Warum in Madrid die Bourbonen regieren

erschienen in der PAZ

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 300 Jahren beendete der Rastatter Frieden den Spanischen Erbfolgekrieg – Die Spanischen Niederlande wurden österreichisch

An der Schwelle vom 17. zum 18. Jahrhundert herrschte in Madrid Karl II. Karl war nicht wie der heutige spanische König Juan Carlos Bourbone, sondern Habsburger. Außer im spanischen herrschte Karl auch in den Königreichen Neapel und Sizilien sowie Sardinien. Der Habsburger war ein Ergebnis von Inzucht zwischen den Königshäusern sowie von Geburt an schwächlich und krank. Der König blieb kinderlos und sein relativ früher Tod bereits im vierten Lebensjahrzehnt stellte keine wirkliche Überraschung dar. So stellte sich frühzeitig die Frage seiner Nachfolge.

Drei Thronanwärter sind hier zu nennen. Leopold I., Habsburger, Enkel des spanischen Königs Phi­lipp III. und seit 1658 Kaiser, war in erster Ehe mit Karls Schwester Margarita Teresa verheiratet und beanspruchte den spanischen Thron für den aus seiner dritten Ehe hervorgegangenen jüngeren seiner beiden Söhne, Karl. Den älteren, Joseph, hatte er für seine Nachfolge in Österreich und dem Reich vorgesehen. Leopold wollte also eine Sekundogenitur begründen.

Ludwig XIV., Bourbone sowie seit 1643 König von Frankreich und Navarra, war in erster Ehe mit Karls II. Schwester Maria Theresia verheiratet und beanspruchte den spanischen Thron für den zweitältesten Sohn des einzigen aus der Ehe mit der Spanierin hervorgegangenen Sohnes Louis mit dem Namen Philipp. Louis’ ältester Sohn hingegen war dafür vorgesehen, nach seinem Vater Nachfolger Ludwigs XIV. zu werden. Also auch der Sonnenkönig plante die Einrichtung einer Sekundogenitur.

Der dritte im Bunde war Maximilian II. Emanuel. Der Wittelsbacher war seit 1679 Kurfürst von Bayern, mit einer Tochter von Leopold I. und Margarita Teresa verheiratet und beanspruchte den spanischen Thron für den gemeinsamen Sohn Joseph Ferdinand.

Von entscheidender Bedeutung war schon damals der Wille Englands. Dieses galt umso mehr, als seit 1689 die Niederlande sowie England, Schottland und Irland durch Wilhelm III. von Oranien-Nassau in Personalunion miteinander verbunden waren. Es ist die Zeit, in der die seefahrende Großmacht das Gleichgewicht der Kräfte auf dem Kontinent zum Dogma ihrer Außenpolitik entwickelte. Insofern war es den von Wilhelm geführten Seemächten lieber, dass das vergleichsweise unbedeutende Bayern fürderhin die Könige Spaniens stellte als ein Spross aus den Herrscherhäusern der Großmächte Österreich oder Frankreich. Durch die Fürsprache der Seemächte und getreu dem Motto: Wenn zwei sich streiten, freut sich der dritte, schien die Entwicklung auf den Wittelsbacher Joseph Ferdinand hinauszulaufen. Doch da starb der junge Bayer 1699 im Alter von gerade einmal sechs Jahren.

Nun prallten die Ansprüche der österreichischen Habsburger und der französischen Bourbonen alternativlos aufeinander. In Verfolgung seiner Gleichgewichtspolitik einigte sich London mit Versailles auf eine Teilung des Reiches Karls II. Die Bourbonen wollten sich mit dem italienischen Teil von Karls II. Reich zufrieden geben, Spanien und die Spanischen Niederlande sollte Leopolds Sohn Karl erhalten.

Bemerkenswerterweise war Leopold gegen diese Lösung. Er dachte mehr als Österreicher denn als Habsburger. Von den vergleichsweise unwichtigen Besitzungen des spanischen Königs im Österreich benachbarten Italien wollte er nicht lassen. Analog dazu dachte auch sein Schwager in Madrid eher spanisch als habsburgisch. Offenkundig traute Karl II. es den Bourbonen eher als seinen österreichischen Verwandten zu, sein Erbe beieinander zu halten. Kurz vor seinem Tod setzte er nämlich Ludwigs XIV. Enkel Philipp als seinen Universalerben ein. 1700 starb Karl. Ludwig stand nun vor der Wahl. Nahm sein Enkel das Erbe an, widersprach das der französisch-englischen Teilungsvereinbarung und konnte von London als unfreundlicher Akt angesehen werden. Schlug sein Enkel hingegen das Erbe aus, war absehbar, dass die Spanier das Gesamt­erbe dann dem Habsburger anbieten würden. Ludwig entschied sich für die Annahme.

Nicht nur, dass diese Entscheidung Ludwigs der Teilungsvereinbarung mit England widersprach, sein weiteres forsches Vorgehen strafte auch seine Beteuerungen Lügen, eine Bourbonenherrschaft in Paris und Madrid würde nicht Spaniens Unabhängigkeit beenden. Mit dem französischen Einmarsch in die spanischen Besitzungen in Italien provozierte er die Österreicher, mit dem Einmarsch französischer Einheiten in die Spanischen Niederlande die Seemächte. Zudem schädigte der von Ludwig auf die spanischen Kolonien ausgeweitete französische Protektionismus die englischen Handelsinteressen. Die Folge der französischen Spanienpolitik war der Ausbruch des Spanischen Erbfolgekrieges im Jahre 1701.

Ludwigs Kampf um Spanien ähnelt in mancher Beziehung dem Kampf Friedrichs des Großen um Schlesien. Wie der Preuße einige Jahrzehnte später im Siebenjährigen Krieg, stand auch der Franzose einer zumindest der Papierform nach überlegenen gegnerischen Koalition gegenüber. Fast auf sich gestellt stand Frankreich England, Österreich, den Niederlanden und dem größten Teil des Heiligen Römischen Reiches gegenüber. Ähnlich wie Friedrich geriet auch Ludwig in Bedrängnis. Und wie Fried­rich retteten auch Ludwig schließlich die Kriegsmüdigkeit im Lager der Gegner sowie ein Todesfall. Im Falle des Spanischen Erbfolgekrieges war es der Tod von Joseph I.

Planmäßig war Joseph nach dem Tode seines Vaters Leopold im Jahre 1705 dessen Nachfolger in Österreich und dem Reich geworden. Doch weniger planmäßig war, dass er bereits 1711 verstarb, ohne einen Sohn zu hinterlassen, der sein Nachfolger hätte werden können. So trat sein Bruder als Karl VI. seine Nachfolge an. Eine Personalunion zwischen Spanien, Österreich und dem Reich widersprach jedoch der Londoner Gleichgewichtsstreben und so zogen sich die Engländer und in ihrem Fahrwasser auch die Niederländer aus dem Krieg gegen Frankreich zurück. Das Ergebnis war 1713 der Frieden von Utrecht.

Österreich und das Reich versuchten zwar, ohne die Seemächte den Krieg gegen Frankreich fortzusetzen, der Kaiser schätzte dieses Unterfangen jedoch schließlich als ausweglos ein und am 7. März 1714 unterzeichneten Prinz Eugen von Savoyen für Karl VI. und Claude-Louis-Hector de Villars für Ludwig XIV. den Rastatter Frieden.

Als Ergebnis des Krieges wurde das Reich Karls II. geteilt. Die Bourbonen erhielten Spanien zugesprochen, die Österreicher die Spanischen Niederlande und einen Großteil von Karls Besitzungen in Italien. Die dritte Großmacht, England, erhielt Gibraltar und Menorca sowie das Monopol auf den Sklavenhandel mit den spanischen Kolonien in Amerika.

Manuel Ruoff