„Wulffen“ im Internet

Diese Glosse erschien am 17. Januar 2012 im Hamburger Abendblatt
von Uta Buhr

Wer sagt denn, dass man nur auf Mailboxen „wulffen“ kann? Ich erlebe dieses Phänomen jeden Tag im Internet und gestehe, dass ich seit mehreren Wochen von einem Internet-Muffel zu einer Süchtigen mutiert bin. Meine frühere Leidenschaft für Fortsetzungsromane in Zeitungen und Zeitschriften wurde durch die fortlaufende Berichterstattung über unseren amtierenden Bundespräsidenten neu belebt. Jeden Morgen, bevor die Tageszeitung im Briefkasten liegt, schleiche ich mich, noch mit Schlaf in den Augen, vom Bett an meinen PC, um die neuesten Erkenntnisse in dieser inzwischen unendlichen Geschichte zu erfahren und meinen Senf per Kommentar in den hierfür vorgesehenen Kasten zu tippen. Es war sogar mein Ehrgeiz, als erste unter den Kommentatoren mit einem Beitrag zu glänzen. Deshalb hatte ich mich auch gestern in aller Herrgottsfrühe von meinem Handy wecken lassen. Aber welch ein Schlag traf mich, als ich erkennen musste, dass vor mir schon hundert andere User den Kommentarkasten mit ihren mehr oder minder qualifizierten Bemerkungen gefüllt hatten. Leicht frustriert,  stürzte ich mich in mein morgendliches Vergnügen und schrieb einen längeren Kommentar. Die Antwort von einem anderen Frühaufsteher ließ nicht lange auf sich warten. „Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nächstes Mal etwas kürzer wulffen würden. Sie nerven mit Ihren langen Episteln.“ Klarer Fall, dass ich auf diese Unverfrorenheit noch einmal ordentlich nachgewulfft habe. Ich gehe übrigens jede Wette ein, dass „wulffen“ die besten Chancen hat, zum Unwort des Jahres 2012 gekürt zu werden.