Wo Friedrich der Große glücklich war

Von Dr. Manuel Ruoff

Die letzten vier Jahre seiner Kronprinzenzeit residierte der spätere König von Preußen im Schloss Rheinsberg

„Das Unglück hat mich immer verfolgt. Ich bin nur in Rheinsberg glücklich gewesen.“ Vor 275 Jahren bezog der älteste Sohn des „Soldatenkönigs“ mit seiner Ehefrau das am Grinericksee gelegene Wasserschloss.

Dass er seine glücklichsten Jahre in Rheinsberg verlebte, will man Preußens berühmtestem König gerne glauben. Sicherlich ist das Leben sozusagen als Reservemonarch in der Regel unbeschwerter denn das eines Regenten. Und die Kindheit Friedrichs unter der Aufsicht des gestrengen Vaters war sicherlich kein Zuckerschlecken. Gleiches gilt für die Festungshaft und die Zeit der Bewährung in Küstrin. Nachdem der verstoßene Sohn wieder in Gnaden aufgenommen war, erhielt der Kurprinz entsprechend der Tradition im Kurfürstentum Brandenburg ein Amt überwiesen. In seinem Falle war es das Amt Ruppin. Dazu erhielt er das Kommando über das dorthin verlegte frühere Regiment zu Fuß von der Goltz. In Neuruppin erhielt er eine Unterkunft, die eines jungen ledigen Regimentskommandeurs würdig war, aber Friedrich wollte als Kur- und Kronprinz, der er auch noch war, Hof halten. Die Möglichkeit dazu gab ihm sein Vater, nachdem er in die Vernunftehe mit Elisabeth Christine von Braunschweig-Wolfenbüttel-Bevern eingewilligt hatte.

Friedrich hatte, indem er die mit dem Kaiserhaus verwandte Prinzessin geheiratet hatte, einem Wunsche seines Vaters entsprochen und es wurde erwartet, dass die beiden nun eine Familie gründeten. Da schien Friedrich Wilhelm I. der Wunsch seines Sohnes nach einem standesgemäßen Familiensitz nicht unstatthaft. Friedrich hatte durch seinen Dienst in Ruppin die Offiziersfamilie von Beville kennengelernt. Diese besaß unweit von Ruppin das Schloss Rheinsberg. Mehr als einmal besuchte Friedrich mit dem ihm befreundeten Baumeister, Maler und Architekten Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff das idyllisch inmitten märkischer Seen sowie Kiefern- und Buchenwälder gelegene Landschlöss­chen. Es gefiel Friedrich. Vor allem hatte es einen Vorteil: „Rheinsberg von Berlin aus zu erreichen ist nicht leicht“, um es mit Theodor Fontane zu sagen. Hier sah sich Friedrich der Kontrolle seines Vaters und Königs weitgehend entzogen.

Bestärkt durch Pläne seines Freundes Knobelsdorff, was man aus dem Landsitz alles machen könnte, bat Friedrich seinen Vater um Rheinsberg. Der Vater willigte ein. 1734 wechselte die Herrschaft ihren Besitzer. Zu der Kaufsumme von 75000 Talern steuerte der König 55000 bei. Den Rest entnahm Friedrich wohl zu großen Teilen der Mitgift seiner Ehefrau.

Auf Kosten des Kronprinzen ließ der König nun eine Erweiterung des anfänglich vergleichsweise bescheidenen L-förmigen, einstöckigen Baus mit hohem Dach durch den Hofbaumeister Johann Gottfried Kemmeter vornehmen. Kemmeter, der von seinem Auftraggeber zur äußersten Sparsamkeit verpflichtet worden war, setzte dem Bau ein zweites Stockwerk auf, verlängerte den kurzen Ostflügel um 25 Meter und baute ihn zum Haupttrakt aus. Im Sommer 1736 war der Umbau so weit gediehen, dass der Kronprinz und seine Ehefrau ihre neue Residenz am 6. August jenes Jahres beziehen konnten.

Nach seinem Einzug übernahm der neue Hausherr die Regie und ersetzte Kemmeter durch dessen Schüler Knobelsdorff. Knobelsdorff baute nun, teilweise nach Plänen Kemmeters, weiter. Entsprechend dem Ideal der Symmetrie baute er an das Nordende des Ostflügels einen zum Südflügel analogen Nordflügel, in dem vor allem Staats- und Repräsentationsräume untergebracht waren. Analog zum alten Südflügel erhielt auch der neue Nordflügel an seinem Westende einen mehrstöckigen Rundturm. Diese beiden Türme, von denen Fontane meinte, dass sie „mehr eine Eigentümlichkeit als eine Schönheit bilden“, geben Rheinsberg seinen besonderen und unverwechselbaren Charakter. Durch diese drei Flügel entstand ein ursprünglich zum Grinericksee hin offener Ehrenhof, der durch eine Kolonadenverbindung zwischen den beiden Türmen im Osten abgeschlossen wurde. Eine an der Ostseite des Haupttraktes angebrachte Inschriftenkartusche gibt 1739 als das Jahr der Vollendung des Außenbaus an.

Im Inneren dauerten die Bauarbeiten bis 1740 fort. In jenem Jahr signierte auch Antoine Pesne sein Deckengemälde im Großen Saal. „Solches stellt“, um es mit Fried­rich zu sagen, „den Aufgang der Sonne dar. Auf der einen Seite erblickt man die Nacht, verhüllt in ihrem Schleier, umringt von ihren traurigen Vögeln … Sie selbst scheint sich zu entfernen und der Morgenröte Platz zu machen.“ Bereits die Zeitgenossen interpretierten das Kunstwerk als Allegorie: „Der junge Leuchteprinz vertreibt den König Griesegram.“ Im Jahr der Fertigstellung von Gemälde und Schloss war es soweit. Die Zeit in der Reserve war beendet, der Dienst auf dem Thron begann. Friedrich zog als König von Rheinsberg nach Berlin-Potsdam um und kehrte nie mehr für längere Zeit in sein geliebtes Refugium zurück.

„Gewidmet Friedrich, der die Muße pflegt“, lesen wir über der Zahl 1739 auf der Scheitelkartusche des Rheinsberger Schlossportals. Das stimmt nicht ganz, denn Friedrich gab sich in seinen letzten Kronprinzenjahren nicht dem Müßiggang hin. Vielmehr versuchte er in Rheinsberg, all das vor allem an Bildung nachzuholen, wozu ihn sein Vater in seiner Kindheit nicht hatte kommen lassen. Das führte soweit, dass Friedrich sich sogar das Schlafen abzugewöhnen versuchte, um die ihm verbliebenen Kronprinzenjahre intensiver nutzen zu können. Es waren also keine Jahre der Muße. Aber es waren wohl die einzigen selbstbestimmten seines Lebens. Und von daher kann man verstehen, dass sie dem ersten Diener seines Staates als die glücklichsten erschienen.