Die vertrackte 19. Stunde

erschienen in: GODOT. Das Hamburger Theatermagazin

Von Hans-Peter Kurr

„Stör ich?“ im Monsun Theater

In der Stunde, in der die ersten  Schatten das Ende des Tages ankün­digen, fragen wir uns unwill­kür­lich nach dem Sinn des Lebens oder wir spüren eine selt­same, unbe­stimmte, schmerz­liche Empfin­dung, wie den Hauch eines Todes­flü­gels, der uns streift. Neuro­pa­tho­logen spre­chen in diesem Zusam­men­hang von der „Neunzehnuhr-Angst“.

Meine Neunzehnuhr-Angst in nunmehr über 40 Thea­ter­jahren als Regis­seur, Drama­turg und Schau­spieler war Wider­wille, Abscheu, macht­lose Aufleh­nung, als verlöre ange­sichts des „fins­teren und dummen Abgrunds“, wie Montaigne diesen Zustand nennt, meine gesamte künst­le­ri­sche Arbeit ihren Wert ange­sichts der im öffent­li­chen Bewusst­sein –  und vor allem in demje­nigen der soge­nannten „öffent­li­chen Hände“ – konti­nu­ier­lich absin­kenden Achtung der gesell­schafts­po­li­tisch so wich­tigen kultu­rellen Continue reading „Die vertrackte 19. Stunde“

Humorvoller Horror an Hamburgs Hauptbahnhof

Von Hans-Peter Kurr

Tanja Bahmani, Oskar Ketelhut, Silke Muriel Fischer, Sandra Keck

 Ohnsorg-Theater zeigt Erfolgs-Musical „De lütte Horrorladen“

Das in der Regel dem heimatlichen Platt hingebungsvoll lauschende Publikum geriet beim Besuch mehrerer ‚Previews’ und der Premiere der neuesten Ohnsorg-Produktion schier aus dem Häuschen : Eines der international erfolgreichsten Musicals steht, selbstverständlich ‚op platt’ , bis zum 8.Juli 2012 auf dem Programm:

Alan Menken’s und Howard Ashman’s „Little Shop of Horrors“ in der von Anatol Preissler, der auch einfühlsam inszeniert hat,  eingerichteten Fassung, für die die in dieser Kunst so bewanderten Hartmut Cyriacks und Peter Nissen den mundartlichen Text schufen. Continue reading „Humorvoller Horror an Hamburgs Hauptbahnhof“

Theatergruppe GODOT gastierte im Theater N. N.

 Von Hans-Peter Kurr

Tschechow – verschlüsselt

„Man muß nicht jede einzelne Scherbe verstehen“, empfiehlt der Autor und Regisseur der Collage mit dem zumindest originellen Titel „Tschechow Scherben“, die jetzt als mehrtägiges Gastspiel der „Theatergruppe GODOT“ in Dieter Seidels „Theater N.N.“ zu bestaunen war. Verblüffenderweise soll die ( nicht eindeutig erkennbare ) Handlung auf der „Bühne eines Provinztheaters“ spielen, entnimmt der Besucher dem Begleitzettel. Aber diese Irritation verliert an Wichtigkeit angesichts des geschickt zusammengefügten Konglomerates aus Zitaten und Briefen ( stets im Zusammenhang mit Tschechows Frau, der Schauspielerin Olga Kipper), die Wladimir Tarasjanz geschrieben und mit drei  Jung-Schauspielern inszeniert hat. Continue reading „Theatergruppe GODOT gastierte im Theater N. N.“

Zum ersten Mal in Hamburg gezeigt: Wyrpypajews „Sauerstoff“

 Von Hans-Peter Kurr

(mit einem Begleittext der Schauspielerin Katharina Herzberg von Rauch)

Der Schüler aus der Schukin-Schule

Spannende und ereignisreiche Abende waren das in der Thalia-Dependance an der Gaußstrasse, an denen dort die Ergebnisse des „Studentenprojekts III Regie Schauspiel“ der hamburgischen Theaterakademie in der Gastgeberschaft des rührigen Thalia-Theaters gezeigt wurden. Eine von den insgesamt sechs gezeigten Produktionen soll hier und heute herausgegriffen und aus der Sicht zweier Generationen beschrieben werden. Deshalb berichten der Regisseur Hans-Peter Kurr (74) und die Schauspielerin  Katharina Herzberg von Rauch (24).

Hans-Peter Kurr

Der sibirisch-stämmige Autor Iwan Wyrypajew ( 38 )  ist in seiner Erst-Funktion Schauspieler, den diese Tätigkeit allerdings so wenig befriedigte, dass er an der Continue reading „Zum ersten Mal in Hamburg gezeigt: Wyrpypajews „Sauerstoff““

“Moon over the Brewery” – Die fabelhafte Welt der Amanda

Von Uta Buhr

Das neue Stück am English Theatre of Hamburg

Der große Gatsby?

So fabelhaft wie die Welt der Amélie, alias Audrey Toutou, die sich in ihrer Fantasie ein herrliches Dasein rund um den Montmartre  auf den zarten Leib schneidert, stellt sich jene der Amanda Waslyk nicht dar. Der frühreife Teenager, der gerade einmal dreizehn Jahre zählt, hat Mühe, sich mit der Tristesse einer schmutzigen Stadt namens Beertown  im „Kohlenpott“ Pennsylvanias zu arrangieren. Da Amanda häufig allein ist, erfindet sie einen Gefährten namens Randolph, der ihr nach Lust und Laune Gesellschaft leistet und jeweils in die Rollen der von ihr verehrten Romanfiguren schlüpft. Selbstverständlich ist Randolph nur für sie und das Publikum sicht- und hörbar. Continue reading „“Moon over the Brewery” – Die fabelhafte Welt der Amanda“

„Moon over the Brewery“

By Uta Buhr

Moon over the Brewery“ by Bruce Graham – the new play at the English Theatre of Hamburg

A fabulous world

The fabulous world that teenager Amanda Waslyk has built around her dull existence can by no means compete with that of Amélie, alias Audrey Toutou. Do you remember that gorgeous French film, showing those hot spots and old quarters around Montmartre? In order to cope with her loneliness in Beertown, a dirty coal town in Pennsylvania, thirteen year old Amanda invents Randolph, a smart and handsome Continue reading „„Moon over the Brewery““

Der gläserne Klang der ZEIT

Von Hans Peter-Kurr

Eine Schauspiel-Uraufführung mit dem Titel „ZEIT“ fand auf der Bühne der Kammerspiele statt und dennoch geschah einhundertundfünf Minuten……nichts. Zu beschreiben ist dieses Nichts schwer, es zu erleben war ein bemerkenswertes inneres Abenteuer, das eine Erinnerung hinterläßt wie der gläserne Klang vom Frost geröteter Blätter, die vom schwarzen Gerippe ansonsten nackter Baumäste herabrauschen : Continue reading „Der gläserne Klang der ZEIT“

Ssählawih oder C’est la vie? Gelungene Kurt-Tucholsky-Revue

Von Hans – Peter Kurr

Im Geburtsdatum trennen sie 22 Jahre, die „eiserne Schnauze“ Kurt Tucholsky, der nur 45 Jahre auf unserem Planeten verbrachte und das eiserne Hamburger Theaterschiff, das heute noch lebt….

Und das kam so (,……wie es in manchen Geschichten heißt)

Nach dem Zusammenbruch des „Großdeutschen Reiches“, das eintausend Jahre überleben sollte, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, nach dem Verlust aller Kunst in deutschen Landen, nach den schrecklichen, lebenvernichtenden Continue reading „Ssählawih oder C’est la vie? Gelungene Kurt-Tucholsky-Revue“

Der Klosterbruder und die Liebe

 Von Hans-Peter Kurr

Der Klosterbruder und die Liebe

Inken Rahardts phantasiereicher Umgang mit Massenets „Manon“

Als anno Domini 1893 im Hamburger Opernhaus die deutsche Erstaufführung von Puccinis Meisterwerk „Manon Lescaut“ stattfand, von den hanseatischen Besuchern allerdings nicht goutiert und deshalb nach wenigen Vorstellungen abgesetzt wurde, klangen auch die Melodien seines Mitbewerbers um die Gunst der Musikwelt, Jules Massent, aus dessen Oper „Manon“ bereits seit sieben Jahren durch die Opernhäuser.

Etwa 120 Jahre später zählt Ersterer noch immer zu den Vips der europäischen Komponistenrunde. Zweiterer wird uns – in der Regel in Programmen wie denen von Klassikradio oder NDR III – durch die Einspielung seiner Zwischenakt-Musik „Meditation“ aus Massenets bedeutendem, aber selten produzierten Werk „Thais“ nahegebracht. Continue reading „Der Klosterbruder und die Liebe“

Eine Probe auf Rechtsstaat und Kultur: Anders Breivik

Von Johanna R. Wöhlke

Am Rande gesagt…

Der moderne Rechtsstaat ist über Jahrhunderte gewachsen und hat sich entwickelt unter Qualen und Schmerzen vieler Menschen. Sie haben gekämpft und gelitten, überzeugt und argumentiert, insistiert und nicht aufgegeben, die Suche nach und den Begriff von Gerechtigkeit zu entwickeln und zu festigen.

Für kultivierte Menschen ist es in diesen Tagen besonders schwer, die Zeitung aufzuschlagen und einem Gesicht zu begegnen, das zu einem menschlichen Monster gehört, dessen selbstgefällige und menschenverachtende Selbstdarstellung der Inhalte und Antriebe seines Handelns die Grenzen dessen erreicht, was in einem funktionierenden Rechtsstaat als gewährleistet betrachtet werden muss: Das Recht auf rechtliches Gehör und das Recht auf ein faires Verfahren vor dem Richter. Continue reading „Eine Probe auf Rechtsstaat und Kultur: Anders Breivik“

Domenica: Das Fotobuch

Domenica: Das Fotobuch.

Domenica Niehoff (1945 – 2009), Deutschlands bekannteste Hure, war eine Frau, die ihre Energien verschleuderte, sie hatte ein weites Herz für Viele, und das nicht nur für Männer. »Ich hatte alles. Alle Schichten. Sie waren winselnd, bettelnd, fordernd, gemein.

Brav, lieb, reich, arm, jung, alt«, sagte sie 2008. Prominente wie die Thurn und Taxis ließen sich gern mit ihr fotografieren, die Popgruppe Trio präsentierte ihr Dekolleté auf einem Plattencover – unter dem Titel »Bum Bum«, bei entwürdigenden Promi- und Medienevents wurde sie verheizt.

Ende der 80er Jahre begann sie, sich als Streetworkerin für junge drogenabhängige Prostituierte zu engagieren, bis an die Grenzen ihrer Kräfte. Sie selbst stieg aus dem Milieu Continue reading „Domenica: Das Fotobuch“

Fröhliche Ostern!

 

Fröhliche Ostern! mit EGGart von Cosia Immerscheen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Liebe Mitglieder und liebe Leser unserer Seite!

Wir möchten Sie in diesen Tagen nicht ohne einen fröhlichen Ostergruß auf unserer Seite empfangen. Diese beiden Küken mögen Ihnen Freude bereiten! Erholsame, entspannende und fröhliche Ostertage wünscht Ihnen der Vorstand!

Ginny von Bülow in der Hamburger Spielbank

Große Dame mit Vergangenheit: Lesung aus dem Werk Ginny G. von Bülows am 26. März 2012 in der Spielbank Hamburg

Von Uta Buhr

Es war schon ein Genuss, der Lesung von Doris Kunstmann  aus dem Werk der Autorin  Ginny von Bülow zuzuhören. Das rauchig-sinnliche Timbre der Stimme der bekannten Hamburger Schauspielerin  verlieh den amüsanten Episoden der Weltenbummlerin und geistreichen Erzählerin, die am Roulettetisch ebenso zu Hause ist wie auf der Rennbahn, einen unverwechselbaren Reiz. Obwohl die Texte unverhohlene biographische Züge tragen, nimmt man Ginny von Bülow das „Leben einer Tagediebin“ – so der Titel eines ihrer Bücher – nicht so recht ab. Die Dame von Welt  gehörte mit Sicherzeit nie zu jenen Zeitgenossen, die dem lieben Gott den langen Tag stehlen, wie es Continue reading „Ginny von Bülow in der Hamburger Spielbank“

Streit der Vaudeville-Titanen

 Von Hans-Peter Kurr

 St. –Pauli-Theater: Neil Simons „Sonny boys“ in Starbesetzung

sonny boys

Der Frankfurter Fischer-Verlag, neben Rowohlt, Bloch, Kiepenheuer einer der bedeutendsten deutschen Editionäre für Theaterstücke , weiß, auf welche Theater er setzen darf….auch in Hamburg:

Vor, sozusagen, kaum einem Atemzug sahen wir Neil Simons berühmte „Sonny boys“ im Winterhuder Fährhaus mit Peter Striebeck und Ralf Schermuly ,schon erscheinen sie in neuem Gewand und in neuer Besetzung auf dem Kiez: Der ( künstlerische) Hausherr des renommierten St.-Pauli-Theaters, Ulrich Waller , inszenierte jene hinreissende Komödie um zwei gealterte Vaudeville – Continue reading „Streit der Vaudeville-Titanen“

A night at the opera – Oslo 2012

Von Dr. Ferenc Horvath

Der Eingang

Norwegen, das an seinem GDP gemessen ein heutzutage fabelhaft reiches Land.  Im Norden hat es in 1999 entschieden ein neues Opernhaus zu bauen.  Damit sollte das faktisch erst seit 1905 unabhängiges  Land ein weiteres, diesmal ein kulturelles Zeichen setzen.

Diese neue Oper – „Oslo -Operahuset“ –  wurde damit das größte norwegische Kulturprojekt der Nachkriegszeit.

Der erste Spatenstich erfolgte in 2003. Die Gala Eröffnung fand am 12.April 2008. statt. Für uns Hamburger noch eine ganz wichtige Information: die Kosten der Fertigstellung haben  die der ursprünglichen Planung mit 300 Millionen Norwegischen Kronen unterschritten. Continue reading „A night at the opera – Oslo 2012“

Sitzend – Stehend – Liegend

Von Dr. László Kova

Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Rudolf-Steiner-Schule, Altona

Dr. László Kova Eröffnugsrede

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste unserer Ausstellung!

Die Bezeichnung „Sitzend – Stehend – Liegend“ deutet nicht auf körperliche Betätigung hin, ist auch keine Werbung für eine orthopädische Praxis in Altona, setzte nicht ins Ziel, die Anwesenden durch sportliche Animation von Ihren Rückenschmerzen zu befreien. Es ist einfach der Titel unserer Ausstellung. Continue reading „Sitzend – Stehend – Liegend“

Unser Mitglied Hartmuth Seitz: Ein Musiktraum geht in Erfüllung

Von Johanna R. Wöhlke

Sich einbringen in eine Idee und dann mit allen Kräften versuchen, sie zu realisieren: Auf diesem Wege befindet sich gerade unser Mitglied Hartmuth Seitz mit seiner Idee einer Konzertreihe. Auf der Pressekonferenz dazu hat der Kollege der Niederelbe Zeitung, Thomas Schult, einen ausführlichen Artikel darüber geschrieben, dem nichts mehr hinzugefügt werden muss. Wir haben an dieser Stelle auch schon berichtet. Wir stellen ihn hier ein und wünschen Hartmuth Seitz viel Erfolg für seine Idee!

Niederelbe Zeitung, 26. März 2012

 

Das Spielfeld in der Kirchenallee

Von Hans-Peter Kurr

Neues vom Schauspielhaus in der „Umbauspielzeit“ 2012/13

Bauprobe Spielfeld Blick auf Portal

Nein, nein, es handelt sich nicht etwa um ein Fußballfeld, was da an der Kirchenallee entstehen soll, sondern um eine originelle theatralische Form, die sich die interimistische Leitung des Deutschen Schauspielhauses Jack Kurfess und Florian Vogel ausgedacht und am vergangenen Wochenende Zuschauern und Presse für die Umbauspielzeit 2012 / 13 präsentiert hat ( Unser Bild zeigt eine Probeaufstellung während einer sogenannten Bauprobe der in den Zuschauerraum hineingebauten provisorischen Bühne, Spielfeld genannt, die die Aufrechterhaltung von Vorstellungen Continue reading „Das Spielfeld in der Kirchenallee“