form und Inhalt der Gedichte, sondern auch Art und Weise des Vortrags durch die Autorinnen und Autoren in die Entscheidung ein. Vielleicht mag dem einen oder der anderen eine Kirche anfangs als etwas ungewöhnlicher Ort für einen derartigen Wettbewerb vorgekommen sein, aber die Würde des modern gestalteten Raumes korrespondierte hervorragend mit den vorgetragenen Gedichten und nicht zuletzt mit dem vorgegebenen Thema: „Fürchtet euch nicht“.
Die Finalisten trugen unter der Regie des 2. Vorsitzenden Dr. Wolf-Ulrich Cropp ihre Gedichte vor. Acht Minuten Lesezeit mussten eingehalten werden, es gab außer kurzen musikalischen Intermezzi keine Pause, sodass höchste Konzentration und Aufmerksamkeit nicht nur von den Vortragenden, sondern auch vom Publikum gefordert waren.
Der thematische Bogen der dargebotenen Lyrik war weit gespannt: Es ging um die Courage des Einzelnen in einer Welt voller Herausforderungen, um Kritik an Wirtschaft und Gesellschaft, um das Älterwerden, um Flucht und Vertreibung, um Mut machen und Trost spenden, Einsamkeit und Sehnsucht, Historisches und vieles mehr. Ein wahrlich breiter Fächer an Motiven, Stimmungen, Wortklängen, lyrisch-poetischen Bildern und Facetten, der es den etwa 70 Besuchern nicht leicht machte, einen Sieger zu küren.
Den Preis gewann nach geheimer Abstimmung Maren Schönfeld, die sieben Gedichte aus ihrer noch unveröffentlichten Sammlung von „Engel-Gedichten“ rezitiert hatte. Dabei bezog sie das Wettbewerbsmotto „Fürchte dich nicht“ weniger auf den Menschen als vielmehr auf den Engel, der unter dem Menschen zu leiden hat. Das Engelbild in diesen Gedichten entspricht nicht einem romantisch verklärten Schutzengel, sondern einem verletzlichen Wesen zwischen den Welten, dem der Mensch kaum Beachtung schenkt, von dem er jedoch Schutz erwartet. Die Autorin möchte mit dieser Perspektive das Selbstverständnis menschlichen Handelns, manchmal ohne Rücksicht auf Verluste, infrage stellen. Sie baut die Gedichte als Dialog zwischen einem lyrischen Ich, dem Menschen, und einem Du, dem Engel, auf. So heißt es in einem ihrer Siegertexte: (…) „doch wer achtet, Engel, auf dein Ringen / bloßer Schritte auf kalten Steinen / wer vernimmt dein Weinen wer reicht / dir die Hand niemand streicht / das Mühen dir aus dem Kleid / wir atmen uns und haben keinen / Atemzug für dich“. Der ruhige, klare Vortrag der Autorin überzeugte das Publikum ebenso wie ihre Sprachkraft und die lyrische Umsetzung des Themas.
Ein Blumenstrauß, Urkunde und das Preisgeld von 500 € waren der verdiente Lohn für den Gewinn des ersten Lyrikpreises der Hamburger Autorenvereinigung, der von der 1. Vorsitzenden Sabine Witt unter großem Applaus des Publikums der strahlenden Gewinnerin übergeben wurden. Den 2. Platz teilten sich Volker Maaßen und László Kova.