„The Who & The What“ – das neue Stück am English Theatre of Hamburg

Wie kannst du so etwas über den Propheten schreiben, Zarina?

Dieses Stück des mit dem begehrten Pulitzerpreis ausgezeichneten pakistanisch-amerikanischen Autors Ayad Akhtar ist eine veritable Herausforderung für jeden „Theatermacher.“ Kein Wunder, dass die Mundsburger Bühne unter der bewährten Regie von Clifford Dean sich dieses Stoffs angenommen hat. Allein der Titel „The Who & The What“ – zu Deutsch “Das Wer & Das Was“- wirft Fragen auf. Worum geht es in diesem als Tragikomödie konzipierten Stück, in dem das Publikum sich einem Wechselbad widersprüchlichster Emotionen ausgesetzt sieht?

Ich möchte, dass du bald heiratest, liebe Schwester

Auf den ersten Blick scheint alles in bester Ordnung im Heim der pakistanisch-amerikanischen Familie Afzal, die seit langem in Atlanta, der Metropole im tiefen Süden der Vereinigten Staaten, lebt. Doch der Schein trügt. Der Vater der beiden Schwestern Zarina und Mahwish wünscht, dass seine ältere Tochter endlich heiratet, damit Mahwish, die Jüngere, ihrem Jugendfreund das Ja-Wort geben kann. Doch Zarina, die emanzipierte Hochschulabsolventin, weigert sich standhaft, dem Willen ihres Erzeugers nachzugeben. In einer guten muslimischen Familie ist es Tradition, dass die jüngere Schwester erst heiraten kann, wenn die ältere unter der Haube ist. So will es der Brauch. Und daran gibt es für das patriarchalische Familienoberhaupt Afzal nichts zu rütteln. Afzal hat jeden Grund, stolz auf sich und seine Leistung zu sein. Als mittelloser Einwanderer aus Pakistan hat er es dank Fleiß und Ausdauer in einem fremden Land mit völlig anderen Wertvorstellungen mit seinem Taxiunternehmen zu einem vermögenden Mann gebracht. Ergo – er allein bestimmt über das Wohl der Familie. Punkt.

Mach‘ dir keine Sorgen. Das bekommen wir hin

Hinter ihrem Rücken hat Afzal ein Profil von Zarina auf einer muslimischen Ehepartnerbörse erstellt. Er hält es für seine väterliche Pflicht, die Kandidaten auf Herz und Nieren zu überprüfen, bevor sie Zarina kennenlernen dürfen. Eli, ein zum Islam konvertierter Amerikaner, besteht den strengen väterlichen Test. Zarina ist außer sich. Dennoch willigt sie ein, den jungen Mann zu treffen. Sie stellt fest, dass sie vieles mit Eli verbindet. Genau wie sie steht er Glauben und Religion kritisch gegenüber. Er ermuntert Zarina, ihr Buch fertigzustellen, in welchem sie sich mit Leben und Wirken des Propheten Mohammed auseinandersetzt. Was für ein Mensch war er, was trieb ihn an? Müssten nicht viele der vor über 1400 Jahren erlassenen Gebote, die seither das Leben muslemischer Frauen bestimmen, revidiert und den jetzigen Verhältnissen angepasst werden? Ein Tabu für den sich zwar liberal gebenden, aber im Grunde seines Herzens erzkonservativen Afzal, für den der Koran seit eh und je ein in Stein gemeißeltes Gesetzbuch war. Als er Zarinas Manuskript in die Hände bekommt, bricht für ihn eine Welt zusammen. Ein Konflikt eskaliert, der die Familie zu zerreißen droht. Afzal weist Eli, der fest an der Seite Zarinas steht und ihr Vorhaben verteidigt, mit harschen Worten die Tür. Kritik am Propheten ist eine unverzeihliche Blasphemie. Eine Todsünde. Alles, was an die „Sünderin“ Zarina erinnert, wird aus dem Haus verbannt.

Zwei Jahre später treffen wir Afzal und die junge Mahwish in einem Park wieder. Der Patriarch lauscht dem Gesang seines Lieblingsvogels, eines Kentucky Warblers. Wie aus dem Nichts taucht die vom Vater verstoßene Zarina auf. Trotz des Zerwürfnisses ist Afzal heute milde gestimmt. Als Zarina erzählt, dass sie mit Eli, ihrem Mann, nach Oregon übersiedeln will, weil es wegen ihres inzwischen veröffentlichten Buches zu Spannungen in seinem muslimischen Umfeld gekommen ist, erfährt sie, dass auch ihr Vater ihretwegen mit Schwierigkeiten zu kämpfen hat. Ein Großteil seiner Taxifahrer hat wegen des Buches gekündigt. Aus Protest wurde sogar ein Fenster seines Hauses eingeworfen. Doch das ist Afzals geringste Sorge. Er hat Zarina verziehen und möchte nur, dass sie glücklich wird. Ja, glücklich sei sie, gesteht Zarina, zumal ihr Buch in weiten Teilen der USA viel Anklang gefunden habe und viele Menschen sich jetzt trauten, ohne Scheu kontroverse Fragen zu stellen. Als Zarina ihrem Vater gesteht, dass sie schwanger ist, zeigt er sich hoch erfreut darüber, bald Großvater eines Jungen zu werden. Doch auf die anfängliche Freude folgt Ernüchterung. „ Es ist ein Mädchen,“ triumphiert Zarina. Dass selbstbestimmte Frauen auch immer das letzte Wort haben müssen! Der Vorhang fällt unter dem begeisterten Applaus der Zuschauer.

Wir werden von hier fortgehen, Zarina

Nach einer Reihe dramatischer Szenen setzt die Regie urkomische Akzente. Wer kommt schon auf die Idee, einer hochgebildeten Muslima wie Zarina zu verbieten, Geld in die Hand zu nehmen. Laut dem bekennenden Macho Afzal geziemt sich dies für Frauen nicht, denn – Zitat – „Geldangelegenheiten sind nun einmal Männersache.“ Und das im 21. Jahrhundert. Muslimische Lebensart in allen Ehren. Aber auch hier gibt es Grenzen. Kann es sein, dass Autor Ayad Akhtar, dem der Schalk aus den Augen blitzt, sich nur einen kleinen Scherz erlaubt hat, um das Publikum zu provozieren? In diesem Stück bleibt so manche Frage unbeantwortet…

„The Who & The What“ dürfte bei vielen in ihren Traditionen tief verwurzelten muslimischen Menschen eingeschlagen haben wie eine Bombe. Wie kann eine junge Frau wie Zarina sich nur dem allmächtigen Vater widersetzen und ihr Leben in die eigenen Hände nehmen? Karen Johal, der britischen Schauspielerin mit pakistanischen Wurzeln, gelingt es meisterhaft, Zarinas innere Zerrissenheit zwischen familiärer Loyalität gegenüber ihrem Vater und selbstbestimmter Lebensplanung herauszuarbeiten.

Rohit Gokani als schlitzohriger Patriarch, ist eine ebenso tragische wie komische Figur, die seine durch Zarina angegriffene Autorität mit hilflosen Aktionen in den Griff zu bekommen sucht. 10 Punkte von 10 für diese grandiose Darstellung.

Der zum Islam konvertierte Eli ( Adam Collier) wächst im Laufe des Stückes weit über seine Rolle als etwas unglaubwürdiger Konvertit in die Rolle eines gestandenen Verteidigers individueller Freiheiten und Frauenrechte hinaus.

Auch Mahwish, die Jüngste im Bunde (Noor Sobka), zeigt eine reife schauspielerische Leistung in diesem konfliktreichen Spiel. Fazit: Ein perfekt miteinander harmonierendes Ensemble, dessen Spielfreude mit viel Beifall bedacht wurde.

Der Autor Ayad Akhtar, Jahrgang 1970, wurde als Sohn pakistanischer Eltern in den USA geboren. Er ist vielseitig begabt und wirkt als Bühnen- und Fernsehautor, Schauspieler und Romancier. Seine berühmtesten Bühnenwerke sind „The War Within“, „American Dervish“, „Disgraced“ und „The Who & The What”.

 

“The Who & The What” läuft bis einschließlich 3. Juni 2023. Tickets unter der Telefonnummer 040 – 227 70 89 oder online unter www.englishtheatre.de

Nach den Theaterferien im September melden wir uns wieder und informieren über das neue Stück auf dem Spielplan.

Über das Summer Festival des English Theatre erfahren unsere Leser in Kürze mehr an dieser Stelle.

Fotos: Stefan Kock

“The Pride” by Alexi Kay Campbell at the English Theatre of Hamburg

Watch out, Philip, what you are saying! Photo: ETH

Alexi Kay Campbell’s debut play “The Pride” premiered on January 26, 2023, at the ETH. The author won the famous Olivier Award as well as the Critic’s Circle Award for Most Promising Playwright and the John Whiting Award for Best New Play. Indeed, more praise is not possible. Alexi Kay Campbell was born in Athens/Greece to a Greek father and a British mother. Once an actor, he later started writing. His very successful plays include “The Pride”, “Apologia” and “Sunset at the Villa Thalia.”

The plot
Thank you for the invitation. Photo: ETH

London in 1958. We meet Sylvia and Philip, a young middle-class couple, in their flat which is furnished in the bad taste of that period: floral wallpaper in shrill colours, cocktail chair and kidney-shaped table in a nearly bare living-room. Both are expecting Oliver (Daniel Cane), a childrens’ book author whose work is illustrated by Sylvia (Lisa O’Connor). While drinks are being served Philip (Mat Betteridge) and Oliver engage in small talk over their professional lives. While Philip confesses that selling real estate is nothing he really likes to do and that he secretly dreams of emigrating, well-travelled Oliver recounts a personal epiphany in Delphi that foretold a future life, totally free from anxiety and fear. There is something in the air – a whiff of sexual tension between the two men that does not escape Sylvia’s attention. She always suspected Oliver to be homosexual although she never mentioned it to him. We must not forget that homosexual relations were strictly forbidden by law in the olden times that were anything but golden. Although bourgeois Philip tries hard to resist his hitherto hidden preference for having sex with a man he finally succumbs to Oliver’s charm. Both become lovers. Sylvia feels unhappy but decides to put up with the situation. She loves both men and does not want to lose them.

Change of scene. 2008 – exactly fifty years later things have completely changed. Homosexuality is no longer a tabu. Everybody can make love to any partner of his choice without any fear of being punished by the law for sexual offence. Oliver is still addicted to anonymous sex – the most humiliating the better. He even hires a jobless man clad in a Nazi uniform (Matt Hastings) who makes him lick his boots.

Back to the „right“ track?

We jump back to the fifties and find Philip in a doctor’s study. The man in white is trying to put his patient back on the normal, the “right” track. His therapy is brutal, to say the least. Philip must spend hours in a prison-like dark room where he is given injections that make him vomit for hours. However, the therapy does not work. In 2008 we meet Philip again in a publisher’s office. Peter. The owner of a company publishing pornographic magazines, offers him 4,000 pounds when he writes an essay encouraging heterosexual men to embark on a trip into queer circles. Peter thinks that Philip has all the experience to do this job.

The Pride Party

The final scene. We find the three friends – Sylvia, Philip and Oliver – in one of London’s lush green parks, celebrating “The Pride” Party. Everything is blooming, birds are twittering in bushes and trees and everybody seems to be happy. Romance pure – at least at first sight. Philip and Oliver are on friendly terms again and Sylvia talks about Tony, her new boyfriend. All of a sudden Sylvia disappears. After a short while she comes back carrying a small suitcase and dressed in her nightie, a relic of the fifties. It is quite obvious that she will leave for good. From a distance she whispers: “It will be all right, it will be all right, it will be all right.” Curtain

The audience is flappergasted. Who on earth would have expected such an abrupt unpromising end of the play since everything seemed to be in perfect order?

Campbell’s “The Pride” offers an insight into the world of homosexual life in pre-liberation times with all its guilt and shame felt by those who were not normal or even pervert in the eyes of our former puritanical society. Just think of all those men who had to hide their sexual orientation. Oscar Wilde, one of the greatest writers that Britain ever knew, was sentenced to hard labour. A few years later he died in poverty. Peter Tschaikowsky committed suicide for fear that his homosexuality would be revealed.

What are you expecting from me? Photo: ETH

While some scenes are great, even humorous with sparkling dialogue, others are utterly disturbing. This refers to the argument between Philip and Oliver that ends in Oliver’s raping Philip in his apartment. The other horror comes along with the “doctor” who orders a nurse in his clinic to lock Philip in a windowless room where he is administered several injections to make him vomit for hours on end. Psychiatrists invented this obscene therapy to cure homosexual men from their “vice.” As far as we know that method never really worked. Fortunately for the men who just wanted to be themselves without anybody telling them whom they were allowed to make love to.

Please don’t come nearer! Photo: ETH

Attention: The vocabulary used is not meant for the ears of ladies and gentlemen who prefer toff language. Who ever heard anybody of that highbrow class say: “Lick my dick?” The words frequently used in the play are „fuck“ and „fucking“. Since it is also often used by Germans, it certainly only hurts the feelings of very few people. Fuck!

Conclusion: A great performance. A big hand for the four actors on the stage and director Paul Glaser who made Mr. Campbell’s play a success on the Mundsburg stage.

Last performance of “The Pride” March 25, 2023. Tickets under phone number 040-227 70 89 or online under www.englishtheatre.de

Next premiere: “The Who & The What” by Ayad Akhtar, on April 6, 2023

Photos: Stefan Kock

„The Pride“ von Alexi Kaye Campbell am English Theatre of Hamburg

Überlege dir, Philip, was du sagst! Foto: ETH

Einen Mangel an Vielfalt kann niemand der Bühne an der Mundsburg vorwerfen. Nach einem Thriller aus der Feder Charles Dickens‘ und einer das Herz erwärmenden Komödie von James Sherman widmet sich das Theater jetzt dem hochaktuellen zeitgeistigen Thema der gleichgeschlechtlichen Liebe. Der britisch-griechische Autor Alexi Kaye Campbell wurde für „The Pride“ von allen Seiten geehrt und zudem mit dem renommierten „Olivier Award“ ausgezeichnet. Auch die Presse zeigte sich begeistert von diesem Drama, das der Kritiker des „Guardian“ als großartig, zugleich traurig, witzig und mutig beschrieb. Kurz, ein Stück, das jeden anspricht.

Wir sind gespannt. Also Vorhang auf für „The Pride.“
Danke für die Einladung. Foto: ETH

Wir schreiben das Jahr 1958. Das Londoner Apartment von Philip (Mat Betteridge) und Sylvia (Lisa O’Connor) ist gemäß dem seinerzeitigen Geschmack eingerichtet: Nierentischchen, Cocktailsessel und eine großflächige florale Tapete bestimmen das Bühnenbild. Das junge Ehepaar empfängt den Besuch Olivers (Daniel Cane), eines erfolgreichen Kinderbuchautors, dessen Werke von Sylvia illustriert werden. Während dieser ersten Begegnung der beiden Männer offenbart sich, dass sie mehr miteinander verbindet, als Philip zuzugeben bereit ist. Während Oliver, den Sylvia bereits als latent homosexuell erkannte, seine Neigung – wenn auch geheim – auslebt, ist Philip entsetzt über seine aus bürgerlicher Sicht unzulässigen Gefühle. Er gerät in einen schweren Gewissenskonflikt. Vergessen wir nicht, dass unsere Gesellschaft in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts noch weit entfernt war von der Legalisierung homosexueller Beziehungen. Diese wurden durchweg mit mehrjährigen Gefängnisstrafen sanktioniert und führten dazu, dass „ehrbare“ Bürger die „Delinquenten“ mieden. Trotz aller Bedenken lässt sich Philip auf eine Affäre mit Oliver ein, obgleich ihn dessen Hang zu anonymem Sex abstößt.

Szenenwechsel. Wir befinden uns mitten im Jahr 2008. Die Gesellschaft hat sich in einem halben Jahrhundert radikal verändert. Jeder kann jetzt nach seinem Gusto selig werden, und niemand wird mehr wegen seiner sexuellen Präferenzen bestraft. Oliver geht weiter seiner Leidenschaft für wechselnde Partner nach. Er entdeckt einen Hang zum Masochismus, der darin kulminiert, dass er einem in Naziuniform auftretenden Mann die Stiefel ableckt. Ein armer Kerl, der mit diesem unappetitlichen Job sein karges Einkommen aufbessert.

Zurück in die „Normalität“?

Wir springen zurück ins Jahr 1958 und treffen Philip in der Praxis eines Arztes, dessen Aufgabe es ist, Schwule zurück in die „Normalität“ zu führen, und dies mit Methoden, die an mittelalterliche Flagellantenrituale erinnern. Oder an die Kaltwasserbehandlungen im 19. Jahrhundert, von denen sich die seinerzeitige Wissenschaft die Heilung Geisteskranker versprach. Philip wird in einem gefängnisartigen, völlig fensterlosen Raum mit Brechmitteln behandelt, nach denen er sich stundenlang übergeben muss. Seinerzeit gingen gewisse ärztliche Kreise davon aus, dass der Patient durch diese brutale Therapie der Selbstverachtung von seiner „Krankheit“ geheilt würde. Genützt hat Philip die Behandlung des Halbgottes in Weiß offenbar nicht. Denn wir sehen ihn 2008 im Büro eines Verlegers wieder, der ihm viertausend Pfund Sterling für einen Aufsatz bietet, in welchem er begründet, warum auch ein heterogener Mann sich auf ein schwules Abenteuer einlassen sollte. Philip sei doch aufgrund seiner eigenen Erfahrungen in der Lage, „normalen“ Männern einen solchen Versuch schmackhaft zu machen.

Was erwartet ihr von mir? Foto: ETH

Und wie kam Philips „Coming Out“ in den späten Fünfzigern bei Ehefrau Sylvia an? Als sie die Affäre ihres Mannes mit Oliver herausfand, war sie schockiert und verletzt. Sie fühlte sich von Philip betrogen, fügte sich jedoch letztlich in ihr Schicksal, weil sie ihn liebte und von ihm weder lassen wollte noch konnte.

The Pride Party

Wir wechseln erneut ins Jahr 2008 und nehmen an The Pride Party in einem der schönen Londoner Parks teil. Die Atmosphäre ist entspannt, Philip und Oliver scheinen miteinander versöhnt. Da taucht Sylvia auf, einen Koffer in der Hand. Sie ist entschlossen, ihr altes Leben aufzugeben. Im Gehen flüstert sie: „Alles wird gut, alles wird gut, alles wird gut.“ Nach diesen Worten senkt sich der Vorhang.

Das Ende von „The Pride” lässt manchen Zuschauer ratlos zurück. Wer auf ein Happy End mit einer funktionierenden Ménage à trois gehofft hatte, sieht sich enttäuscht. Eine Frau und zwei Schwule in einem Haushalt. Wie soll das funktionieren?

Bitte, komm nicht näher! Foto: ETH

„The Pride“ ist ein sehr komplexes Stück, das nach dem Theaterbesuch erst einmal verdaut werden muss. Zumal die Szenen zwischen den fünfziger Jahren, als Schwule noch öffentlich angeprangert wurden, und der befreiten Gegenwart immer hin und her springen. Der Zuschauer hat nicht selten Mühe, dem Geschehen zu folgen. Eine Hilfe sind die Kostüme, die sich gründlich voneinander unterscheiden: 1958 Pettycoat und Louis-Quinze-Absätze, 2008 T-Shirt und Sneakers. „The Pride“ illustriert deutlich den Wechsel von der staatlich verordneten repressiven Sexualität bis hin zur Befreiung von sämtlichen Konventionen. Bereits Sokrates rief die Menschen auf, sich selbst zu erkennen – ergo – sich zu sich selbst zu bekennen. Dies wurde in der Vergangenheit vielen Männern zum Verhängnis. Man denke nur an Oscar Wilde, einen der größten Dichter englischer Sprache. Als sein homosexuelles Verhältnis zu einem Adligem publik wurde, landete er in der Tretmühle. Kurz darauf starb er krank und völlig verarmt. Peter Tschaikowsky, der Schöpfer unsterblicher Werke, nahm sich aus Angst vor der Entdeckung seiner Neigung das Leben. Das zaristische Russland hätte ihm die Liebe zum eigenen Geschlecht trotz seines Ruhmes nie verziehen. Übrigens – in Deutschland wurde der Paragraph 175 STBG, der Homosexualität früher mit empfindlichen Strafen ahndete, erst vor nicht langer Zeit ersatzlos gestrichen. Tempi passati. Gottlob.

„The Pride“ enthält einige schwer erträgliche gewalttägige Szenen. Besonders verstörend ist jene, in der Oliver Philip in seiner Wohnung vergewaltigt. An einen Akt des Exorzismus erinnert die Szene, in welcher ein Arzt Philip seine „Schwulität“ mit den widerlichsten Methoden auszutreiben versucht.

Großes Lob geht an drei Schauspieler, die alles gaben. Auch der vielseitige Matt Hastings – der Vierte im Bunde – soll nicht unerwähnt bleiben. Er meisterte souverän gleich drei Parts – Verleger Peter, den „Mann“ in der Naziuniform sowie den Doktor. Paul Glaser, der Regie führte, ist mit dieser Inszenierung erneut über sich hinausgewachsen. Herzlichen Dank für diesen anregenden Abend im ETH.

„The Pride“ läuft bis einschließlich 25. März 2023. Tickets unter der Telefonnummer 040-227 70 89 oder online unter www.englishtheatre.de

Nächste Premiere: „The Who & What” von Ayad Akhtar, am 6. April 2023

Fotos: Stefan Kock

Nimm uns mit, Kapitän, auf die Reise…

Mit dem Sahara-Express durch die Wüste

In seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischen Hamburg und der Ferne“ lädt uns der bekannte Schriftsteller Wolf Cropp auf eine Reise rund um die Welt ein. Leichtfüßig bewegt er sich zwischen der Hansestadt und zahlreichen Ländern auf der nördlichen und südlichen Halbkugel unseres Globus. In Insgesamt zweiundvierzig völlig voneinander unabhängigen Erzählungen gewährt der Autor dem Leser einen Einblick in sein abenteuerliches Leben, das ihn stets fernab der ausgetretenen touristischen Pfade nicht nur in die interessantesten, sondern häufig auch gefährlichsten Regionen des Planeten führten.

Die Reise um die Welt beginnt vor der Haustür
Mal wieder im Hamburger Hafen bei der Verholung der PAMIR

Ein kluger Fahrensmann sagte einst, dass einer, der die Welt erkunden will, zuerst seine Heimat richtig kennenlernen solle. Dann erst habe er das Rüstzeug für die weite Ferne. Folgerichtig beginnt Cropp seinen Erzählzyklus in seiner Vaterstadt Hamburg. „Kampfplatz Stadtpark“ berichtet von einem gefährlichen Abenteuer, das er und seine Spielkameraden nach 1945 in der vom Krieg zerstörten Hansestadt zu bestehen hatten. Vielleicht war dieses Erlebnis zusammen mit anderen gewagten „Aktionen“ auch die Feuertaufe für diesen drahtigen Mann, der auf seinem weiteren Lebensweg nie einer Herausforderung auf dem Weg ging.

Von einem, der auszog, das Fürchten zu lernen
Der Voodoo-Priester mit der Plastiktüte?

Wer kann sich etwas Schöneres vorstellen als die Inseln der Südsee? So verschlug es den Autor nach Moorea, Tahiti, wo er mit dem „Inselschreck“ Bekanntschaft schloss. Mit den Füßen im Stillen Ozean plätschernd, überlegte er sich, wie er zu Wasser nach Papeete gelangen könnte, mietete ein Auslegerkanu und landete in der Tat am Ziel seiner Träume, trotz der Warnung eines Einheimischen, er könne zwar heil in Tahiti ankommen, aber auch bei ungünstiger Strömung auf dem offenen Meer verloren gehen. Hatte der Waghalsige nur Glück oder war er einfach ein begnadeter Navigator? Wir vermuten letzteres. Von dieser Tour de Force etwas erschöpft, wandelt Cropp beseelt auf den Spuren des Malers Paul Gauguin und lässt uns an der tragischen Lebensgeschichte des Malers teilhaben. Der Künstler erträumte sich einen Garten Eden in der Südsee, frei von allen Konventionen der westlichen Zivilisation, fand aber zu seinem Leidwesen eine durch die französische Kolonialherrschaft zerstörte autochthone Kultur vor. Quelle déception! Dennoch schuf er wunderbarer Gemälde, die zwar zu seinen Lebzeiten niemand kaufen wollte, die aber heute unbezahlbar sind. Ein Schicksal, das er mit anderen genialen Künstlern teilt. Man denke nur an Vincent van Gogh.

Eisfischen am Nordrand Alaskas

Auf den „Marktbesuch“ im westafrikanischen Benin folgen spannende Geschichten auf dem „Transalaska Highway“ sowie eine „Kreuzfahrt ins ewige Eis“ Alaskas. Ferner erfahren wir, dass am Sambesi „Die Hölle stinkt.“ Es gehört schon viel Mut dazu, sich auf eine „entspannte Bootsfahrt“ oberhalb der Victoriafälle zu begeben. Noch viel gefährlicher aber sind die Gewässer darunter, in denen hungrige Krokodile leben und auf Beute lauern. Doch auch diesen Höllentrip übersteht Cropp mit einem Lächeln auf den Lippen, als er gleich zwei der riesigen Echsen mit weit aufgerissenen Mäulern neben seinem Boot erblickt. Nach einem solchen Abenteuer mutet der Ausflug in die Wüste im Tschad zwar auf den ersten Blick wie ein Spaziergang an, entpuppt sich jedoch als Ausflug voller Tücken. Als der Autor die Orientierung verliert, verlassen ihn bald seine Kräfte. Völlig erschöpft legt er sich im Wüstensand zum Schlaf nieder: „Ich suchte den Boden ab. Schwarzkäfer bohrten sich in den Grund. Skinke huschten über den Sand. Ein Skorpion hastete davon. Eine Hornpiper grub sich ein. Der Abendwind blies sie weg, die letzten Lebensspuren…“ Aber auch aus dieser prekären Lage arbeitet sich Cropp heraus, der offenbar wie eine Katze über sieben Leben verfügt. Der wunderbaren Geschichten sind viele in diesem lesenswerten Buch. Eine der anrührendsten ist jene, in der sich der Autor auf die Suche nach dem verlorenen Sohn eines Freundes in Thailand begibt und diesen nach endlosen Umwegen auch findet.

Kein Platz für Märchen
Der Autor on Tour

Wenn auch manche Erzählungen etwas fantastisch anmuten, so haben wir es im Autor Cropp nicht etwa mit einem Claas Relotius zu tun, der den „Spiegel“ vor nicht langer Zeit mit Geschichten beglückte, die ausschließlich seiner allzu lebhaften Fantasie entsprangen. Keines von Cropps Abenteuern ist erfunden. Hier geht es ausschließlich um „histoires vécues“ – am eigenen Leib Erlebtes und Erlittenes. Manche der in „Zwischen Hamburg und der Ferne“ enthaltenen Erzählungen kennen wir bereits aus verschiedenen Büchern, die der Autor im Laufe der Zeit über seine Reisen rund um den Globus geschrieben hat. Sein einzigartiges Fabuliertalent lässt uns seine Abenteuer hautnah miterleben. Dazu gehören u.a. „Fluchtort Guantánamo, „Heimaterde“ und „Die Brandung.“ In diesem Kontext hervorzuheben ist „Insel der Meuterer (Pitcairn), eine faszinierende Geschichte, die das Schicksal der Überlebenden der legendären „Bounty“ auf einer gottverlassenen Insel in der Südsee erzählt. Da dieses felsige Eiland offenbar auf den Seekarten der britischen Admiralty im 18. Jahrhundert nicht zu finden war, biss man sich im fernen London die Zähne aus nach dem Verbleib von Fletcher Christian und den übrigen Meuterern. Kaum zu glauben, aber es gibt auf Pitcairn immer noch Nachkommen dieses Aufrührers gegen die britische Krone.

Zurück zu den Wurzeln

Mit „Zwischen Hamburg und der Ferne“ überreicht uns Wolf Cropp einen bunten Blumenstrauß wunderbarer, den ganzen Erdball umspannender Erzählungen. Die literarische Reise endet, wo sie begann, in Hamburg. Hier begegnen wir der drallen „Seemannsbraut“ auf St. Pauli, erfahren manch Bizarres über die „Liebe in Zeiten von Corona“ und wohnen der Überführung der „Viermastbark Peking“ in ihren heimatlichen Hafen auf dem Grasbrook bei.

Fazit

Wer sehnt sich in dieser trüben kalten Jahreszeit nicht nach Sonne, Meer und Abenteuern in fernen Ländern? Empfehlung: Man greife zu „Zwischen Hamburg und der Ferne“ und genieße dieses fast 500 Seiten starke Buch in vollen Zügen. Viel Spaß bei der Lektüre.

Buchcover
(c) Verlag Expeditionen, Hamburg

„Zwischen Hamburg und der Ferne“ von Wolf Cropp ist im Verlag Expeditionen erschienen, umfasst 491 Seiten und kostet 20 Euro. ISBN 978-3-947911-68-4

Fotos: Wolf-Ulrich Cropp

Oh Tannenbaum…

Weihnachtstisch

Endlich! Nach zweijähriger Abstinenz konnten wir unsere langjährige Tradition wieder aufnehmen und die DAP-Weihnachtsfeier am 2. Dezember im „Marriott“ begehen. Wie üblich, hatten die Mitarbeiter des Hotels den Saal festlich dekoriert. Auch der weihnachtlich geschmückte Tannenbaum fehlte nicht. Dessen Anblick hätte Frau Puvogel, die Mutter der legendären Hamburger Göre Klein Erna, bestimmt zu dem begeisterten Ausruf hingerissen: „Guck mal, Erna, sieht tscha aus wie gemaln!“

An diesem bitterkalten Abend kam das als Begrüßungsgetränk gereichte Glas Glühwein den 22 Teilnehmern gerade recht. Nach einer kurzen Ansprache durch unsere Präsidentin Maren Schönfeld ging es mitten hinein in das vorweihnachtliche Programm. Lesungen unserer Mitglieder aus eigenen oder fremden Werken gehörten stets zum Ablauf einer jeden Weihnachtsfeier.

Wolf-Ulrich Cropp

Den Anfang machte Wolf-Ulrich Cropp, der eine Geschichte aus seinem jüngst erschienenen Buch „Zwischen Hamburg und der Ferne“ vorlas. Je weiter die Geschichte voranschreitet, entpuppt „Hautnah“ sich als ein perfides Spiel, das ein junger Student mit seinen arglosen Gastgebern treibt. Wer erinnert sich nicht an den 11. September 2001 – ins kollektive Gedächtnis eingegangen als „Nine Eleven“ – als eine Gruppe von Terroristen die beiden Türme des New Yorker World Trade Center in die Luft sprengte. Das Unheil nahm seinen Lauf in Hamburg-Harburg, wo Mohammed Atta, der Drahtzieher des Attentats, jahrelang scheinbar friedlich unter uns lebte, im wahrsten Sinne des Wortes „hautnah.“ Ein begabter fleißiger Student aus Ägypten, wie alle fassungslos beteuerten, die ihn kannten: „Welche Schlange haben wir an unserem Busen genährt!“ Ein wahres, vom Autor sensibel vorgetragenes Drama.

Das von Gesine Mariona rezitierte Gedicht aus der Zeit unserer Groß- und Urgroßeltern bildete einen willkommenen Kontrast zu Wolfs Erzählung.

Hanna Malzahn, Foto: Maren Schönfeld

Hanna Malzahn, unser neues Mitglied, gab ihren Einstand mit einem echten „Wumms“, wie man neuerdings sagt, indem sie in lockerer Folge aufzählte, wie viele Bürger dieses Landes unsere schöne Sprache verunstalten. Es hat den Anschein, als seien manche nicht mehr in der Lage, einen Satz ohne eine Anzahl völlig überflüssiger Anglizismen zu formulieren. Heute ist ja alles sexy, shit, strange – and by the way – mega-cool. Teenies und Twens geben sich high-five, chatten, chillen und machen sich Gedanken über eine work-life-balance. Dies sind nur einige Kostproben aus Hanna Malzahns akribisch zusammengetragener Fäkal- und Vulgärsprache, wie sie heute leider an der Tagesordnung ist. Unser kürzlich verstorbener Sprachpapst Wolf Schneider hatte immer wieder vor der Verballhornung unserer Sprache gewarnt und auch ein Buch mit dem Titel „Sprecht deutsch“ veröffentlicht. Übrigens sprach Schneider ein makelloses Oxford-Englisch. Im Gegensatz zu unseren Sprachpanschern war er in der Lage, ganze, grammatikalisch einwandfreie Sätze im englischen Idiom zu formulieren. Diesen Text finden Sie hier:
https://die-auswaertige-presse.de/2022/12/x-mas-oder-weihnachtsmaenner-sind-auch-nur-menschen/

Nach den Lesungen genossen wir ein exquisites Büffet – einen Gaumengenuss aus diversen Vorspeisen, krosser Gänsekeule mit Rotkohl und Klößen sowie leckere Desserts – das keinen Wunsch offenließ.

Natürlich durfte auch unser beliebtes Würfelspiel nicht fehlen, das diesmal ohne Würfel stattfand, weil ein Mitglied Knobelbecher und Würfel zu Hause vergessen hatte. So ein Pech. Doch kluge Leute wie die Mitglieder der DAP finden immer eine Lösung. Diesmal wurden die Geschenke qua Münze „erwürfelt.“ Das klappte vorzüglich. Viele waren sogar der Meinung, die Münze sei die bessere Alternative, weil das Spiel schneller von statten gehe. Dennoch, nächstes Jahr werden wir zum Würfel zurückkehren. Allein schon deshalb, weil wir hoffen, 2023 wieder unseren Ehrenpräsidenten Günther Falbe bei uns zu haben, dessen Aufgabe es in über 15 Jahren war, stets das Spiel erneut zu erklären.

Fazit: Diese Weihnachtsfeier wurde von allen als besonders gelungen und harmonisch bewertet. Ein herzlicher Dank geht an die Mitwirkenden an diesem Ereignis. Um ein Haar hätte ich Event geschrieben. Doch im Geiste erschien mir Hanna Malzahns erhobener Zeigefinger gerade noch zur rechten Zeit.

Allen Mitgliedern der DAP ein gesegnetes Weihnachtsfest und den berühmten guten Rutsch in ein hoffentlich friedliches 2023! Apropos, der gute Rutsch kommt aus dem jiddischen „Roscheschone.“ Locker übersetzt heißt der Gruß so viel wie „Auch im Neuen Jahr einen klaren Kopf.“ Den werden wir alle dringend brauchen.

Fotos: Hanna Malzahn

“Romance in D” by James Sherman – The New Play at The English Theatre of Hamburg

„Don’t touch me. I am a noli me tangere.“ Photo: Stefan Kock

Season Opening
Following the much acclaimed adaptation of Charles Dickens’s novel “Great Expectations”, director Clifford Dean has realized the bittersweet comedy “Romance in D” by the American playwright James Sherman. Little is known about the author outside the Anglo-Saxon world although Sherman has written a number of plays that proved blockbusters on the stages of New York and other big cities in the United States. Dear spectator, this play was chosen by the theatre to warm your heart on a number of cold, foggy and rainy winter days before and after Christmas. Remember Shakespeare’s poem about heavy storms in winter?: “Blow, blow thou winter winds…” Even then you will be warm and comfortable on your seat in the English theatre and enjoy one of the most touching plays ever written.

Chicago, Chicago
„Wow – I am completely groggy.“ Photo: Stefan Kock

In medias res: At first sight the setting will remind you of New York. But you are completely wrong. The skyscrapers in the background of the stage belong to Chicago. In apartment number 4E in one of the mega city’s highrise buildings a young attractive woman tries to commit suicide by putting her head into her gas oven. What a blessing that the man next door smells the gas in time and dials the emer-gency number 911. By reacting quickly, 40-year-old Charles Norton saved Isabel Foxe’s life. Every normal person would think that this heroic feat would automatically lead to a love affair between Isabel and Charles. What an error. When Isabel wants to thank her “knight in shining armour” he replies curtly “You are welcome.” No doubt, Charles Norton is a difficult person, to say the least. You may even call him a notorious bachelor. His profession is that of a musicologist which means that he Is infatuated with music and could not care less about the rest of the world. He is a loner and horrified by the very idea of having a relationship with a woman, no matter how attractive. Isabel Fox next door was once married to a man who left her for a much younger woman. She is deeply depressed and lonely. As a poetess she tries to compensate her loss by writing poems.

Worried Parents

Charles’s mother Helen Norton and George Fox, Isabel’s father, are worried about their offspring. Helen, being a typical “Yiddish Momme”, pampers her son and cooks him his favourite meals every day. Her heart’s desire is to see him happily married to a nice woman who bears him children. However, Charles defends his lonely life with claws and teeth. The only thing he wants is to be left alone. Full stop. Helen is desperate and at the end of Latin. The same refers to George Fox. Since he lost his wife a couple of years ago, his only close relative is his beloved daughter Isabel. He cannot bear to see her suffer. To hell with her unfaithful ex-husband. What about finding her a suitable partner?

Matchmakers
„What do the three of you want from me?“ Photo: Stefan Kock

Helen and George do their utmost to bring their children together. Wouldn’t Isabel and Charles make a perfect couple? The try fails. What a pity.
Christmas Eve brings the Nortons and the Foxes together. Everybody is relaxed and happy. While George and Isabel light their Christmas tree Helen and Charles stick to their Jewish tradition. Charles lights the candles on their menorah. Merry Christmas, merry Chanukka!
Helen and George are in high spirits and dance while Isabel and Charles are looking on. This perfect evening ends for the older generation in Isabel’s bedroom. Isabel and Charles are utterly shocked. How dare they at their age!

As time goes by
„Let’s dance.“ Photo: Stefan Kock

In the long run Isabel and Charles find out that they have a lot in common. He likes and composes music while she writes poems, strictly speaking music in verse form.
Dear spectator, if you want to know more about the progress in Isabel’s and Charles’s relationship you need to be patient. Will Helen’s and George’s wish finally come true? That you have to find out yourself. Just buy a ticket and enjoy this bittersweet comedy. We wish you two inspiring hours!
What a play. We are suffering with poor Isabel who has to wait a long time before Charles comes to terms. Doesn’t it remind us of prince William’s Kate who was disrespectfully nicknamed “waity Katie” by some rude British paparazzi? However, that brave girl never lost her temper and waited patiently until her prince declared to her. It is true that not every woman can become a princess, let alone Princess of Wales…

„Love, love, love…“ Photo: Stefan Kock

A big hand for the four Thesbians who brought jollity into this grey November evening. Our thanks go to Helena Ashwell as depressed Isabel, Brian Tynan as “nerdy” Charles, Jonny Magnanti in the role of Isabel’s charming dad George and last but not least to Joanne Hildon as Charles’s highly spirited “Momme.”
As already stated in the beginning, we practically know nothing about James Sherman, although he already wrote many plays that proved box-office hits in the United States: “Beau Jest”, “This old man came rolling home” and “Magic Time” are very popular plays in the United States. By the way, one of the American critics described “Romance in D” as having “two romances in one.” Indeed, more is not possible.

Last performance of “Romance in D” January 7, 2023.
Tickets under phone number: 040 – 227 70 89
Online under: www.englishtheatre.de

Next premiere: “The Pride” by Alexi Kay Campbell, on January 26, 2023

„Romance in D“ von James Sherman. Die neue Premiere am English Theatre of Hamburg

„Keiner fasst mich an. Ich bin ein noli me tangere.“ Foto: Stefan Kock

Willkommen in der „theatralischen“ Herbst- und Wintersaison! Im Anschluss an die vom Publikum begeistert gefeierte Adaption von Charles Dickens‘ „Great Expectations steht jetzt die Komödie „Romance in D“ des amerikanischen Bühnenautors James Sherman auf dem Programm. Gerade die richtige leichte, aber keineswegs seichte Kost, die dem Publikum am Ende eines trüben nebligen Tages das Herz erwärmt.

Schicksalhafte Rettung in Chicago

Die Handlung entführt uns in die Megacity Chicago, deren gigantische Skyline sich im Hintergrund der Bühne gegen einen leuchtenden Himmel abzeichnet. Romantik pur? Nur auf den ersten Blick. Denn In Apartment 4E steckt gerade eine junge Frau den Kopf in ihren Gasofen, um sich das Leben zu nehmen. Gottlob bemerkt ihr Nachbar den penetranten Geruch, wählt geistesgegenwärtig den Notruf 911 und verhindert einen Suizid. Wie das Schicksal so spielt. Manchmal bringen dramatische Ereignisse Menschen zusammen, die sich unter normalen Umständen nie begegnet wären. Wie in diesem Fall.

„Wow, ich bin total kaputt.“ Foto: Stefan Kock

Charles Norton, seines Zeichens Musikologe, und die Dichterin Isabel Fox, beide Anfang vierzig, leben Seit‘ and Seit‘ in einem riesigen Apartmenthaus. Beide sind notorische Einzelgänger. Während Charles sich ausschließlich seiner Musik widmet, eigene Kompositionen auf dem Klavier intoniert und sein Stereogerät auf volle Dezibelstärke schaltet, gibt sich Isabel hemmungslos ihrem Schmerz über eine verlorene Liebe hin.
In China gilt, dass ein Mensch, der einem anderen einst das Leben rettete, für diesen bis ans Ende seiner Tage verantwortlich ist. Richtet sich Charles nach dieser Maxime? Hat er jemals von ihr gehört? Gleichwohl. Ganz gegen seine Natur, sich nach Möglichkeit mit niemandem – speziell mit Frauen – einzulassen, empfindet er Sympathie für die unglückliche Nachbarin und wird nach und nach zu ihrem Ver-trauten. Auch Isabel fühlt sich zu Charles hingezogen.

Aufkeimende Liebe

Befeuert wird die vermeintlich aufkeimende Liebe von den Altvorderen der beiden. Helen Norton, Charles‘ temperamentvolle Mutter, und Isabels um das Wohl seiner Tochter besorgter Vater George bemühen sich redlich, ihre Sprösslinge zusammen zu bringen. Helen ist eine waschechte „Yiddische Momme“, die nicht nur wie das berühmte Lied erzählt, für ihr Kind durch Feuer und Wasser gehen würde, sondern ihr Söhnchen auch mit größter Selbstverständlichkeit bekocht und verwöhnt. Ihr größter Wunsch ist, dass ihr geliebter Hagestolz endlich in den Hafen der Ehe einläuft und eine Familie gründet. Doch der Junge will sich einfach nicht binden. Helen erklärt Charles zum Helden, als sie erfährt, dass er Isabel Fox durch sein schnelles Eingreifen das Leben rettete. Lächerlich, erklärt Charles kurz, er sei kein Held, sondern habe nur seine Pflicht getan, als er den Rettungswagen rief. Was soll man nur zu einem solchen Sturkopf sagen! Auch Isabels Vater arbeitet fieberhaft daran, aus den beiden Eigenbrötlern ein Paar zu machen. Vergebliche Liebesmüh‘. Die beiden Königskinder wollen einfach nicht zueinander finden. Das Wasser zwischen ihnen ist viel zu tief…

Heiliger Abend
„Was wollt ihr drei eigentlich von mir?“ Foto: Stefan Kock

Schwung kommt in die Angelegenheit, als die beiden Familien sich am Heiligen Abend zusammenfinden. Während die christlichen Foxens unter einem festlich geschmückten Tannenbaum sitzen, entzündet Charles zur Feier des jüdischen Chanukkah die Kerzen an der neunarmigen Menora, einem der wichtigsten Symbole des Judentums. Zwei verschiedene Glaubensrichtungen am Fest der Liebe in Harmonie vereint! Bei bester Laune legen Helen und George eine Sohle aufs Parkett, die den Salon erbeben lässt. Na sowas, die beiden Alten sprühen vor Temperament, während die Jungen etwas konsterniert zuschauen. Doch wie schockiert ist der Nachwuchs, als ihre Eltern nach einem Schäferstündchen leicht zerzaust aus Isabels Wohnung treten.

„Okay, lass‘ uns tanzen.“ Foto: Stefan Kock

Alle Daumen hoch. Was den Alten recht ist, sollte den Jungen doch billig sein. Oder?
Es kommt, wie es in einer echten Komödie kommen muss. Nach einer Reihe von Missverständnissen kommen sich Isabel und Charles immer näher. Zögerlich, aber unabwendbar. Haben sie nicht vieles gemeinsam? Während er der Musik frönt, schreibt sie Gedichte, so zu sagen Musik in Versen. Als Charles noch eine „Fuge für Isabel“ komponiert, scheint das Eis zwischen beiden endgültig gebrochen. Werden demnächst die Hochzeitsglocken läuten oder wird ihre Liebe erneut auf die Probe gestellt? Das herauszufinden, liebe Zuschauer, ist nun Ihre Aufgabe. Viel Spaß dabei!

Ein Wechselbad der Gefühle
„Endlich – der erlösende Kuss.“ Foto: Stefan Kock

„Die Liebe ist ein seltsames Spiel, sie kommt und geht von einem zum ander’n. Sie nimmt uns alles. Doch sie gibt uns auch viel. Die Liebe ist ein seltsames Spiel.“ Ein Lied, welches das Phänomen Liebe treffend beschreibt. Auch Autor James Sherman kennt sich offenbar in Liebesdingen aus. Andernfalls hätte er diese bittersüße Komödie nicht ersinnen können. Der Zuschauer erlebt ein Wechselbad der Gefühle. Wenn er denkt, jetzt hat es endgültig bei dem linkischen Charles gefunkt, sieht er sich düpiert. Ständig wirft der Stoffel sich selbst Knüppel zwischen die Beine. Wer fühlt sich nicht an den un-lücklichen Griechen Sisyphus erinnert, der – fast am Ziel – mit seiner schweren Bürde immer wieder in die Tiefe abrutscht? Auch die Figur der innerlich zerrissenen Isabel ist dem Autor glänzend gelungen. Ehe sie ihre Ängste vor Nähe überwindet, muss sie einen langen Leidensweg zurücklegen. Helena und George, die Eltern der beiden, erweisen sich als erstaunlich resistent gegen die Irrungen und Wirrungen des Lebens. Sie treten als eine Art Buffo-Paar auf in dieser Romanze in D.
Fazit: Ein bezauberndes Stück, das laut einem Kritiker gleich zwei Romanzen in einer enthält.

Regisseur Clifford Dean bewies erneut ein glückliches Händchen bei der Besetzung des Stücks: Alle vier Darsteller überzeugen in ihren Rollen – Brian Tynan als autistischer Charles sowie Helena Ashwell, die die depressive Isabel verkörpert. Paraderollen für Joanne Hildon als spritzige Helen Norton und Jonny Magnanti, der den nicht weniger temperamentvollen George gibt. Grandios die Tanzszene, die das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss.
Über den Autor James Sherman ist bei uns wenig bekannt. Und das, obgleich er eine Reihe in der angelsächsischen Welt sehr erfolgreicher Stücke geschrieben hat. Echte Blockbuster scheinen „Beau Jest“ und das Stück mit dem verheißungsvollen Titel „This old man came rolling home“ zu sein.
Vielleicht demnächst in diesem Theater?

„Romance in D“ läuft bis einschließlich 7. Januar 2023.
Tickets unter: 040 – 227 70 89
Online unter: www.englishtheatre.de

Nächste Premiere:
„The Pride“ von Alexi Kaye Campbell, am 26. Januar 2023

Ein großer Mime – in allen Sätteln gerecht

Herbert Tennigkeit
Foto: actorsagency hamburg

Ein Nachruf auf den Schauspieler und Rezitator Herbert Tennigkeit

Dies vorweg. Herbert Tennigkeit war ein lustiger Vogel, stets zu Scherzen und heiteren Geschichten aufgelegt, die er in seiner unnachahmlichen Art zum Besten gab. Hinter dieser mitreißenden Fröhlichkeit verbarg sich ein nachdenklicher belesener Feingeist, der gern über die Dinge philosophierte, die weit über das Alltägliche hinausreichten.

„Mir hat keiner an der Wiege gesungen, dass ich einmal Schauspieler werden würde. Ursprünglich hatte das Leben offenbar etwas ganz anderes mit mir vor,“ gestand Herbert Tennigkeit mir einst, als ich ihn während eines Hamburger Gastspiels in seiner Theatergarderobe aufsuchte.

1937 im ostpreußischen Memelland geboren, floh er 1944 kurz vor Kriegsende unter dramatischen Umständen mit seiner Mutter und seinen Brüdern vor der Roten Armee gen Westen. Nach einem Aufenthalt in Sachsen trieb es die Familie weiter nach Berlin. Herberts Mutter war praktisch veranlagt und bestand darauf, dass der Sohn erst einmal etwas Ordentliches lernte. Der ging daraufhin bei einem Maler und Anstreicher in die Lehre, der ihm beibrachte, wie man vom Krieg verwahrloste Häuser wieder in einen bewohnbaren Zustand zurückversetzte. Geschadet habe ihm diese Ausbildung zum Handwerker nicht, gestand Tennigkeit einmal. Aber sein Traumziel, Schauspieler zu werden, habe er nie aus den Augen verloren. 1962 war es dann so weit. Er zog nach Düsseldorf und nahm dort Unterricht bei einem seinerzeit bekannten Schauspieler. Auch zum Sänger ließ er sich ausbilden.

Diese solide Ausbildung hatte sich gelohnt, denn in der Folgezeit durfte sich der frisch gebackene Mime über eine Reihe von Engagements an bekannten westdeutschen Bühnen freuen.
Während ein Tourneetheater ihn durch viele Städte der Republik führte, stand er auf der Bühne des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters, brillierte bei den Ruhrfestspielen in Recklinghausen, trat in der Komödie Frankfurt auf und wirkte in Theaterproduktionen mit, die ihn in die Niederlande, Österreich und nach Großbritannien führten. Sein umfangreiches Repertoire umfasste unter anderen Stücke von Shakespeare, Osborne, Brecht, Kleist und Hochhuth. Auch in Operetten und Musicals trat dieser vielseitige Künstler auf. Besonders gelungen empfand er seinen Auftritt in „Irma la Douce“: „Ein bezaubernd frivoles Stück.“ Schade nur, dass er der Irma aller Irmas Shirley MacLaine nie begegnet ist. Aber man kann halt nicht alles haben.

Als Sprecher machte Herbert Tennigkeit sich ebenfalls einen Namen. Seine sonore Stimme eignete sich gut für Hörspiele. Dabei lagen ihm die Karl-May-Hörspiele besonders am Herzen: „Welcher Jugendliche hat nicht alle oder die meisten der insgesamt 65 Romane dieses Titanen der spannenden Lektüre verschlungen?“ Nicht wenige von uns haben sie mit der Taschenlampe unter der Bettdecke gelesen. Die Chronistin war eine von ihnen.

In den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts begann der Mime Tennigkeit noch eine viel beachtete Karriere als Darsteller in Fernsehfilmen und -serien. Unvergessen ist seine Rolle als Anästhesist Dr. Laudann in der „Schwarzwaldklinik“, einer Serie, „die sich zu einem veritablen Straßenfeger entwickelte. Kitsch as Kitsch can? Wahrscheinlich. Aber das Publikum war begeistert von der heilen Welt des Schwarzwaldes und den Protagonisten, die so sympathisch menschlich rüberkamen. Fast genau so beliebt waren Serien vom Schlage „Das Erbe der Guldenbergs“ , „Das Traumschiff“, „Hotel Paradies“ und „Kreuzfahrt ins Glück“, in denen Tennigkeit ebenfalls Erfolge feierte.

Unschlagbar war Herbert Tennigkeit als Rezitator. Seine Lesungen in ostpreußischer Mundart sind bis heute unvergessen. Wenn er aus Siegried Lenz‘ „So zärtlich war Suleyken“ las oder Günther Ruddies‘ „Woher kommen die Marjellchens?“ rezitierte, blitzte in den Augen mancher Zuhörerin aus der „kalten Heimat“ nicht selten ein heimliches Tränchen auf.

Seine ostpreußische Heimat hat Herbert Tennigkeit nie vergessen. Er trug sie immer im Herzen. Mehrmals ist er an den Ort seiner Kindheit zurückgekehrt. In einem Interview vor Jahren, das die PAZ mit ihm führte, bekannte er sich offen zu seiner Sehnsucht nach seinem heimatlichen Poggen. Er wollte seinen Sandkasten, den Apfelbaum im elterlichen Garten und auch seine Schule wieder sehen. Und – oh Wunder – alles war noch da. Da darf auch ein gestandenes Mannsbild eine Träne vergießen.

Ich erinnere mich noch genau an eine gemeinsame Fahrt mit Herbert Tennigkeit zu einem Termin an der Ostsee. Während der kurzen Reise erzählte er mir in beredten Worten viel aus seinem ereignisreichen Leben als Darsteller großer Rollen und gestand ganz nebenbei, dass er sogar mit dem Gedanken gespielt habe, Schlagersänger zu werden. Einfach, weil er gern singe. Ganz so wie der große Kollege Gustav Gründgens, der einmal bekannte: „Ich weiß ja, ich kann nicht singen. Und dabei singe ich doch so gern.“ Aber Herbert Tennigkeit konnte wirklich singen. Immerhin hatte er in jungen Jahren Gesangsunterricht genommen. Und so sangen wir auf unserem Weg nach Timmendorfer Strand aus voller Kehle „Lilli Marlen“, „Die Beine von Dolores“ und „Wenn bei Capri die rote Sonne im Meer versinkt.“ Ein unvergessliches Erlebnis.

Schließlich, doch nicht zuletzt muss an dieser Stelle noch Herbert Tennigkeits langjährige enge Freundschaft mit der in Königsberg geborenen Autorin und Journalistin Ruth Geede erwähnt werden, die im April 2018 im biblischen Alter von 102 Jahren verschied. Ruth, die Doyenne ihrer Zunft, teilte ihre Liebe und lebenslange Sehnsucht nach Ostpreußen mit Herbert. Und niemand konnte ihre Gedichte und Prosa so schön im ostpreußischen Idiom rezitieren wie er. Eine Kostprobe seiner Kunst wurde uns zur Feier des 100. Geburtstages von Ruth Geede im Jahre 2016 geboten.

Nun ist auch Herbert Tennigkeit von uns gegangen. Er starb am 10. Oktober 2022 im Alter von 85 Jahren in seiner Wahlheimat Hamburg.

Requiescat in pace!

(Dieser Nachruf erschien zuerst in der Preußischen Allgemeinen Zeitung)


Lesen Sie auch diesen Artikel über eine Fahrt mit dem Dampfschiff St. Georg, bei der Herbert Tennigkeit Texte rezitierte: https://die-auswaertige-presse.de/2016/08/alstervergnuegen-auf-dem-historischen-dampfer-st-georg/

 

„Great Expectations“ by Charles Dickens. The New Premiere at The English Theatre of Hamburg

„What a beauty you are, Estella.“ Photo: Stefan Kock

As a child I was infatuated with the books by Charles Dickens.
I always gave my mother a hard time when she wanted me to go to sleep. “David Copperfield” was a particularly good read which I secretly enjoyed when mum had left my room after kissing me good night. Later when my brother borrowed me “Great Expectations”, Dickens’s thirteenth novel, I was first shaken with horror while reading Pip’s encounter with Magwitch on the graveyard in rural Kent. The convict who assailed Pip had just escaped from a ship bound for Australia, Britain’s gruesome penal colony. The book proved a real page turner which I did not close before having read the last line.

As to be expected, the British made a film of this wonderful novel in the mid-fortieth of the last century, featuring stars such as Alec Guiness und Jean Simmons. However, when it came to Hamburg under the title “Geheimnisvolle Erbschaft” (Mysterious Inheritance) I was denied access to the cinema. They told me that I was far too young for such murderous stuff. Years later when I saw this black and white movie I was absolutely thrilled by the performance of the late actors.

What a surprise when I heard that the English Theatre of Hamburg intended to adapt “Great Expectations” for the stage. A brilliant idea indeed. However, it was hard for me to imagine that anyone could make a play of this intricate story. Having attended the premiere, I agree that it is possible, provided an experienced stage director like Paul Glaser is in charge.

Want to know more about this stage experiment? Here we go.
„Come on, Pip, you may kiss my hand.“ Photo: Stefan Kock

Eight-year-old Philip, nicknamed Pip, is growing up in a poor family. Orphaned at an early age, he is at the mercy of his quarrelsome older sister who is married to the good-natured blacksmith Joe Gargery. Joe loves the boy and makes up with his tenderness for Mrs. Joe’s tyranny. While visiting his family’s graves on the churchyard one day before Christmas, Pit encounters a convict named Magwitch who urges him to bring him food and a file. Otherwise he would kill the boy. In spite of Pip’s help, Magwitch and Compeyson, his partner in crime and a supposed gentleman who is now his embittered enemy, are soon caught by the police.

An invitation

One day Pip is requested to see Miss Havisham at Satis House. Many years ago that lady became gaga when jilted by her fiancé on her wedding day. Now she lives in her run-down residence with her adopted daughter Estella, still wearing her wedding dress. The old spinster never forgot what her former lover had done to her. Now she is seeking revenge by teaching Estella to torment men with her beauty. While Pip is beguiled by her and instantaneously falls in love with Estella, she treats him with utmost coldness making him feel that he, the poor boy from the smithy, does not belong to her class.

From rags to riches
„Look, my dear boy, all this is mine.“ Photo: Stefan Kock

Several years later a lawyer named Jaggers arrives from London and informs Pip that a person who wants to stay anonymous has left him a nice sum of money. Pip is sure that Miss Havisham is his benefactor who does not dissuade him of his notion. Once in London, Pip is taught to be a gentleman by Mr. Pocket and his son Herbert.
The wealth does not do any good to Pip. He becomes an intolerable snob who is ashamed of his humble birth and looks down on his stepfather Joe who cared for him so tenderly when he was a child.

Shocking news

When Magwitch comes illegally to England confessing that he let Pip the money to thank him for his help years ago, he is caught again by the police while he is trying with the aid of Pip and Herbert to flee on a boat to the Continent. During his flight he gets injured and dies in jail. Shortly before his death Pip informs Magwitch that he is Estella’s father, her mother being Mr. Jaggers’ housekeeper. Following Estella’s birth Jaggers arranged the infant’s adoption by the childless Miss Havishaw. At the same time another secret is unveiled: It was Compeyson who once jilted Miss Havishaw before leaving England for good.

Easy come, easy go

After the death of Magwitch Pip is penniless. He and his friend Herbert had been living beyond their means for many years. As a result of their extravagance they are now completely broke. They decide to go abroad and try their luck elsewhere.

Satis House on fire
„You are making me cry, Estella.“ Photo: Stefan Kock

Pip pays a last visit to Satis House. He learns that Estella, now widowed, was unhappily married to the reckless Bentley Drummle whom Pip once met in London and utterly disliked from the very first moment. Miss Havinshaw expresses her deep regret for having talked Estella into the marriage with that awful man. While talking she comes too near to the fire-place in her living-room so that her dress catches fire. A shocking scene with a blazing fire on the stage. Miss Havinshaw dies a few days later.
When Pip meets Estella after all these years he finds her softer and friendlier than in the past. They shake hands and separate without any hard feelings. Curtain.

Charles Dickens and his Work
„No use, Pip, trying to hide under the table.“ Photo: Stefan Kock

No doubt, Pip was Dickens’s alter ego. Like his hero he grew up in poverty and had to leave school at the age of twelve. His heavily indebted father was being incarcerated for years, and his family paid him regular visits in jail. Unlike Pip Charles was not so lucky to inherit a fortune. He had to work his way up without any help from others. He was what we nowadays call a self-made man. When he was given the chance to work as a journalist he developed his literary gift. Later he became one of Britain’s most famous authors writing one novel after the other. Just think of literary blockbusters such as “Oliver Twist”, “David Copperfield”, “A Christmas Carol in Prose” and “A Tale of two Cities.” In spite of Dickens’s 19th century language, his books are still extremely good reads. The characters are vivid and the settings well written. Just have a look at the nightly scene on the graveyard that makes your blood freeze… Since his work appeared as serialized novels in magazines, a good many people, also from the less privileged classes, were given access to the world of literature. Dickens was a notorious moralist who never got tired of criticizing the false morals of the Victorian society. The great writer of immortal books died at the age of 58. You will find his grave in Poet’s Corner at Westminster Abbey along with other literary geniuses.

The staff
„Don’t worry, you are safe on the boat.“ Photo: Stefan Kock

Seven “multitasking” thespians are at work. Each of them – except Pit (Theo Watt)- are to be seen in several roles. While Michelle Todd plays Miss Havisham, Hubble and Mr. Wemmick – altogether three parts – respect! Jonny Magnanti playing Joe Gargery slips in no time from a worker’s clothes into Magwitche’s rags. Dominic Charman is as convincing in the part of bitchy Mrs. Joe as in the role of the posh Herbert Pocket. What’s more, all of them also move the sparse furniture on the stage when the scene demands a couple of chairs or a sofa. During the works an unseen narrator ( Gordon Griffin) keeps the audience on track about the progress of the events. A brilliant idea.
Ten points out of ten for all those involved in this fantastic performance. Thank you all very much for the inspiring evening.

Final performance of “Great Expectations” on October 29, 2022.
Tickets under phone number: 040-227 70 89 or online under: www.englishtheatre.de

Next premiere: “Romance in D,” comedy by James Sherman, on November 10, 2022

„Great Expectations“ (Große Erwartungen) von Charles Dickens. Die neue Premiere am English Theatre of Hamburg

„Wie schön Du bist, Estella.“ Foto: Stefan Kock

Ein literarischer Blockbuster als Theaterstück!
Ist es überhaupt möglich, diesen komplexen Stoff für die Bühne einzurichten? Die Antwort lautet ja, vorausgesetzt ein genialischer Regisseur wie Paul Glaser nimmt sich dieser Herausforderung an. Aber davon später mehr.

Reminiszenzen

Dieser Wälzer aus der Feder von Charles Dickens wurde mit Starbesetzung – u. a. Alec Guinness und Jean Simmons – in England verfilmt und kam Ende der vierziger Jahre des letzten Jahrhunderts unter dem Titel „Geheimnisvolle Erbschaft“ in die deutschen Kinos. Zu meinem Leidwesen war ich noch zu jung für den Thriller. Mir wurde der Zutritt in den „Kintopp“, wie man damals sagte, verwehrt. Doch mein älterer Bruder genoss das Privileg, diesen großartigen Film sehen zu dürfen. Er schlich sich abends heimlich in mein Zimmer und erzählte mir die spannende Geschichte vom Waisen Pip und seinem Wohltäter. Von der gruseligen Szene auf dem Friedhof bekam ich Albträume.

Das wundersame Abenteuer des kleinen Pip

Der achtjährige Waisenknabe Pip, Taufname Philip, wächst bei seiner herrschsüchtigen Schwester, einer wahren Megäre, und ihrem Ehemann, dem gutherzigen Schmied Joe Gargery, in ärmlichen Verhältnissen auf. Als er kurz vor Heiligabend das Grab seiner Eltern auf dem Dorffriedhof besucht, wird er von einem Mann mit einer eisernen Fußfessel überfallen, der von ihm Essen und eine Feile verlangt. Andernfalls würde er Pip die Kehle durchschneiden. Der Junge bringt dem gerade von einem Sträflingsschiff entflohenen Verbrecher Magwitch das Gewünschte und vergisst nicht, auch noch eine Flasche Brandy „mitgehen“ zu lassen. Trotz aller Vorsicht wird der Sträfling von der örtlichen Polizei gefasst und auf ein Schiff verbracht, das am kommenden Tag nach Australien, die einstige britische Strafkolonie, auslaufen soll.

„Pip, Du darfst meine Hand küssen.“ Foto: Stefan Kock

Große Ehre wird Pip zuteil, als er ins Satis House eingeladen wird, das der seltsamen Miss Havisham gehört. Diese wurde vor vielen Jahren von ihrem Bräutigam am Tag ihrer Trauung sitzen gelassen. Seitdem trägt sie noch immer Brautkleid und Schleier und hegt eine krankhafte Abneigung gegen alle Männer. Zu ihrem Haushalt gehört ihr Mündel, die schöne Estella, der Pip als Spielkamerad dienen soll. Obwohl das junge Mädchen sich Pip gegenüber herablassend benimmt und ihn jeden Augenblick spüren lässt, dass er nicht ihrer gesellschaftlichen Klasse angehört, verliebt der Junge sich unsterblich in sie.

Pip, der Glückspilz

Vier Jahre vergehen, in denen Pip Joe in der Schmiede zur Hand geht. Da geschieht ein Wunder. Ein aus der Hauptstadt London angereister Anwalt namens Jagger informiert Pip, dass ihm ein großes Erbe vermacht wurde. Vorab erhält er schon einmal 500 Pfund, einen Betrag, der zu jener Zeit ein Vermögen darstellte. Für die Zukunft wird ihm eine beträchtliche jährlich auszuzahlende Summe in Aussicht gestellt. Der Anwalt betont, dass Pips Wohltäter auf jeden Fall anonym bleiben wolle. Zudem bestehe er darauf, dass Pip sich von einem Tutor zum Gentleman erziehen lasse. Nichts leichter als das. Pip stimmt zu und begibt sich in die professionellen Hände von Mathew Pocket, mit dessen Sohn Herbert er spontan Freundschaft schließt.

Leben wie ein Gentleman

Obgleich Pip von seinem Anwalt geraten wird, vorsichtig mit seinem Vermögen umzugehen, lockt London mit allzu vielen Versuchungen, denen der Gentleman in spe nicht widerstehen kann. Schnell lebt er über seine Verhältnisse. Freund Herbert teilt seinen aufwendigen Lebensstil und gerät ebenfalls in finanzielle Turbulenzen.

Ein Geheimnis wird enthüllt
„Sieh nur mein Junge, all dies gehört mir.“ Foto: Stefan Kock

Eines Tages erscheint der Sträfling Magwitch überraschend in Pips Londoner Residenz. Er hält sich illegal in der Stadt auf und fürchtet, von der Polizei festgenommen zu werden. Pip erfährt zu seinem
Erstaunen, dass nicht, wie angenommen, Miss Havisham seine Wohltäterin ist, sondern er Magwitch seinen Reichtum verdankt. Dieser hatte in Australien viel Geld verdient und fühlte sich Pip für dessen seinerzeitige Hilfe zu Dank verpflichtet. Ferner stellt sich heraus, dass ein Verbrecher namens Compeyson, der ehemalige Komplize von Magwitch, jener Mann ist, der die verwirrte Herrin von Satis House einst sitzen ließ. Da Compeyson Magwitch bedroht, beschließen Pit und sein Freund Herbert, Magwitch auf dem schnellsten Wege zur Flucht aus England zu verhelfen, bevor die Polizei ihm auf die Spur kommen kann. Doch der Versuch misslingt und Magwitch wird verhaftet. Von Stund‘ an versiegt Pips Geldquelle. Er steht plötzlich mit leeren Händen da. Regelmäßig besucht er den bei seinem Fluchtversuch schwer verletzten Magwitch im Gefängnis. Von seinem ehemaligen Tutor erfährt Pip, dass Magwitch Estellas Vater ist. Diese ging aus einer kurzen Beziehung zwischen Magwitch und Mr. Jaggers‘ Haushälterin hervor. Der Dienstherr sorgte dafür, dass Miss Havinsham Estella adoptierte. Kurz vor seinem Tod erfährt Magwitch noch durch Pip von der Existenz seiner Tochter Estella.

Schicksalsschläge
„Estella, Du bringst mich zum Weinen.“ Foto: Stefan Kock

Aber nicht nur finanzielle Sorgen plagen Pip. Zu seinem Entsetzen erfährt er, dass Estella in der Zwischenzeit den brutalen Bentley Drummle heiratete. Diesen rücksichtslosen Kerl hatte Pip während der gemeinsamen Tutorials bei Mr. Pocket kennengelernt. Pip kann es nicht verwinden, dass Estella Drummle erhörte und ihn verschmähte. Miss Havisham geht sein Kummer sehr nahe. Sie gesteht, dass es ihr sehr leidtue, Estella zu dieser Ehe geraten zu haben. Sie kommt bei ihrer Beichte dem Kamin im Salon so nahe, dass ihr Brautkleid Feuer fängt. Die schweren Verbrennungen raffen sie wenig später dahin. Steckt hinter ihrem schrecklichen Ende vielleicht eine heimliche Botschaft Dickens‘, die besagt, dass Hochmut stets vor dem Fall kommt?

Freunde in der Not

Die dramatischen Ereignisse sind nicht spurlos an Pip vorüber gegangen. Als er ernsthaft erkrankt, eilt der treue Joe nach London und pflegt ihn gesund. Während seiner Rekonvaleszenz erkennt Pip, dass er Joe mit seinem Snobismus tief gekränkt hat. Der Schmied, ist zwar ein einfacher Mann, hat aber das Herz am rechten Fleck und ist stets zur Stelle, wenn er gebraucht wird. Auch die einst so hochmütige Estella musste unter Schmerzen ihre Lektion lernen und feststellen, dass Reichtum und gesellschaftlicher Status nur Fassade und vergänglich sind. Die wahren Werte, die das Leben ausmachen, sind Liebe und Güte gegenüber den Mitmenschen.

„Es hat keinen Zweck, Pip, Dich unter dem Tisch zu verstecken.“ Foto: Stefan Kock

Die Ehe mit ihrem brutalen Mann hat die junge Frau gezeichnet. Als Pip sie in Satis House besucht, das sie von der verblichenen Miss Havisham geerbt hat, findet er sie sanfter und freundlicher vor als seinerzeit. Sie bedauert, Pip früher so herablassend behandelt zu haben und bittet ihn um Vergebung. Beide scheiden als Freunde.
Soweit die Wiedergabe des von zahlreichen Brüchen gezeichneten Lebensweges, den Pit zurücklegen muss, bevor das verschüchterte Kind zum reifen Mann wird. Elegant hat Regisseur Paul Glaser sämtliche Handlungsstränge miteinander verwoben und aus der Romanvorlage ein spannendes Melodram gezaubert, welches Charles Dickens sicherlich gefallen hätte.

Es ist offenkundig, dass sich hinter der Figur des Pip das alter ego des berühmten britischen Autors verbirgt. Denn auch er stammte aus ärmlichen Verhältnissen. Als Heranwachsender wurde er genau wie Pip von boshaften Menschen herumgestoßen und gedemütigt. Wir können davon ausgehen, dass es für die zänkische Mrs. Joe, den pompösen Mr. Pumblechook, die hochmütige Estella und das übrige Romanpersonal entsprechende Vorbilder in seinem Leben gab.
Als Jugendlicher machte Dickens leidvolle Erfahrungen mit Gefängnissen. Sein hoch verschuldeter Vater saß mehrmals ein und wurde im Knast regelmäßig von seiner Familie besucht. Dass Dickens sich aus eigener Kraft im sittenstrengen viktorianischen England aus der Misere herausarbeitete, war allein sein Verdienst. Anders als Pip beglückte ihn kein Wohltäter mit einer heimlichen Erbschaft. Dickens war ein notorischer Moralist, eingezwängt in ein dem damaligen Zeitgeist geschuldetes starres Korsett aus Prüderie und Bigotterie. Daher verwundert es nicht, dass er seinen Helden nach einer langen, aus seiner Sicht unverdienten Glücksphase tief abstürzen lässt. Hochmut und Verachtung gegen den herzensguten Ziehvater Joe sowie seine Verwandlung in einen gefühllosen Snob auf Kosten eines kriminellen Wohltäters sind charakterliche Defizite, die bestraft werden müssen. Doch Ende gut, alles gut: Am Schluss erleben wir einen geläuterten Pip, der, nachdem ihn der alles verzeihende Joe wieder aufgepäppelt hat, sein Schicksal in die eigenen Hände nimmt.

„Keine Sorge, Du bist sicher auf diesem Boot.“ Foto: Stefan Kock

In „Great Expectations“ agieren sieben Schauspieler auf der Bühne, von denen jeder bis auf Pip (Theo Watt) gleich mehrere Rollen übernimmt. Da mutiert Miss Havishaw (MichelleTodd), die gerade noch ziellos im Brautkleid herumirrte, zum gestrengen Londoner Anwaltsgehilfen Mr. Wemmick mit Brille und Schnurrbart. Aus der zänkischen dürren Mrs. Joe (Dominic Charman) wird der Dandy Herbert Pocket mit dem leicht näselnden Akzent der britischen Upper Classes. Und Joe, der liebenswürdige Schmied und Ziehvater von Pip, (Jonny Magnanti) schlüpft nahtlos in die Rolle des bedrohlichen Sträflings Magwitch. Die übrigen Rollen sind ebenfalls glänzend besetzt. Doch damit nicht genug. Die Mimen dienen zudem als Kulissen- und Möbelschieber, wenn die Bühne für die nächste Szene umgebaut werden muss. Nennt man das nicht auf Neudeutsch Multitasking? Großes Lob auch dem Erzähler (Gordon Griffin), der während der Umbauten dem Publikum den Fortgang der Handlung aus dem Off nahebringt. Ein glänzender Einfall der Regie.

Während der erste Teil des Stücks nach der gruseligen Szene auf dem Friedhof eher ruhig und gemächlich dahinplätschert, spielen sich nach der Pause hochdramatische Szenen ab. Es blitzt und donnert über der Themse, auf der sich ein Fluchtboot vorsichtig durch die Nacht bewegt. Das Drama erreicht seinen Höhepunkt, als Miss Havisham samt Brautkleid in Flammen aufgeht, als sie ihrem Kamin zu nahekommt. Zuschauer mit schwachen Nerven seien gewarnt!
Bleibt nur noch zu sagen: Ein wunderbarer inspirierender Theaterabend. Chapeau!

„Great Expectations“ läuft bis einschließlich 29. Oktober 2022.
Tickets unter: 040-227 70 89 oder online unter: www.englishtheatre.de

Nächste Premiere: „Romance in D“
Komödie von James Sherman, am 10. November 2022

Ein Friesenkrimi vom Allerfeinsten

Bild von Peter Kraayvanger, Pixabay

Welkoam iip Lunn! Willkommen auf dem roten Felsbrocken, der wie eine von Riesenhand erschaffene Trutzburg aus der tosenden Nordsee herausragt. In seinem neuesten Buch mit dem etwas sperrigen vollständigen Titel „Das Helgoland, der Höllensturz oder Wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet, obgleich die Dreizehenmöwen hier mit Rosinen gegessen werden“ führt uns Reimer Boy Eilers ohne Umschweife hinein in das Leben auf Helgoland am Anfang des 16. Jahrhunderts. Seitdem hat sich das Gesicht der Insel fundamental verändert. Anno dunnemals bestand sie lediglich aus zwei „Etagen“, dem Unter- und Oberland. Das Mittelland lag noch in ferner Zukunft. Es wurde erst nach 1945 von den Engländern „kreiert“ bei ihrem vergeblichen Versuch, „Hell-Go-Land“ auf immer und ewig im Meer zu versenken. Noch einmal Glück gehabt, Halunder! Deus vult. Und auch der monumentale leuchtend weiße Kalkfelsen, einst neben der Langen Anna ein weiteres Wahrzeichen der Insel, existiert nicht mehr. Er wurde vom seinerzeitigen Landesherrn gegen klingende Münze verscherbelt.

Bigotterie und Spökenkiekerei
Reimer Boy Eilers

Der auf den Helgoländer Hummerklippen aufgewachsene Lyriker, Romancier und renommierte Reiseschriftsteller Reimer Boy Eilers gilt als intimer Kenner der Geschichte seiner Heimat. In seinem 570 Seiten starken Opus entwirft er ein von Bigotterie und Spökenkiekerei geprägtes Sittengemälde einer im Korsett mittelalterlicher Moralvorstellungen verharrenden Inselgemeinde. Wäre den Insulanern auch ein Mord zuzutrauen für den Fall, dass sich ein Außenstehender nicht an ihre starren, seit Urzeiten tradierten Regeln hielte?

Hals- und Beinbruch

Kaum hatte Kapitän Hans Andahlsen aus Amsterdam den Fuß auf das Oberland gesetzt, stürzte er von einer Treppe in die Tiefe und brach sich neben seinem Hals auch die Beine. Unfall oder Mord? Für den jungen Fischer und Robbenjäger Pay Edel Edlefsen und seinen Jagdfreund John Quivitoq McLeod, Esquimaux von der „Frostinsel“, genannt das „Menschenkind“, steht fest, dass der wackere Seemann einem Verbrechen zum Opfer fiel. Denn wozu sonst die Eile der Insulaner, ihn bei Nacht und Nebel in den „wilden Dünen“ inmitten der Wasserleichen auf dem Friedhof der Namenlosen zu verscharren? Was viel schwerer wiegt: Der Mann ging in die Grube ohne – horribile dictu – die Sakramente der Heiligen Kirche empfangen zu haben. Eine Höchststrafe für jeden Christenmenschen jener Zeit. Nichts Geringeres als ewige Verdammnis erwartete die arme Seele. Misericordia!

Gegen den erklärten Willen seines Vaters Boje Edlef, seines Zeichens Fischerhauptmann und hoch angesehener Ratsherr, beginnen Pay Edel und John ihre Recherchen, um den Tod des Holländers aufzuklären. Sie können sich keinen Reim darauf machen, warum der Hauptmann sich so vehement gegen ihr Vorhaben sträubt. Hat er etwas zu verbergen? Aber die beiden Hobby-Detektive lassen sich nicht einschüchtern und bohren mutig weiter. Sich gegen die Obrigkeit oder ihre Vertreter aufzulehnen, geht in der Regel böse aus. Die erste Lektion erhält Pay Edel, als ihm ein besonders hinterhältiger Zeitgenosse einen kräftigen Schlag  auf den Schädel verpasst. Gottlob ist Freund John zur Stelle, der ihm mit einer Pütz Seewasser wieder auf die Füße hilft. Soweit die Rahmenhandlung.

Familienaufstellung

Die Rezensentin bekennt, dass sie anfänglich von den sich überschlagenden Ereignissen und jenen für Nichtfriesen seltsamen Namen überfordert war. Daher geht ihr Dank an den Autor, der sich der Mühe einer akribischen Aufzählung sämtlicher Namen der handelnden Personen einschließlich ihrer Berufe oder gesellschaftlichen Stellung auf Seite 555 unterzogen hat. Da wird die gesamte Sippe der Edlefsens vorgestellt, die aufgrund der Position des Familienoberhauptes und ihres relativen Wohlstands neben der Familie des Gouverneurs zum Insel-Adel gehört. Heute würden wir von „Promis“ sprechen. Des Weiteren erfahren wir, dass „Menschenkind“ John neben seinem Beruf als Robbenjäger der Bursche des Gouverneurs ist. Und ganz nebenbei auch der Geliebte von Pay Edels Schwester Petrine Anna, genannt Trine. Genau wie heute gab es seinerzeit schon Untergangspropheten von der Sorte eines Pedder Reymers, der, weilte er heute noch unter uns, sicherlich erstaunt wäre, dass die Welt sich immer noch dreht. Ganz wichtig: Der Barbier und Alchimist Bard Frederichs fungierte sicherlich in Personalunion als Bader und Barbier, der sich ebenfalls als „Kusenklempner“ bewährte und wohl auch den Versuch unternahm, Gold aus Dünensand zu extrahieren. Es spricht für die Halunder, dass sie sich der zahmen Möwe Graumariechen annahmen, die sie zärtlich „Ole Rappsnut“ nannten. Die Liste wäre unvollständig, wenn der Klerus in Gestalt des Kirchherrn Neocurrus von St. Nikolai keine Erwähnung fände. Ob die Heilige Ursula mit ihren elftausend Jungfrauen überhaupt existiert hat, steht in den Sternen. Es gibt aber ein Gemälde von ihr, auf welchem sie milde auf die Gläubigen herabschaut. Dies war lediglich ein kurzer Einblick in die „Personalakte“. Der geneigte Leser möge sich bei der Lektüre zwecks besseren Verständnisses der Vorkommnisse eingehender mit ihr befassen. Mal so unter uns: Mancher Insulaner, der auf ersten Blick ganz harmlos wirkt, hat eindeutig Dreck am Stecken. Der aufmerksame Leser findet das bei der Lektüre schnell heraus.

Und so geht die Moritat weiter

Wir begleiten Pay Edel und John Kapitel für Kapitel weiter auf ihrer
Suche nach dem Mörder oder den Mördern des holländischen Kapitäns Hans Andahlsen. Bis zum Showdown zieht sich die Geschichte noch eine Weile hin. Beide müssen noch eine Strecke eines nicht ungefährlichen Weges zurücklegen. Allgegenwärtig sind Rasmus und Klabautermann, zwei von Seeleuten im höchsten Maße respektierte Meeresgeister, die, wie jeder von ihnen weiß, launisch und manchmal sogar bösartig sein können. Aber auch freundlich und verständnisvoll. Je nach Wetterlage. Wer Wind und Gezeiten erbarmungslos ausgeliefert ist, muss stets auf der Hut sein. Aber auch auf festem Boden lauert Unheil von Landsknechten, die nichts Gutes im Schilde führen, sowie anderen Spitzbuben und Räubern, die überall ihr Unwesen treiben. Und dies, obgleich Klaus Störtebeker, der Berühmteste der Zunft, bereits tot ist. Im Jahre des Heils 1401 verlor er seinen Kopf auf dem Hamburger Grasbrook, nachdem hanseatische Pfeffersäcke ihn und seine Likedeeler zur Strecke gebracht hatten.

Ende gut – alles gut?

Bevor das Verbrechen an Kapitän Andahlsen endgültig aufgeklärt ist, wartet die Nordsee, die Mordsee noch mit einer Reihe infernalischer Stürme und anderer Unbill auf. Doch die Mühen der beiden Spürnasen Pay Edel und John haben sich gelohnt. Die am Ende festgenommenen Missetäter werden in Ketten abgeführt. Die Moral von der Geschicht‘: Verbrechen lohnt sich nicht.

Und so widerfährt dem gemeuchelten Kapitän am Ende doch noch Gerechtigkeit. Er erhält unverzüglich ein christliches Begräbnis. Requiescat in pace. Friede seiner Asche. Aniken Frederichs, genannt „die reine Seide“, die ihr süßes Geheimnis so lange hütete, bekommt ihr Erbstück in Form des Hutes von Kapitän Hans Andahlsen. Er wird der ledigen Mutter mit den gar nicht freundlichen Worten überreicht: „Es gehört nun ihrem Bastard.“ Hatten aufgeweckte Leser in dem forschen Seemann nicht schon früh einen Schwerenöter vermutet?

Eine letzte drängende Frage: Was wurde aus unseren beiden Helden, die trotz aller Hindernisse den brisanten Fall um den holländischen Kapitän lösten? Das, liebe Leser, müssen Sie nun selbst herausfinden, indem Sie diesen tollen Wälzer bis zum Schluss konsumieren. Viel Spaß bei der Lektüre!

Epilog

Dieser Krimi gehört nicht in die Schublade der herkömmlichen „Whodunnits.“ Das trotz aller Dramatik mit einer gehörigen Portion Humor gewürzte Buch zeichnet sich vor allem durch einen heute nur noch selten zu findenden wohlklingenden sprachlichen Duktus aus. Besonders gelungen sind die Naturbeschreibungen. Eine Kostprobe: „Von Westen rollen die immergrünen Wogen gegen die Insel. Sie peitschen die Klippen und zermürben den Felsen, der ihnen alljährlich seinen Tribut zollt. Ein Stück bricht ab und stürzt in die Flut. Dort vollendet die mahlende See ihr Werk.“

Des Weiteren verhelfen die zahlreichen eleganten Grafiken und Sinnsprüche, die jedes Kapitel einleiten, zu einem besseren Verständnis dieses sehr komplexen Werkes. Die meisten der Verse sind in friesischer Sprache verfasst. Keine Angst – die hochdeutsche Übersetzung steht gleich darunter. Die Rezensentin hat bei der Lektüre versucht, die Texte im Original zu verstehen, bevor sie in vielen Fällen auf die Übersetzung zurückgreifen musste. Dies war eine Hommage an ihre geliebte friesische Großmutter Dede Wolff, die sich mit ihren Geschwistern stets in ihrem heimatlichen Idiom unterhielt.

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Das Helgoland, der Höllensturz

Reimer Boy Eilers: Das Helgoland, der Höllensturz oder Wie ein Esquimeaux das Glück auf der Roten Klippe findet, obwohl die Dreizehenmöwen hier mit Rosinen gegessen werden, Kulturmaschinen Verlag, 2019

Carpe diem! Stressfreie Tage auf „der Insel“

Der rote Felsen. Foto: Reimer Boy Eilers

Für meine friesische Großmutter Dede Wolff war Helgoland „das schönste Fleckchen Erde auf der Welt.“ Sie setzte regelmäßig aus ihrem heimatlichen Husum über und verbrachte ihre Sommerfrische, wie man seinerzeit noch sagte, auf „der Insel.“ Denn nirgendwo sonst sei die Luft so rein, das Wasser so klar und der Blick so weit, schwärmte sie und empfahl jedem in der Familie mindestens ein paar Tage im Jahr auf dem Roten Felsen. Rüm hart, klaar kiming“ lautet der berühmteste inselfriesische Wahlspruch: Reines Herz, weiter Horizont.

Eine Seefahrt, die ist lustig
Blick auf Helgoland vom Schiff aus. Foto: Reimer Boy Eilers

Oma hatte wie immer recht. Denn wir genossen wunderbare erholsame Urlaubstage auf Helgoland, sobald die Einheimischen wieder Gäste bei sich aufnehmen konnten. Die Unterkünfte waren seinerzeit noch sehr bescheiden. Doch das störte uns nicht. Das Abenteuer Helgoland begann bereits auf einem der Bäderschiffe, die wir an den Hamburger Landungsbrücken bestiegen. Nachdem ein lautes Tuten die Abfahrt verkündete, ging es los. Zunächst an den grünen Hängen der Elbe entlang und wenig später hinaus auf das offene Meer. Da herrschte Stimmung unter den Passagieren, mit denen wir aus voller Kehle „Eine Seefahrt, die ist lustig,“ sangen. Kam Wind auf, war es für manche an Bord vorbei mit lustig. Die gingen dann „Fische füttern“ und kehrten mit grünlichen Gesichtern zurück. Uns machte das bisschen Geschaukel nichts aus. Denn wir Hanseaten sind doch von Geburt an seefest, und das selbst bei Windstärke 10. Oder etwa nicht? Ein Erlebnis war das Ausbooten bei der Ankunft. Die Börteboote warteten bereits auf uns. Während wir behände hineinglitten, bedurften die „älteren Semester“ der Hilfe muskulöser Arme. „Nu mal ganz sutje. Eile mit Weile,“ beruhigten die Männer mit den Schiffermützen all jene, die sich nicht trauten und Angst hatten, über Bord zu gehen.

Die Seele baumeln lassen rund um die Lange Anna
Junger Basstölpel vor der „Langen Anna“, dem Wahrzeichen Helgolands. Das überwiegend weiße Gefieder ausgewachsener Vögel zeigen die Tiere erst ab einem Alter von ca. fünf Jahren. Foto: Reimer Boy Eilers.

Nachdem die Rucksäcke ausgepackt waren, stiegen wir die vielen Treppen zum Oberland hinauf. „Mal nachsehen, ob die Lange Anna noch steht“, pflegte mein Bruder zu sagen. Nachdem dies geklärt war und wir dem fast 50 Meter hohen Steinkoloss an der Nordmole unsere Reverenz erwiesen hatten, ging es unverzüglich auf die Düne. Auf diesem kilometerlangen schneeweißen Sandstrand aalten wir uns in der Sonne und schwammen mit unseren Freunden um die Wette. Zuweilen auch mit den Seehunden. Einmal wurde mein Bruder von einem besonders großen Kaliber gebissen. Tja, die ansonsten sanften Riesen mögen es gar nicht, wenn man sie zwickt. Also immer Abstand halten. Dann kommt man gut mit ihnen aus. Abends kehrten wir todmüde in unsere Unterkunft zurück, in der die Wirtin uns köstlichen fangfrischen Fisch servierte. Unbeschwerte Ferientage, an die ich noch immer voller Nostalgie zurückdenke.

Wat mutt, dat mutt – Halunder krempeln die Ärmel hoch

Die Engländer hatten sich nach 1945 vergeblich bemüht, „hell-go-land“ in der Nordsee zu versenken. Die Insel – eine Friesin von echtem Schrot und Korn – überstand die Bombardements, und die Halunder begannen zügig mit dem Wiederaufbau ihrer Heimat, nachdem sie diese 1952 wieder in Besitz nehmen konnten. Zwar entstanden in der Folgezeit keine Prachtbauten und eleganten Villen, die einst den Charme der Insel ausmachten. Eine alte Insulanerin erinnerte sich vor Jahren noch voller Wehmut an das einzigartig schöne Kurhaus, das heute nur noch auf vergilbten Postkarten zu bewundern ist. „Wat vorbi is, is vorbi“, seufzte sie. Tempi passati.
Die Insulaner sind pragmatische Menschen, die immer schon im Jetzt und Heute lebten. Genau das bewiesen sie, als sie in den frühen Fünfzigern in die Hände spuckten und ihre Insel neu erstehen ließen, auf der nach den Zerstörungen kein Stein auf dem anderen mehr stand. Inzwischen haben sich alle an die neue Bauweise gewöhnt, die in ihrer schlichten Zweckmäßigkeit an die Architektur des Bauhauses erinnert. Die seit geraumer Zeit unter Denkmalschutz stehenden Gebäude, über die hochmütige Städter einst die Nase rümpften, erhielten einen Anstrich in leuchtenden Farben. Mit ihren blumengeschmückten Balkons und Fenstersimsen wirken sie adrett und einladend. In den ostereierbunten Hummerbuden, die wie Perlen auf einer Schnur die Uferpromenade zieren, sind heute Galerien, kleine Läden und Imbisse untergebracht, die Fischbrötchen und andere Leckereien anbieten.

Anpassung an die sich verändernden Verhältnisse lautet das Zauberwort
Zwei Robben am Strand von Helgoland. Foto: Reimer Boy Eilers

Sagen wir es gerade heraus. Was wäre Helgoland ohne den visionären Hotelier und „Entwickler“ Detlev Rickmers? Der agile Mann im besten Alter entstammt einer alteingesessenen Helgoländer Familie, deren Wurzeln bis ins frühe 16. Jahrhundert zurückverfolgt werden können. Diese Tradition verpflichtet. „Rickmers Insulaner“, das erste Haus und „Vollhotel“ am Platze, erfreut sich seit seiner Entstehung größter Beliebtheit bei den Touristen. Die Zimmer sind freundlich und komfortabel ausgestattet, der Service erstklassig. Beeindruckend ist die Kunstgalerie im Erdgeschoss mit ihrer Vielzahl an Helgoland-Gemälden bekannter Künstler, die der Hausherr gern seinen Gästen zeigt. Detlev Rickmers betreibt in seiner Funktion als Gesellschafter der Rickmers Hotelbetriebs KG auf der Insel 23 Vermietungsobjekte, die insgesamt 260 Zimmer umfassen. Für das Jahr 2022 rechnet er trotz der Corona-Maßnahmen, die auch Helgoland empfindlich trafen, mit einem Umsatz von zehn Millionen Euro. Chapeau! Angesichts der Klagen vieler Hoteliers ist dies eine Erfolgsgeschichte, die ihresgleichen sucht.

Rickmers weist stets auf die Geschichte der Insel mit ihren vielen Brüchen unter verschiedenen „Besatzern“ hin. Eine Zeitlang hatten die Dänen das Sagen, dann die Briten und schließlich das Deutsche Reich unter Wilhelm Zwo, der die Insel 1890 gegen die britische Oberhoheit über das ostafrikanische Sansibar und Witu tauschte. In erster Linie ging es um die Handelsrechte in Ostafrika. Ein ganz schlechtes Geschäft in den Augen des seinerzeitigen Reichskanzlers Fürst Otto von Bismarck, der mit bissiger Ironie kommentierte, Seine Majestät habe eine Hose gegen einen Knopf getauscht.

Die bunten Hummerbuden, ehemalige Schuppen und Werkstätten der Fischer von Helgoland, befinden sich an der Hafenstraße am Binnenhafen des Unterlandes. Foto: Reimer Boy Eilers

Die Halunder mussten sich stets neu erfinden und sich an die wie auch immer schwierigen Zeitläufte anpassen. Wer die zauberhafte „Historie von der schönen Insel Helgoland“ des berühmten Kinderbuchautors James Krüss gelesen hat, der ganz nebenbei Detlev Rickmers‘ Onkel war, weiß, wovon die Rede ist. Denn die Insel durchlief im Laufe ihrer langen bis in die Steinzeit zurückreichenden Geschichte Phasen des Wohlstandes und bitterer Armut. Waren die Netze mit Heringen gut gefüllt, ging es den Insulanern gut. Zogen die Schwärme sich aus unerfindlichen Gründen zurück, mussten die Gürtel enger geschnallt werden. So spielt das Leben.

Zurück ins Jetzt und Heute

Während andere Hoteliers in der Zeit der Pandemie jammerten, investierte Detlev Rickmers in den letzten zwei Jahren 12 Millionen Euro in sein Unternehmen. Ein mutiger Schritt, der sich auszahlt. Mit den „Storytels“ Häusern ist ihm ein großer Wurf gelungen. Sie alle erzählen, wie der Name sagt, eine eigene Geschichte. Die Sujets umfassen u.a. Architektur, Segelsport und Themen der Zeitgeschichte. Besonders originell ist das im Stil der fünfziger Jahre eingerichtete „Storytels“ mit den typischen Nierentischchen, plüschigen Cocktailsesseln sowie kitschig gerahmten Spiegeln, bei deren Anblick man „sehkrank“ werden kann. Das der Literatur geweihte Haus hoch oben auf den Hummerklippen ist eine Hommage an James Krüss. Erwähnenswert sind noch die in verschiedenen Häusern untergebrachten „Hochsee-Apartments“, 1-Zimmer-Objekte sowie Ferienwohnungen, die auf den drei „Etagen“ der Insel – Unter-, Mittel- und Oberland – liegen.

Das Beste aus dem Lockdown gemacht
De Helgoländer Düne. Foto: Reimer Boy Eilers

Während des bundesweiten Lockdowns brachten viele Insulaner all das in Ordnung, wozu während der Saison einfach die Zeit fehlte. Hierzu gehört auch das Insel-Museum in der Nordseehalle. Das einst triste Kabinett mit einer Ansammlung verstaubter Objekte wurde in einen übersichtlich strukturierten „Showroom“ mit einer Vielzahl interessanter Exponate umgestaltet. Auf der in mystisches Halbdunkel getauchten Fläche wird die Historie Helgolands anschaulich dargestellt. Die gedämpfte Ausleuchtung spiegelt den Inselcharakter perfekt wider. Denn lag nicht von jeher etwas Mystisches über diesem Buntsteinfelsen, den die Römer während ihrer Eroberungszüge aus respektvoller Entfernung betrachteten? Der Geschichtsschreiber Plinius erwähnt in seinen Schriften einen weithin leuchtenden „Heiligen Hain“ mitten im Meer. Klaus Störtebeker sah die Insel wesentlich pragmatischer als Versteck für die Beute, die er und seine Likedeeler vorbeifahrenden Schiffen „abgenommen“ hatten.
Das Museum rückt einige prominente Persönlichkeiten mit Schautafeln in den Fokus, die Helgoland im 19. Jahrhundert besuchten. Der Weltreisende und Entdecker Alexander von Humboldt gehört ebenso in diese Reihe wie August Heinrich Hoffmann von Fallersleben und Heinrich Heine, der „göttliche Spötter“, der den Friesen Fischblut in den Adern attestierte und ihren Tee als eine Brühe aus Seewasser bezeichnete. Hoffmann von Fallersleben hingegen fand Gefallen an den Halundern, zu denen er eine „Inselfahrt aus Liebeskummer“ unternahm, die ihn zu seinem „Lied der Deutschen“ inspirierte. Es wurde im Verlag Hoffmann & Campe publiziert, der auch die Werke Heines herausgab.

Fazit: All dies und mehr bietet der Rote Felsen, der heute so bequem mit dem Katamaran „Halunderjet“ zu erreichen ist. Da sitzt der Passagier in seinem Sessel, liest oder geht an Deck, lässt sich die würzige Nordseeluft um die Nase wehen und steigt entspannt an der Mole aus, wo er freundlich mit einem „Welkoam iip Lunn“ empfangen wird. Stress wie wir ihn gerade auf den Flughäfen und in überfüllten Zügen erleben, ist ein Fremdwort auf der Insel, die ihr größter Sohn James Krüss mit folgenden Worten besang: „Irgendwo ins grüne Meer hat ein Gott mit leichtem Pinsel, lächelnd wie von ungefähr, einen Fleck getupft – die Insel.“ Das ist Lyrik, die nachklingt wie Musik. Womit das Diktum von Tacitus „Frisia non cantat“ ein für alle Mal widerlegt ist!

 

Das Helgoland, der Höllensturz – Reimer Boy Eilers

PS: Als Urlaubslektüre ist neben der „Historie von der schönen Insel Helgoland“ von James Krüss das fast 600 Seiten starke Opus des gebürtigen Halunders und Fahrensmannes Reimer Boy Eilers „Das Helgoland – der Höllensturz“ zu empfehlen. In dem Buch, das im frühen 16. Jahrhundert spielt, geht es um einen holländischen Kapitän, der bei einem Absturz von einer Klippe im Oberland zu Tode kommt. Unfall oder Mord. Das ist hier die Frage. Eine spannende Lektüre, die in anschaulicher Weise das Leben auf dem Felsen vor fast 500 Jahren schildert. Es ist im Verlag „Kulturmaschinen“ erschienen und kostet 19 Euro.

ISBN-10 ‏ : ‎ 3967630579
ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3967630572

„Don’t misunderstand me“ by Patrick Cargill – The New Play at the English Theatre of Hamburg

 

„Come and join us for a nice hot cup a tea.“ Photo: Stefan Kock

This hilarious play is a present for all spectators who appreciate the inborn British sense of humour. As you know, Britain boasts a great tradition in comedies. Just think of William Shakespeare, the world’s greatest dramatist ever who not only wrote many tragedies, but also a number of most entertaining comedies. Just think of “Twelfth Night”, “The Merry Wives of Windsor” and last but not least “The Comedy of Errors,” to name just a few plays of Shakespeare’s enormous work. What about Patrick Cargill, the author of “Don’t misunderstand me”? Is it possible to compare his various comedies with those of a genius like the “Swan of Stratford?” Does that not sound more than a bit presumptuous? You may argue that William Shakespeare who died over 400 years ago, wrote about the problems of his contemporaries and that Cargill’ work – the author has only been dead for 26 years – has nothing to do with the plays of his famous colleague. You are wrong, since the comedies of both playwrights deal with the same subject – love. “Don’t misunderstand me” will teach you a lot about the errors and tribulations resulting from marital love, frustration and secret affairs.

A fatal business trip to Big Apple
„Surprise, suprise, I have just arrived from New York.“ Photo: Stefan Kock

Best-ager Charles Fleminge being a typical member of the British middle class, enjoys a brief affair with a pretty young American girl named Janey during a business trip to New York. Clever as he is Charles leaves neither name, address or telephone number with his naïve darling. Instead he disappears from Big Apple without leaving any tracks. That’s at least what he thinks. Although his behaviour does not at all correspond with his image as a perfect gentleman, Charles takes pride in his taking French leave. However, he has underestimated pretty blonde long-legged Janey who turns up out of the blue on his doorstep in England. Surprise, surprise! Charles is shocked at first sight, but keeps his stiff British upper lip. Nothing easier for him than to make his spouse Margery believe that the young beauty Janey is his brother Robert’s new wife. Good-natured Robert consents to help Charles by hiding Janey’s true identity from Margery. The deception works until the real Jane arrives. As to be expected, the tissue of lies results in a number of hilarious complications and misunderstandings. Charles cannot longer conceal his affair with Janey from his wife. There is no escape. Finally, he has to confess to Margery. As she herself is keeping a romantic secret, a happy ending is guaranteed.

”Master of the light touch”
„Darling, I really missed you.“ Photo: Stefan Kock

Patrick Cargill, the author of the comedy, was born in East Sussex in 1918 and died in 1988 at the age of 77, was a man of various talents. He was an actor and playwright in one who also acted on stage as a singer. In the sixties he began to perform on the TV screen and became soon very popular in the United Kingdom. He also appeared in films. Do you remember “The Countess of Hongkong” in which he co-acted with Marlon Brando and Sophia Loren? His work for the theatre includes , among others, “Ring for Catty”, and “Don’t misunderstand me.” His fans named him “A master of the light touch.”

Five gifted “Thespians”
„Hello, dear, I’ll call you later.“ Photo: Stefan Kock

For three of the actors “Don’t misunderstand me” is sort of a home match. The regular audience of the ETH already knows James Walmsbey, Jan Hirst and Stephen Chance, three wonderful. “Thespians” in whatever play they appear. Holly Smith is also well-known to us. She already appeared in a number of plays on the Mundsburg stage. However, she plays the part of angry tearful Jane for the first time. Welcome to Ola Forman to the English Theatre. And many thanks for your brilliant performance as pretty naïve Jaynie. We are looking forward to seeing you all again soon in Hamburg.

Final performance of “Don’t misunderstand me” on June 18, 2022.
Tickets under phone number: 040-227 70 89
or online under: www.englishtheatre.de

After the theatre holidays the English Theatre will start the new season with an adaption of Charles Dickens’ famous book “Great Expectations.”
We look forward to welcoming you to the premiere on September 1, 2020.

„Don’t misunderstand me“ von Patrick Cargill – die neue Premiere am English Theatre of Hamburg

„Wie wäre es mit einer schönen Tasse Tee!“ Foto: Stefan Kock

Wiedersehen macht Freude. Wer erinnert sich nicht an diese Komödie aus der Feder des vielseitigen Stückeschreibers, Schauspielers und Sängers Patrick Cargill (1918 bis 1996), das bereits vor Jahren das Publikum des English Theatre begeisterte. Zur Eröffnung der Frühjahrssaison 2022 erscheint „Don’t misunderstand me“ im neuen Gewand auf der Bühne an der Mundsburg. Ein echtes Schmankerl für Freunde des unverwüstlichen britischen Humors.
Obgleich das Stück bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts geschrieben und zeitgleich in namhaften Theatern im angelsächsischen Raum aufgeführt wurde, hat es an Aktualität nichts eingebüßt. „Don’t misunderstand me“ ist eine Art Sitcom, jedoch keineswegs vergleichbar mit jener tristen Massenware mit eingespielten Lachern, die uns fast täglich im Fernsehen geboten wird. Patrick Cargills Komödie um einen britischen Gentleman in den besten Jahren, der während eines geschäftlichen Aufenthaltes in New York den Reizen einer blutjungen Sirene erliegt, glänzt durch Witz und Esprit.

Ein britischer Gentleman auf Abwegen
„Überraschung, Überraschung, ich komme gerade aus New York.“ Foto: Stefan Kock

Im elegant möblierten Wohnzimmer von Charles und Margery Fleminge in der Grafschaft Surrey herrscht allem Anschein nach Frieden und Eintracht. Oder? Sprechen wir lieber von gepflegter Langeweile, wie sie sich häufig bei Ehepaaren einstellt, die schon lange miteinander verheiratet sind und sich außer Banalitäten nichts mehr zu sagen haben. Die Gespräche plätschern dahin. Man spricht über die gemeinsamen Kinder, die sich gerade im Schüleraustausch in Frankreich befinden, und lästert süffisant über Abigail, die „Geschiedene“ von Charles‘ Bruder Robert. Der wird heute Nachmittag im Hause Fleminge erwartet. Gespannt sind beide auf Jane, Roberts frisch angetraute zweite Frau. Doch Robert erscheint allein und berichtet, Jane sei verhindert und stoße später dazu. Und damit beginnt sich das Rad der Verwechslungen in dieser Komödie der Missverständnisse in atemberaubendem Tempo zu drehen. Charles vertraut seinem Bruder an, er habe in New York eine zauberhafte junge Dame kennengelernt. Natürlich eine rein platonische Beziehung. Robert glaubt das nicht. Das Publikum ebenso wenig. Verhaltenes Gelächter. Aber er sei schlau genug gewesen, der hübschen Jaynie mit den tollen Beinen weder Adresse noch Telefonnummer zu hinterlassen, berichtet Charles stolz. Doch seine verführerische Eroberung steht unverhofft blond, süß und naiv im Türrahmen und plappert in ihrem American drawl munter drauf los.

„Schatz, ich habe Dich so vermisst.“ Foto: Stefan Kock

Was tun, damit Ehefrau Margery ihrem Charles nicht auf die Schliche kommt? Der gutmütige Robert lässt sich überreden, Jaynie als seine neue Ehefrau Jane auszugeben. Ein Freundschaftsdienst, den er alsbald bitter bereuen wird. Denn es kommt, wie es kommen muss. Aus heiterem Himmel schneit die echte Jane ins Haus. Dass beide Damen denselben Namen tragen, macht die Sache nicht eben leichter. Aus dieser total verfahrenen Gemengelage ergeben sich urkomische Situationen, die Sie, lieber Leser, liebe Leserin, unvoreingenommen auf ihrem Sitz im Theater genießen sollen. Daher nur soviel: Während vier Akteure wie aufgescheuchte Hühner agieren, steht Margery, die sturm- und wettererprobte Ehefrau, wie ein Fels in der Brandung. Auch sie hütet ein süßes Geheimnis. Eine romantische Beziehung, die sie allerdings diskret unter dem Deckel zu halten weiß. Fazit: Frauen können viel souveräner mit derlei Situationen umgehen als Männer. Sind sie deshalb verlogener als die Herren der Schöpfung? Mitnichten. Lediglich raffinierter.

Ende gut – alles gut

Selbstredend löst sich der gordische Knoten zum Schluss ganz von selbst auf. Die auf wundersame Weise geläuterten Paare versöhnen sich, und die Welt ist wieder in Ordnung. Wie es sich eben für eine Komödie der Irrungen und Wirrungen gehört.

Wunderbare Mimen
„Hallo, mein Lieber, ich melde mich später noch einmal.“ Foto: Stefan Kock

Dem Ensemble des English Theatre gelang es, mit dem spritzigen Stück ein Feuerwerk bester Laune zu zünden. Die Spielfreude der fünf Schauspieler übertrug sich auf das Publikum, das ob der zahlreichen Gags und Slapsticks aus dem Lachen nicht mehr heraus kam. Der Begriff „Ensemble“ trifft zu, weil vier der Darsteller schon zur Familie gehören. Sie kommen immer wieder gern nach Hamburg und haben sich inzwischen eine Fangemeinde erspielt. Das gilt nicht nur für den eleganten James Walmsley als Charles Fleminge, dem die Figur des Gentleman auf den Leib geschrieben ist. Die souveräne Jan Hirst (Margery), die uns als gestrenge Nonne in „Doubt“ noch in bester Erinnerung ist, hat ebenfalls die Herzen der Besucher des ETH erobert. Und auch Stephen Chance, dieser wandlungsfähige Mime, der nahtlos vom dramatischen ins komische Fach überzuwechseln versteht, ist uns seit langem bekannt. Man denke nur an seine Rolle des unter Verdacht geratenen Priesters in „Doubt.“ Auch Holly Smith kennen wir aus verschiedenen Rollen. Die ebenso wütende wie tränenreiche Jane spielt sie allerdings zum ersten Mal. Und dies grandios. Die „Novizin“ in der Runde ist Ola Forman, die den Part der schrill-naiven Jaynie übernommen hat. Ihr gebührt das Prädikat „Bildhübsch und umwerfend komisch.“

„Don’t misunderstand me“ läuft bis einschließlich 18. Juni 2022.
Tickets unter: 040 – 227 70 89
oder online unter: www.englishtheatre.de

Das English Theatre geht anschließend in die verdienten Theaterferien.
Zu Beginn der neuen Saison wartet ein ganz besonderer Leckerbissen:
Die Theateradaption von Charles Dickens‘ „Great Expectations.“
Premiere am 1. September 2022.

Von Menschen und Masken

Birgit Meyer, Dr. László Kova, Winfried Wöhlke, Alex Heinrich (hi. R. v. li. n. r.); Birgit Romann-Pontow, Witka Kova, Uta Buhr, Maren Schönfeld, Günther Falbe (v. R. v. li. n. r.) Foto: Tamara Jarchow

Maskerade! Welch Zauberwort in jungen Jahren. Von meiner Mutter existiert ein Foto, auf dem sie als Torero posiert. Da sie als Zwanzigjährige wunderbar geschnittenes dunkles Haar und eine sehr biegsame Figur besaß, wirkte sie in ihrem Glitzeranzug wie ein echter spanischer Stierkämpfer. Sie erzählte gern von diesem Maskenball, dessen spannendster Augenblick die Demaskierung um Punkt Mitternacht war. Ein ganz großer Spaß. „Ach du bist es, Paulchen,“ hieß es dann oder „Lotti, ich war mir nicht sicher, ob du es bist.“ Und alle freuten sich, andere an der Nase herumgeführt zu haben.

In meiner Jugend gab es so etwas nicht mehr. Da ging man auf ein Kostüm- oder Kappenfest. Letzteres fand ich ziemlich öde. Besonders Onkel Willi sah mit seinem schief aufgesetzten Zylinder einfach lächerlich aus. Toll waren hingegen die Kostümfeste, auf die wir Kinder fantasievoll verkleidet gingen. Am liebsten verkörperte ich Minnehaha, die wir Kinder für die Schwester des edlen Indianerhäuptlings Winnetou hielten. Meinen rötlich-blonden Schopf zierte eine bunte Feder, die ich einem von Tante Ellas Hähnen heimlich ausgerupft hatte. Die bunte Kriegsbemalung meines Gesichts wirkte wie eine Maske. Meine kindliche Leidenschaft für Verkleidungen und Maskeraden verlor sich eigentlich nie. Sie besteht bis heute. Daher meine Vorliebe für „Schnutenpullis“, wie man in Schleswig-Holstein sagt. Aber davon später.
„Don Giovanni“ von Mozart ist neben dem Strauß’schen „Rosenkavalier“ meine Lieblingsoper. Die Szene, in der der Wüstling und Verführer Giovanni von mehreren maskierten Personen umstellt wird, denen er übel mitgespielt hat, ist eine der eindrucksvollsten in diesem dramma giocoso. Giovanni reagiert mit Spott und Herablassung auf die Verschwörer und ahnt nicht, was ihm blühen wird, wenn diese die Masken fallen lassen. Auf den reichen Protz Ochs von Lerchenau aus dem „Rosenkavalier“ wartet zwar nicht der Sensenmann. Aber er macht sich so lächerlich, dass er einen gesellschaftlichen Tod stirbt. Mit allen Konsequenzen. Eitel wie er ist, fällt er auf das Mimikry des jungen Octavio herein, der seine geliebte Sophie vor dem Lüstling bewahren will.

Masken in der Weltliteratur

Es gibt viele Beispiele in der Weltliteratur, die zeigen, wie Menschen mit Verkleidungen und Masken ihre Umgebung täuschen, um ihre mehr oder minder edlen Ziele zu erreichen. Schlag‘ nach bei Shakespeare. Nicht selten verbirgt sich hinter der Maske auch ein Verbrecher, der sein Incognito nutzt, um im Verborgenen einen Widersacher zu meucheln. Quelle: Guiseppe Verdis „Ein Maskenball.“
Aber in medias res. Seit nunmehr über zwei Jahren besuchen wir täglich einen wenig amüsanten Maskenball, der zu unser aller Leidwesen nicht nach der Demaskierung um Mitternacht endet. Solange nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie nicht genug medizinische Masken vorhanden waren, wurde von offizieller Seite verkündet, sie böten gar keinen Schutz gegen das Virus. Kurz darauf erfolgte dann eine Empfehlung zum Tragen einer Maske. Emsige Hände machten sich daran, in Heimarbeit Stoffmasken herzustellen. Eine Zeitlang reichten selbst Tücher jeglicher Couleur und Muster. Hauptsache war, dass sie Mund und Nase bedeckten.

Vom Maskenball zum Maskenkult

Inzwischen erleben wir einen veritablen Maskenkult. Man trägt sie je nach Gusto in allen Farben des Regenbogens. Manche wollen selbst im Auto oder unter freiem Himmel auf dem Fahrrad nicht von ihnen lassen. Offenbar haben viele sich mittlerweile an dieses Accessoire gewöhnt, als wäre es eine zweite Haut. Mir geht es auch so. Ohne besagten „Schnutenpulli“ fühle ich mich fast nackt. Dennoch schätze ich es nicht, wenn mir ein selbsternannter Blockwart oder – bitte gendern – eine Blockwärtin mit vor Empörung zitternder Stimme befiehlt: „Setzen Sie mal Ihre Maske ordentlich auf“, wenn diese einmal um ein paar Millimeter verrutscht ist. Auf der anderen Seite muss ich natürlich dankbar dafür sein, dass manch ein Kümmerer oder eine Kümmerin sich soviel Gedanken über die Hygiene im öffentlichen Raum macht. In U- und S-Bahn wird sogar zweisprachig auf die Einhaltung der Maskenpflicht hingewiesen. Fast martialisch beendet die Frauenstimme aus dem Off ihre Anweisungen mit einem kernigen „Ssänk ju werri matschsch.“
Der weise, leider viel zu früh verblichene Loriot hätte das Maskenphänomen wohl mit folgenden Worten auf den Punkt gebracht: „Ein Leben ohne Maske ist möglich. Aber sinnlos.“

Positive Nebeneffekte von Masken

Ich gebe zu, dass ich zuerst ein wenig mit der Maske gehadert habe. Das ist vorbei, seitdem die schicke, einem Melitta-Kaffeefilter nachempfunden Maske von höchster Stelle zur idealen Gesichtsbedeckung erkoren wurde. Das Teil erweist sich gerade bei älteren Semestern als segensreich, weil es unattraktive Mundfalten verdeckt. Als Ausgleich kann frau in der oberen Region rund um die Augen mit Mascara und fünflagigen falschen Wimpern in die Vollen gehen. Toll! Als ich mich gerade mit beidem eingedeckt hatte, hörte ich zu meinem Frust, dass die Maskenpflicht demnächst fallen soll. Da machen diese Spielverderber in der Regierung mir doch glatt einen Strich durch die Rechnung. Also echt – auf die da „oben“ ist wirklich kein Verlass!
PS: Beim Durchlesen meines Textes fällt mir auf, dass ich mich als Kind der „kulturellen Aneignung“ schuldig gemacht habe, als ich in die Rolle der „Indianerin“ Minnehaha schlüpfte. Bei dem Gedanken daran werde ich feuerrot vor Scham. Ich schwöre an dieser Stelle, dass mir ein solcher Fauxpas nie wieder unterlaufen wird. Heiliges Indianerehrenwort!

„Outside Mullingar“ by John Patrick Shanley – the new play at The English Theatre of Hamburg

Do you care for another cup of tea?

After the breath-taking parody “The 39 Steps”, which ran until the end of January, the English Theatre of Hamburg now presents the much acclaimed bitter-sweet comedy “Outside Mullingar.” According to an American critic this heart-warming play is John Patrick Shanley’s best work since “ Doubt.” It is up to you, dear spectator, to agree or disagree with this statement of a real theatre aficionado after you have seen the play directed by Clifford Dean.

A place in rural Ireland

Mullingar is not a fictional place but the capital of County Westmeath which is part of the Irish Midlands region. It features an impressive cathedral and some other monuments that are worth being visited. We suppose that John Patrick Shanley once came along and fell in love with the lush green landscape and rolling hills which inspired him to set his romantic play in the rural region outside Mullingar.

Rosemary Muldoon and Anthony Reilly grew up on two neighbouring farms. As early as at the age of six vivacious Rosemary fell in love with Anthony who was too shy to see Rosie’s deep affection for him. Anthony’s heart once broke when his great love Fiona left him for another man. Being extremely self-conscious he feared another disappointment and dared not open his heart to another woman.

Forty years later both are still living on their family farms – practically door to door – instead of together in the same house. When a feud over a strip of land breaks out between the Reillys and the Muldoons, the chances for a late fairy tale end for Rosie and Anthony seem to tend towards zero. Will both eventually find a way for a happy future?

Characters
Tony, be sweet and gentle for a change.

Let us briefly introduce the four characters of the play to you: Tony Reilly, the 75 year old big boss and authoritarian father of Anthony does not think much of his over-sensitive son. He is keen on keeping his farm in the family after his death. Tony, a real farmer, has a strange sense of humour and could not care less about other people’s feelings.

Anthony Reilly, Tony’s offspring, is already 42, but still lives on his father’s farm. Unlike Tony, he is not particularly interested in raising cattle and sheep.

This is my last cigarette. I swear…

Rosemary Muldoon is an attractive headstrong woman who has been working on her parents’ farm since early childhood. Now, as an “old maid” at the age of 36 she is still waiting for Anthony to declare his love to her.

Aoife Muldoon, Rosemary’s mother, is a strong pragmatic woman. Recently widowed at the age of 70, her main drive is to secure her daughter’s future. Her whole adult life she and her husband Chris Muldoon have lived next door to the Reillys.

Tony, Anthony and the American nephew

In the first act we meet Tony and Anthony in the Reilly’s cozy yet a bit untidy kitchen when Aoife Muldoon arrives with daughter Rosemary on her heels. She is the spitting image of the old Queen Victoria, clad in black silk and walking with a cane. She has just returned from her husband’s funeral and now enjoys a cup of tea with Tony an Anthony. Tony being absolutely destitute of tact, states that a wife who has lost her husband will follow soon: “You’ll be dead in a year.” Anthony who is shocked by his father’s harsh words quickly intervenes: ”She will not.” But Aoife who is obviously cut from the same cloth as Tony affirms coolly that Tony is right and she will be dead in a year. “In half a year.” Tony must always have the last word. But Aoife has not come to Tony’s house to waist her time on trivia. Being a practical woman, she wants to know whether Tony will hand over his farm to Anthony after his demise as she intends to sign over the Muldoon’s farm to Rosemary. But Tony has not made up his mind yet and argues that Anthony is not a real Reilly but takes more after his mother’s side of the family, the Kellys. In his opinion he is not the right man for the job on the farm since he does not really love the land and the work on it. Tony prefers to sign over his farm to an American nephew rather than leave it to his son. However, he is not entitled to sell the land. Chris Muldoon’s will in which he handed over the plot of land to his daughter Rosemary blocks a sale. For that reason, Tony does not have a say in the matter. It is solely a matter between Rosemary and Anthony.

As time goes by

Years later when Aoife and Tony have long passed away, we are invited into Rosemary’s pretty drawing-room where she receives Anthony. She is now in her mid-thirties, more attractive than ever and still waiting for Anthony to declare his love to her. The odds are good. But will Anthony overcome his shyness and make the first step. Wait and see. The end of the play will surprise you.

Dad, I always tried to be a good son.

Conclusion: This “farmers’ tale” is as amusing as dramatic. A love story in which a man and a woman have to wait half their lives to find each other. We all know the truism that it is never too late to fall in love. While old stubborn Tony Reilly hindered the relationship between Rosemary and his son, Aoife always thought Anthony to be the perfect match for her daughter. As a very pragmatic person she considered two farms united better than a single one. What a clever woman whose ambitious plans proved right in the end.

Dear spectator, look forward to meeting Nora Connolly as witty, snappish Aoife Muldoon, Seamus Newham playing sly, feisty Tony Reilly, pretty red-haired Catherine Deevy in the role of vivacious headstrong Rosemary Muldoon and last but not least Brian Tynan as shy, introverted Anthony Reilly. A great performance with four Irish actors speaking their native idiom.

No accounting for taste

While Charles Isherwood for the New York Times praised John Patrick Shanley’s lyrical writing, Fintan O’Toole of the Irish Times wrote that for him “Outside Mullingar” was “mystifyingly awful” and “beyond the edge of awfulness.” The critic of “The Guardian” joined him in describing the play as an “overwrought comic romance.” What about the irresistible charm of the play, dear critics? It seems that both of you had a bad day when typing your reviews. After all – there’s no accounting for taste.

Final performance of “Outside Mullingar” on April 9, 2022. Tickets under phone number 040 – 227 70 89 or online under www.englishtheatre.de

Next premiere: “Don’t misunderstand me”, comedy by Patrick Cargill, on April 21, 2022

(Photos: Stefan Kock)

 

„Outside Mullingar“ von John Patrick Shanley – die neue Premiere am English Theatre of Hamburg

Möchte einer noch Tee?

Nach den temporeichen „39 Stufen“, die bis in den Januar liefen und das Publikum wochenlang in atemloser Spannung hielten, hat das Theater an der Mundsburg mit seinem neuen Stück eine gemächlichere Gangart eingeschlagen. „Outside Mullingar“ ist Clifford Deans neueste Regiearbeit an der Mundsburg. In dieser mit viel Sprachwitz und schwarzem Humor gewürzten bitter-süßen Komödie geht es um den Streit zweier in den irischen Midlands verwurzelter Familien um ein Stück Land. Eine an sich alltägliche Geschichte, die ihren Charme den dickköpfigen Protagonisten dieser Saga verdankt.

Das alte Lied: Keine der beiden Parteien ist willens, auch nur einen Millimeter auf die andere zuzugehen. Während die Alten miteinander im Clinch liegen, gleicht der Nachwuchs den beiden Königskindern, die nicht zu einander finden können, um sich ihre gegenseitige Liebe zu gestehen. Zum besseren Verständnis der Handlung stellen wir zunächst die vier Personen vor, die das geneigte Publikum zwei Stunden unterhalten.

Familienaufstellung
Tony, sei doch zur Abwechslung mal freundlich.

Da ist zunächst Tony Reilly, ein ebenso listiger wie temperamentvoller Mann von 75 Jahren, der seine Farm nach seinem Ableben unbedingt auch weiter im Familienbesitz wissen will. Tony irritiert seine Mitmenschen zuweilen mit seinem etwas abartigen Sinn für Humor.

Anthony Reilly, Tonys Sohn, ist aus ganz anderem Holz geschnitzt als sein Vater. Im Alter von 42 lebt der scheue Sonderling immer noch auf dem väterlichen Hof. Die Leidenschaft seines Vaters für die Vieh- und Schafzucht teilt er zum Leidwesen Tonys nicht. Anthony trauert immer noch seiner alten Liebe Fiona nach, die ihn einst verließ und die er nicht vergessen kann. Diese lange zurückliegende Kränkung hat seinen Blick dermaßen getrübt, dass er Rosemarys Avancen gar nicht bemerkt.

Der Gegenpart wird angeführt von Aoife Muldoon. Diese praktisch veranlagte 70jährige Matrone möchte ihrer Tochter eine gute Zukunft sichern. Aoife ist die Witwe Chris Muldoons, des gerade verblichenen langjährigen Nachbarn der Reillys.

Dies ist meine letzte Zigarette. Ehrenwort.

Bleibt noch die 36jährige Rosemary Muldoon, Aoifes eigensinnige Tochter. Sie ist seit ihrem sechsten Lebensjahr heimlich in Anthony verliebt und wartet hartnäckig darauf, dass der endlich ihre Gefühle erwidert.

Trennende Zäune und Streitigkeiten

Anthony Reilly und Rosemary Muldoony kennen sich seit frühester Kindheit. Beide trennen nicht nur Zäune, sondern immer wieder aufkeimende Streitigkeiten zwischen ihren Familien. Sie haben in ihrem Leben niemals die grüne Insel verlassen. Beide scheinen auf der heimatlichen Scholle festgewachsen zu sein. Hier auf dem Land reiht sich ein ereignisloser Tag an den anderen wie Perlen auf einer Schnur. Auf den ersten Blick scheint es, als wäre Rosemary gar nicht an dem Nachbarssohn interessiert. Doch im Stillen wartet sie seit einer gefühlten Ewigkeit darauf, dass Anthony sie endlich wahrnimmt und sich zu ihr bekennt. Rosemarys Mutter Aoife, die sonst das Gras wachsen hört, ist der Meinung, ihre Tochter mache sich nicht nur nichts aus Anthony, sondern lehne ihn schlichtweg ab, weil er sie in Kindertagen einmal sehr heftig „geschubst“ hatte.

Bewegung kommt in das tägliche Allerlei der beiden Familien, als Anthonys Vater andeutet, seinen Besitz einem entfernten Verwandten in Amerika zu überschreiben, da sein weltfremder Sprössling wenig Interesse an der Farm bekunde. Daraufhin bringt Rosemary sich in Stellung. Sie will dies um jeden Preis verhindern. Kann ihr mutiges Eintreten für Anthony sich am Ende als der Schlüssel zu beider Glück erweisen? Warten wir es ab.

Ein Ire kommt selten allein

Es ist ein Vergnügen, die vier Darsteller auf der Bühne agieren zu sehen. Alle sind waschechte Iren und sprechen in dem ihnen eigenen Idiom. Der Zuschauer muss schon die Ohren spitzen, um alle Feinheiten der zum Teil skurrilen Dialoge mitzubekommen.

Papa, ich wollte immer ein guter Sohn sein.

Während Aoife Muldoony (sensationell Nora Connolly), deren Habitus lebhaft an die alte Queen Victoria erinnert, zwar Tacheles redet, sich aber strikt an die Regeln des Anstands hält, lässt Tony Reilly (knorrig Seamus Newham) seinem Zynismus oft freien Lauf, ohne Rücksicht auf die Gefühle der anderen. Rosemary spielt die zupackende Tochter aus bäuerlicher Familie, die keine Scheu hat, Schaufel und Mistgabel anzufassen. Sie wird von Catherine Deevy verkörpert. Die lebhafte Aktrice mit der flammend roten Mähne erinnert an ihre Landsmännin Maureen O’Hara, die in den vierziger und fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Hollywood Furore machte. Sympathisch kommt Brian Tyman rüber, der den etwas verklemmten Anthony Reilly überzeugend darstellt.

Kritiker sind selten einer Meinung

Eine Reihe von Kritikern hat „Outside Mullingar“ euphorisch als eine Art Synthese aus „Doubt“ (Zweifel) und „Moonstruck“ (Mondsüchtig) beschrieben. Hier gehen die Meinungen allerdings weit auseinander. Während die New York Times schwärmt, dies sei John Patrick Shanleys bestes Theaterstück, verreißt der Rezensent der Irish Times dieses Werk mit den Worten „absolut grauenvoll. Eher noch darunter.“

Fest steht, dass sämtliche Werke des 1950 in der Bronx geborenen amerikanischen Autors mit unverkennbar irischen Wurzeln im Handumdrehen zu internationalen Erfolgen wurden. Auch Hollywood riss sich um die Rechte und verfilmte sowohl „Doubt“ und „Moonstruck“ als auch „Outside Mullingar“ mit Starbesetzung. Man denke nur an Meryl Streeps grandiose schauspielerische Leistung in „Doubt.“

Das Schlusswort überlassen wir dem großen George Bernhard Shaw, der einmal sinngemäß meinte, ohne die genialen irischen Autoren tauge die englische Literatur bestenfalls die Hälfte. Wenn diese Aussage auch stark übertrieben ist, müssen wir einräumen, dass JBS nicht ganz unrecht hat. Denn waren nicht auch Jonathan Swift, Oscar Wilde, James Joyce, William Butler und Brendan Behan Iren, die die englischsprachige Literatur bis auf den heutigen Tag bereichern?

„Outside Mullingar“ läuft bis einschließlich 9. April 2022. Tickets unter der Telefonnummer 040 – 227 70 89 oder online unter www.englishtheatre.de

Nächste Premiere: „Don’t missunderstand me“, Komödie von Patrick Cargill, am 21. April 2022

(Fotos: Stefan Kock)

“The 39 Steps” by Patrick Barlow – the new play at the English Theatre of Hamburg

Come on, dear, we are in a hurry! Photo: Stefan Kock

For all those who remember the spy thriller “The 39 Steps”, filmed in 1935 by the Master of Suspense Alfred Hitchcock, the stage version of the plot is a déjà vu. Yet it differs from the original story by Scottish author John Buchan who concocted a dramatic espionage novel in 1915, the second year of the First World War. Playwright Patrick Barlow, born in Leicester, was bold enough to transform this very serious subject into a highly amusing comedy spiced with all the ingredients of a thriller including loads of black British humour.

It’s great fun to drive this elegant car Photo: Stefan Kock

Have a look at our short synopsis before we go into detail: Pulled into a web of intrigue and deceit Richard Hannay, the unwilling hero of the plot, is constantly on a run to escape a criminal organization, two “femmes fatales”, weird farmers and wives. Richard is in a great hurry to solve the mystery of the 39 steps. He must stop a gang of spies to threaten national security. Does he succeed? Read on.

Here we go: While Richard Hanney, a young man in his thirties, is on vacation in London he attends a demonstration of “Mr. Memory”, a man with a photographic memory. On the way back to his flat he meets a frightened woman by the name of Annabella Smith who asks him to put her up for the night. She tells him that she is a spy chased by criminals who are trying to kill her since she has uncovered a plot to steal top secret documents that threaten national security. The head of the spy ring “The 39 Steps” is a most dangerous man who can easily be identified by the missing joint on the little finger of his right hand. Richard is at a loss to believe this fantastic story told by a woman with a thick German accent and goes to sleep. In the morning he finds his guest murdered with a knife in her back. When the police turns up and accuses innocent Richard of murder, he manages to escape in the very last moment. From now on he is a man on the run. He takes the next train to Scotland where, according to Annabella Smith, the head of the espionage organization is hiding.

The head of „The 39 Steps“
Good Lord, what is the matter with you? Photo: Stefan Kock

On the train he meets beautiful Pamela who identifies him as the killer portrayed on page one of all the newspapers in the country. She reports him to the police and Richard manages another dramatic evasion from the train on the Forth Bridge. He is lucky to find a place for the night at a farm in the Highlands. While the wife of the old suspicious farmer is friendly and gives him her husband’s warm coat to protect him from the cold in the mountains, the farmer reports Richard to the police. He is after the high reward promised to the person who helps to catch the killer. But Richard evades capture once again and finally finds a village named Alt-na-shellach where he meets Professor Jordan, a perfect gentleman at first sight. Looking at his right hand with a missing joint on his little finger Richard realizes that he is standing face to face with the head of “The 39 Steps.” When Richard refuses to cooperate with him and his spy gang, Jordan shoots at him. Thanks to the farmer’s hymn book in the breast pocket of the coat Richard survives. Now it is on him to report an attempt of murder to the sheriff. But – surprise, surprise – the sheriff and the rest of the police are befriended with Jordan. Another hope crushed, poor Richard. He is again on the run from his pursuers. All of a sudden he finds himself in a political meeting and is mistaken for a candidate. Without having the slightest idea of what is going on, he improvises a speech which is enthusiastically applauded by the audience. By chance he meets Pamela again. Out of the blue Jordan’s men arrive and handcuff Richard and Pamela to each other. They spend the night at a small hotel in the countryside. With a trick Pamela frees both of them from the handcuffs. After a longer discussion Richard can convince her of his innocence. Now they are free to go to London where – according to Pamela who overheard a telephone call – the spy gang will meet.

Pamela, why is it so dark in this room? Photo: Stefan Kock

Back in the city, Richard and Pamela meet at Mr. Memory’s show and realize that the spies are taking advantage of Mr. Memory’s performance to smuggle the secrets out of the country. When being perfectly memorized, there are no paper documents. A very clever idea. The show ends abruptly when Richard asks Mr. Memory: “What are the 39 steps?” Do you think, dear spectator, that Mr. Memory is able to answer that question? Come and find out yourself when you are sitting in the audience of the English Theatre. By the way, according to a New York critic, this scene remains one of the most gripping moments of the play.

Shall we call the police? Photo: Stefan Kock
Packed with twists and turns

Packed with twists and turns, this fast-paced thriller keeps the audience in constant suspense. Only four actors – one woman and three men – are playing during 100 minutes altogether 150 characters in this hilarious spy comedy. While James Killeen “only” plays one part, that of anti-hero Richard Hannay, Man 1 Charlie McCullagh and Man 2 Jonny Magnati are to be seen in multiple roles. They appear as police men, drivers, station masters, farmers, gang members and even as women imitating high-pitched voices. An endless mimicry causing roars of laughter in den audience. Madeleine Hutchins plays three female parts. In one scene she turns up as Annalena Schmidt, the spy “with the accent”, a few minutes later she is Pamela, the red-haired vamp who reports good-hearted Richard to the police. Margaret, the sweetly naïve grumbling farmer’s wife with her long blond plait is the most touching figure in the play. A great performance. Thank you, Madeleine. The same refers to Charlie and Jonny, two brilliant actors, dancers and singers who would do honour to every musical show. Not to forget James in the part of Richard who reminds us of Cary Grant in Hitchcock’s 1959 blockbuster “North by North West.” Remember? A New York City advertising man mistaken for a non-existing man by the name of George Kaplan is unwillingly thrust into a world of spies. Just as Richard he escapes his pursuers by chance and is still alive when all the trials and tribulations are over.

Conclusion: A brilliant performance on a grey November evening in Hamburg.
A big hand for director Paul Glaser and his crew of smashing actors!

Final performance of “The 39 Steps” on January 29, 2022.
Tickets under: phone number 040 – 227 70 89 or
online under: www.englishtheatre.de
Next premiere:
“Outside Mullingar” by John Patrick Stanley on February 10, 2022