Balancieren lernen mit einem Buch?

von Maren Schönfeld

Buchcover
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Das ist meine erste Frage, nachdem ich den Buchtitel gelesen habe. Aber mir wird schnell klar: Das ist gar kein Buch! Jedenfalls keins, das man einmal durchliest und ins Regal stellt. Nicht mal eins, das man gemütlich bei Tee und Keksen, mehr oder weniger konzentriert, nach Belieben konsumiert. Nein: Das Buch fordert mich heraus. Schon auf Seite 18 lädt es mich ein, im Wohnzimmer zu balancieren, und auf Seite 21 finde ich mich schreibend wieder! Ich merke bald: Diese Seiten können mein Leben verändern, mit diesem Buch kann ich etwas, kann ich mich verändern. Und zwar nicht im Sinne viel gepriesener Selbstoptimierung zur Erzielung höherer Leistungen – wäre vielleicht auch als Nebenfaktor möglich –, sondern um in meine Balance zu kommen.

Aber der Reihe nach: Alexandra Bischoff stellt in diesem kurzweiligen, verständlichen und eloquent geschriebenen Buch Elemente aus „Kommunikationspsychologie, Systemischem Coaching, Gefühls- und Gedankenmanagement, mentaler und körperlicher Entspannung, Stressprävention/Stressbewältigung und Positiver Psychologie“ (S. 13) vor. Ich begegne alten Bekannten wie Friedemann Schulz von Thun, dessen Kommunikationsbücher ich während meiner Ausbildung zur Kursleiterin gelesen habe. Viele Anregungen kenne ich bereits, habe sie aber nicht in dieser Kombination erlebt. Die kluge Abwechslung zwischen Bischoffs Ausführungen, den Anregungen zum physischen Erleben in Form kleiner Übungen und zum Notieren und Weiterdenken ergeben ein faszinierendes Synergie-Dreieck. Dabei ist das Buch wie ein Trainingsratgeber aufgebaut, immer mit einer Prise Humor und gleichzeitigem Tiefgang, dem fundiertes Wissen zugrundeliegt. Die Figur ANNA gibt Beispiele für Affirmationen und Übungen, die aus dem Lot geratene Alltagssituationen wieder ausbalancieren können. Jedes der ersten 12 Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung und Empfehlungen zum Weiterlesen – denn natürlich kann dieses Buch nicht jedes behandelte Thema in aller Tiefe und Breite ausloten. Die Kapitel 13 bis 16 geben schnelle Erinnerungshilfen für den Fall, dass es mal wieder drunter und drüber geht im Leben und keine Zeit da ist, um ein Kapitel zu wiederholen. Eine Art literarischer Rescue-Tropfen, ein Erste-Hilfe-Kasten, den man ganz fix noch einmal lesen kann.

Die Autorin hat es verstanden, prägnante Begriffe und kurze Einheiten zu kreieren, die auch dann bei mir haften geblieben sind, wenn ich nicht alle Übungen und Anregungen ausgeführt habe. Wenn ich aber an die „Innere Wärme- und Energiekugel“ (S. 37) oder die „Positive Umdeutung“ (S. 78) denke oder durch nochmaliges Hineinlesen ins Buch erinnert werde, sind die kleinen Alltagshilfen sofort präsent und abrufbar. Das Buch bündelt damit für mich eigene Erfahrungen und neue Impulse, ich kann mir ein eigenes Paket schnüren und mir die Anregungen aussuchen, die zu mir passen (z. B. das „Kraftbüchlein“, S. 34, oder „Bodyfeedback: Lächeln“, S. 49).

Ich habe dieses Buch in einer für mich schweren Phase gelesen, als ich im Rahmen einer chronischen Krankheit eine niederschmetternde Diagnose erhielt. Es war damit für mich alles andere als eine theoretische Gedankenübung, sondern es hat meinen Fokus auf die positiven Seiten gelenkt und mir geholfen, meine seelische Dysbalance ein wenig auszugleichen. Ich erkenne in „Ich wünsche mir Gelassenheit – Ein Balancierkurs für die Seele“ durchaus einen biblio- und poesietherapeutischen Ansatz und Nutzen, der jedoch dezent und diskret daherkommt und deshalb so sympathisch und hilfreich ist.

Parallel zum Buch bietet Alexandra Bischoff einen monatlichen „Balance-Nachrichtenbrief“ mit einem Impulsthema an. Ich freue mich immer, wenn ich den Newsletter in fröhlichen Farben bekomme und die motivierenden Zeilen der Autorin lese. Es steht mir frei, auf ihrem Blog weiterzulesen, Beiträge zu kommentieren oder das Thema still für mich zu bewegen. Abonniert man den Nachrichtenbrief, erhält man als Dankeschön ein Set„Impulskarten“ zum Download, die als Erinnerung an das, was uns gut tut, dienen sollen.

Es ist insgesamt ein zugewandtes, liebevolles und unaufdringliches, dabei aber eindringliches Konzept, das das klassische Printmedium mit den digitalen Medien verbindet. Hier geht eine Autorin über das Schreiben hinaus, öffnet sich dem Austausch mit ihren Leser*innen und macht sich fortwährend Gedanken, mit welchen Themen sie an diese herantritt. Damit lebt sie vor, was sie eigentlich in allen Kapiteln transportiert: Achtung und Achtsamkeit. Achtung vor sich selbst und vor anderen, Achtsamkeit für den Moment, für sich selbst und die Menschen um sich herum. Achtsamkeit, ja, das hört man ständig in den Medien, es ist ein Modewort geworden. Hier kommt es aber nicht als leere Floskel daher. Dass Alexandra Bischoff es schafft, in unsere getriebene Selbstoptimierungszeit ein Buch zu schreiben, dass einerseits genau unseren Parametern gerecht wird (wenig Zeit zum Lesen, also kurze Einheiten, Zusammenfassungen, höchste Prägnanz, niemals abschweifende Ausführungen) und uns gerade damit zum Innehalten bringt, ist eine erstaunliche Leistung.

Kein Wunder, dass so ein Konzept ein großer Erfolg wird! Nun stehen neue Veröffentlichungen an: Ein Mini-Balancierkurs als Impuls- und Notizbuch und ein Tischaufsteller mit 52 positiven Impulsen. Damit greift sie meine Anregung auf, noch bevor ich sie ausgesprochen habe: Es wäre toll, etwas Raum zum Schreiben im Buch zu haben, um den Text durch eigene Notizen ergänzen zu können.

Aus der Idee, mal ein Buch über die gute Balance zu lesen, ist für mich ein Konzept geworden, das mich mal enger und mal weiter begleitet und das ich nicht mehr missen möchte.

 

Alexandra Bischoff: Ich wünsche mir Gelassenheit – Ein Balancierkurs für die Seele
Ellert & Richter Verlag, 160 S.

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Author: Maren Schönfeld

Maren Schönfeld ist Lyrikerin, Journalistin und Lektorin. Sie veröffentlicht Lyrikbände, Sachbücher sowie Artikel. Seit 2018 ist sie die Präsidentin der Auswärtigen Presse und leitet den Verband gemeinsam mit ihren Vorstandskollegen Dr. Manuel Ruoff und Winfried Wöhlke.