Zu Gast bei …

Von Manuel Ruoff

Fünf Mitglieder der Auswärtigen Presse haben die Ihnen von der Hamburger Journalistenvereinigung gebotene Möglichkeit genutzt, am 27. und 28. April als Gast des Hamburger FDP-Abgeordneten Burckhardt Müller-Sönksen an einer Gruppenreise in die Bundeshauptstadt teilzunehmen. Die Reise, an der insgesamt rund 40 Personen teilnahmen, hatte ein strammes Programm und war – wie bei solchen Veranstaltungen üblich – vom Presse- und Informationsamt der Bundesregierung routiniert und professionell durchorganisiert.
Die Betreuung setzte bereits am Hamburger Bahnhof Dammtor ein, denn eine Mitarbeiterin des Abgeordneten begleitete die Gruppe vom Anfang bis zum Schluß. In Berlin kam als zusätzliche Betreuerin vor Ort eine Mitarbeiterin des Bundespresseamtes hinzu.
Hervorzuheben aus der Gruppe sind drei Damen, die mit ihrem Lebensalter den Durchschnitt beträchtlich senkten. Es handelte sich um die kleine Tochter Müller-Sönksens, die mit zwei Schulkameradinnen den sogenannten Girls’ Day nutzte, um dem Vater über die Schulter zu schauen und wenigstens am ersten Teil des Besuchsprogramms teilzunehmen.
 Thomas-Dehler-HausVom Bahnhof Zoo, dem Ankunftsbahnhof in Berlin, ging es direkt mit dem der Gruppe die zwei Tage über zur Verfügung stehenden Doppeldecker zum Thomas-Dehler-Haus, einem unweit des Bundestages in einer Häuserreihe der Reinhardtstraße integrierten Altbau, der neben diversen parteieigenen Unternehmen vor allem die Bundeszentrale der FDP beherbergt. Wer die Parteizentrale der CDU oder SPD kennt, mag überrascht gewesen sein, wie vergleichsweise klein die FDP-Zentrale ist.
Durch verwinkelte, schmale Gänge ging es in einen kleinen Vortragsraum, wo ein Referent die Geschichte des Altbaus, die wichtigsten Funktionen des Namensgebers Thomas Dehler sowie last but not least die Gliederung und den organisatorischen Aufbau der Bundesgeschäftsstelle, der Spitzengremien und der Mitgliedschaft der Partei vorstellte.
Da sich der Gastgeber nicht nur als Ehemann der die Gruppe begleitenden Abgeordnetenmitarbeiterin, sondern auch als hauptamtlicher Mitarbeiter Walter Scheels vorstellte, mußte natürlich die Frage kommen, wie es dem Altbundespräsidenten und den beiden anderen Ehrenvorsitzenden der FDP geht und was sie machen. In der Antwort erfuhren die Reiseteilnehmer, daß die „Großen Drei“ mehr oder weniger wohlauf sind und der älteste von ihnen mit rund 50 Prozent am häufigsten von seinem Recht Gebrauch macht, an den allwöchentliche stattfindenden Präsidiumssitzungen mit beratender Stimme teilzunehmen.
Viel mehr interessierte die augenscheinlich eher wirtschaftsliberal geprägte Gruppe aber, warum die Partei Wolfgang Gerhardt nach dem Partei- nun auch noch den Fraktionsvorsitz nimmt. Der FDP-Referent machte kein Hehl daraus, daß ihm die Beantwortung der kritischen Frage nicht leicht viel, und antwortete mit der Vorstellung der offiziellen Parteilinie.
Es folgte eine kleine Führung durch das Haus, welche den Sitzungssaal des Präsidiums und das Büro des Vorsitzenden ebenso einschloß wie den Saal für die Pressekonferenzen und das mit viel Aufwand restaurierte Treppenhaus. Einen Überraschungsbonbon stellte die zufällige Begegnung mit Guido Westerwelle auf dem Flur vor seinem Amtszimmer dar, der es sich natürlich nicht nehmen ließ, die Gäste aus der Hansestadt mit der ihm eigenen rheinischen Lebensfreude zu begrüßen. Durch das Mittagessen im Restaurant Manzini lernten die Hamburger auch noch den überdachten Innenhof des Thomas-Dehler-Hauses kennen.
Zwei-Gänge-Menu Zwei-Gänge-Menu Mit einem wohlschmeckenden Zwei-Gänge-Menu gestärkt, ging es per Bus die paar Hundert Meter zum Bundestag. Nach dem Durchlaufen der Sicherheitskontrolle, einer Fahrt mit dem Fahrstuhl sowie der Abgabe von Gepäck und Garderobe nahm die Gruppe mit diversen Schulklassen auf der BesuchertribünePlenarsaal des ansonsten leeren Plenarsaals Platz. Plenarsaal Durch einen von manchen als souverän und von anderen als arrogant empfundenen Mitarbeiter des Besucherdienstes erfuhren die Gäste, welche Ausmaße der Saal besitzt, wie groß und schwer die sogenannte fette Henne ist, warum die „Bundeshenne“ so fett ist, wie es zur Farbgebung der Sitzbezüge kam, welches die Lieblingsfarbe des Plenarsaal Architekten ist, wie der Hammelsprung funktioniert, wo wer sitzt, wie alt beziehungsweise jung der jüngste Abgeordnete ist und so weiter und so fort.
Es folgte eine Diskussion mit Müller-Sönksen im wie große Teile des Hauses modern schlicht gehaltenen Sitzungssaal seiner Fraktion. Zu dem Gespräch hatte der Gastgeber als zusätzlichen Gast seinen Fraktionskollegen Patrick Meinhardt aus Baden-Württemberg gebeten, der wie er letztes Jahr neu ins Parlament gewählt worden ist. Voller Stolz wurde bei der Vorstellung auf den hohen Anteil Neuer in der FDP-Fraktion hingewiesen.
Da der Hamburger für Menschenrecht und sein schwäbischer Gast für Bildung zuständig ist, bildeten diese beiden Themenbereiche Schwerpunkte der Diskussion. Das liberale Profil der Freidemokraten wurde zumindest andeutungsweise deutlich, wenn der Gastgeber sich für eine stärkere Beachtung der Menschenrecht in der Außenpolitik gegenüber Rußland und China einsetzte und der Gast die staatliche Bundesagentur für Arbeit kritisierte, für die Schulen mehr Autonomie von den Behörden forderte und von denGlaskuppel Lehrern verlangte, daß sie auch etwas Betriebswirtschaft studieren, enger mit der Wirtschaft, das heißt den potentiellen zukünftigen Arbeitgebern ihrer Schüler, zusammenarbeiten und ihr behördenmäßiges Beamtendenken aufgeben.
Glaskuppel Danach ging es aufs Dach. Nach dem obligatorischen Fototermin konnte die Glaskuppel bestiegen und der Blick auf das Reichstagsgebäude und Berlin von oben genossen werden. Nach der Fahrt zum Hotel, dem dortigen Einchecken, das nun noch neudeutscher „Check-In“Danach ging es aufs Dach heißt, und dem gemeinsamen Abendessen stand der Rest des Abends zu freien Verfügung.
Nach dem Frühstücken und dem Auschecken, das interessanterweise noch nicht „Check-Out“ heißt, begann der zweite Tag mit einer an politischen Punkten orientierten Stadtrundfahrt. Die Fahrt führte vorbei am Bundeskanzleramt, dem Bundesfinanzministerium, dem sowjetischen Ehrenmal im Tiergarten, dem Schloß Bellevue, dem Bundespräsidialamt, dem Checkpoint Charlie, dem Gendarmenmarkt, dem Haus der Kulturen der Welt, dem Berliner Abgeordnetenhaus, den Botschaften von Rußland, Großbritannien, Mexiko, Skandinavien, Italien, Japan und Kanada sowie den Vertretungen diverser Sony-CenterBundesländer, über den Großen Stern mit der Siegessäule sowie durch die Wilhelmstraße, die Straße des 17. Juni und die ehemalige Stalinallee. Beim Potsdamer Platz wurde ein Zwischenstopp eingelegt und das Sony-Center besichtigt.Sony-Center
Nach dem Mittagessen beim Italiener in Berlin-Tiergarten ging es zu dem U-förmigen, mit dem Sony-Centeroffenen Ende zur Spree gelegenen, repräsentativen Neubau, in dem das Bundesinnenministerium seinen Berliner Hauptsitz hat. Ohne eine vorherige Sicherheitskontrolle zu durchlaufen, gelangte die Gruppe nicht nur auf das Areal, sondern auch in das Gebäude, wo bereits ein Mitarbeiter der Öffentlichkeitsarbeit die Hamburger Gäste in einem im Erdgeschoß gelegenen Vortragsraum des Besucherzentrums erwartete. Er eröffnete seine Ausführungen mit der Erklärung für das Ausbleiben der allgemein erwarteten Sicherheitskontrollen. Das Bundesinnenministerium ist nicht Eigentümer des Gebäudes, sondern hat nur – abgesehen vom Besucherzentrum im Erdgeschoß – einen Flügel der oberen Stockwerke angemietet, so daß die Sicherheitskontrolle erst innerhalb des Hauses vor dem Betreten des sicherheitsrelevanten Bereichs stattfindet.

im Besucherzentrale

Ansonsten klärte der PR-Mann über Struktur und Aufbau des Ministeriums auf. Angesichts der Aktualität des Problems sowie des Umstandes, daß die Besuchergruppe Gast eines FDP-Abgeordneten war, kann es nicht verwundern, daß neben der inneren Sicherheit das Thema Bürokratieabbau und Deregulierung ein Kernthema der dem Vortrag folgenden Diskussion war. Der versierte Ministeriumsvertreter machte die Bürger und die Beamten an der Basis für die Überreglementierung verantwortlich. Während erstere klare Regeln für alles und jedes einforderten, meldeten letztere Klärungsbedarf für jegliche nur denkbaren Spezialfälle und Eventualitäten an. Daß der gute Mann mit dieser Zuschiebung des „Schwarzen Peters“ an andere unwidersprochen durchkam, lag sicherlich nicht zuletzt an seinem sympathischen, bescheidenen, abwägenden, verständnisvollen und bedingt selbstkritischen Auftreten und Habitus, die Widerspruch nicht provozierten, sondern schwer machten. Auch hier machte eben der Ton die Musik.

Dokumentationszentrums Berliner Mauer

Dokumentationszentrums Berliner MauerDer Besuch des Dokumentationszentrums Berliner Mauer in der Bernauer Straße bildeteDokumentationszentrums Berliner Mauer den   inhaltlich letzten Programmpunkt. Zur Führung gehörte ein Vortrag über die Geschichte der deutschen Teilung sowie die Entstehung und ständige technische Perfektionierung der Berliner Mauer.

Berliner Mauer

Bei einem Besuch der unweit gelegenen Kapelle der Versöhnung wurde weniger die Entstehungs- denn die Zerstörungsgeschichte der einst dort stehenden Versöhnungskirche geschildert, die 1985 vom DDR-Grenzregime zur „Erhöhung von Sicherheit und Sauberkeit“ des Todesstreifens gesprengt worden war. Ein Thema für sich war die komplizierte Symbolsprache der 1999/2000 auf der Grundfläche der gesprengten Kirche erbauten Kapelle. Fast nichts an diesem Neubau ist dem Zufall überlassen und ohne Hintersinn. Das fängt beim Grundriß an und hört beim Baumaterial auf. Weitaus weniger abstrakt als die Symbolik dieses Sakralbaus war der abschließende Blick von der Aussichtsplattform des Dokumentationszentrums auf das zur Mahnung und Warnung lobenswerterweise erhaltene Stück Grenzmauer samt Todesstreifen.

Nach dem abschließenden Abendbrot ging es nolens volens zurück nach Hamburg. Die Auswärtige Presse will versuchen, ihren Mitgliedern in nicht allzu ferner Zukunft noch einmal die Möglichkeit zur Teilnahme an einer derartigen Berlinreise zu bieten, und man kann nur jedem, der bis jetzt noch an keiner Abgeordnetenreise in die Bundeshauptstadt teilnehmen konnte, raten, diese zweite Chance nicht ungenutzt zu lassen.