Der Marinemaler Professor Christopher Rave

Von Michael Buschow

„Wanderer zwischen den Welten“

Rave in seinem Hamburger Atelier um 1924

Umrankt von hohen Lorbeerhecken sitzt er da, ein aufgeschlagenes Buch auf dem Schoß, den Hut auf dem Kopf und eine Hand auf einen Stock gestützt. Fast meint man, der Mann ruhe sich nur ein wenig von einer mühseligen, weiten Reise aus. Tritt man näher an die Bronze-Plastik heran, erkennt man, fast durch die Zweige verborgen einen Seeadler auf der  Schulter des Rastenden sitzen.

Nicht weit von Kapelle 4 auf dem stillen Friedhof  in Hamburg-Ohlsdorf  hat ein ungewöhnlicher Mann einst seine letzte Ruhestätte gefunden: Der Hamburger Marinemaler, Expeditionsteilnehmer, Kameramann und Autor Christopher Rave.

Geboren am 20.Februar 1881 studierte Rave Malerei an den Kunstgewebeschulen in Berlin und Paris und unternahm ausgedehnte Reisen nach Frankreich, in die Niederlande und nach Südamerika. Besonders gefördert wurde er durch den Kunstpädagogen und Direktor der Hamburger Kunsthalle Alfred Lichtwark. Rave fühlte sich stark dem Meer und der Seefahrt verbunden und so ist es kein Wunder, daß sein künstlerisches Hauptwerk zum Beispiel eine zwischen 1900 und 1909 entstandene Serie von dreihundert Gemälden umfasst, die die gesamte Geschichte der Schifffahrt der Welt darstellt. Zu seiner Zeit ein Mammut Projekt.

1910  erlebte Rave als Gast zusammen mit dem Grafen Larisch an Bord des Laeiszschen Fünfmasters „Preußen“  dessen dramatische Strandung an den Klippen vor Dover. 1912 nahm Christopher Rave an der so tragisch endenden Arktis-Expedition des Leutnant Herbert Schröder-Stranz teil. Rave betätigte sich dort mit seiner 35 Millimeter-Kamera als Dokumentarfilmer und hinterließ der Nachwelt einen außergewöhnlichen, erst kürzlich wiederentdeckten Film.

Rave in der Sorge-Bai, März 1913

Die Spitzbergen-Expedition stand von vorneherein unter keinem guten Stern. Der Zweimastschoner mit Hilfsmotor „Herzog Ernst“ aus Tromsoe, der unter nautischer Leitung des Kapitäns Alfred Ritscher die fünfzehn Teilnehmer nach Spitzbergen gebracht hatte, wurde in der Treurenberg-Bai vom Eis eingeschlossen. Wahrscheinlich war es die Führungsschwäche und Unerfahrenheit des Leutnant Schröder-Stranz gepaart mit der unzureichenden Vorbereitung der Expedition und natürlich den extremen Wetterverhältnissen, die dazu führte, daß insgesamt nur sieben Teilnehmer der Expedition überlebten. Der Mann, der eine besonders starke Konstitution, Nervenstärke und Durchhaltevermögen bewies, war ausgerechnet  Maler, nämlich Christopher Rave. Unbeschreiblich, mit welchen Strapazen er seinen unter schwersten Erfrierungen leidenden Kameraden, den Geographen Hermann Rüdiger auf dem Rücken viele Kilometer durch Eis und Schnee bei Sturm und Temperaturen von minus 20 Grad Celsius zurück zum Schiff schleppte – um ihm dann mit primitivsten Mitteln einen erfrorenen Fuß zu amputieren und somit das Leben zu retten. Die Überlebenden wurden schließlich 1913 durch eine Rettungsaktion des Norwegers Arve Staxrud mit Hundeschlitten in Sicherheit gebracht. Schröder-Stranz blieb verschollen.

Die Erlebnisse der Expedition brachte Rave in dem Buch mit dem Titel „Im Eise Verirrt“ 1914 zu Papier.

Waren Raves Gemälde bis zum Ersten Weltkrieg größtenteils noch plakative, oft detailliert technische Darstellungen von Schiffen, denen die Wasserlandschaft untergeordnet schien, erkennt man in seinem Spätwerk, was die Marinemalerei betrifft, die von ihm selbst erlebte Dramatik der Seefahrt. Haushohe Wellenberge, Brecher und sturmgepeitschte Wogen, Lichtdurchbrüche aus  Wolkengebirgen, gischtumschäumte Vollschiffe, Barken, Schoner und Briggen,  gekonnt dargestellt in der Segelführung und Verhältnismäßigkeit zu Himmel und Meer lassen den Betrachter in diese maritime Welt eintauchen. Rave wußte genau, was er in seinem Hamburger Atelier auf die Leinwand brachte.

Eine schwere Krebserkrankung beendete sein Schaffen. Christopher Rave nahm sich am 13.Januar 1933 in Hamburg das Leben.

Sein Schüler Valentin Krauss aus München gestaltete das Grabmal, das heute an den Maler, den „Wanderer zwischen den Welten“ erinnert.

Fotos: SchmitzArchiv