Dieser Artikel erschien bereits am 24. Mai 2014 auf der Kulturseite der PAZ
Von Uta Buhr
Ein Weltstar aus Berlin – vor 100 Jahren wurde Lilli Palmer geboren
Sie war die Große Dame des deutschen Nachkriegsfilms. In welchem Streifen Lilli Palmer auch auftrat, sie wurde von der Kritik hoch gelobt und räumte einen Preis nach dem anderen ab. Selbst der „Spiegel“, der Prominente so gern mit beißendem Spott peinigt, konnte ihrem Charme und schauspielerischen Können nicht widerstehen: „Im hausbackenen deutschen Film der fünfziger Jahre war sie so etwas wie eine exotische Zugabe. Sie brachte ihm einen Hauch von großer Welt, von Hollywood ein“, stand dort zu lesen.
Lilli Palmer, als Lilli Marie Peiser am 24. Mai 2014 im westpreußischen Posen (heute Poznan) geboren, wurde bereits mit vier Jahren zur Berlinerin. Ihr Vater, der Chirurg und Medizinalrat Dr. Alfred Peiser, war gerade mit der fünfköpfigen Familie in die Hauptstadt übergesiedelt und hatte dort die Stellung des Chefarztes am Jüdischen Krankenhaus angenommen. In ihrer Biografie „Dicke Lilli, gutes Kind“ beschreibt Lilli Palmer sich als freundliches, fügsames Mädchen, das aber immer schon seinen eigenen Kopf hatte. Und Lilli war fest entschlossen, Schauspielerin zu werden, ganz gegen den Willen des gestrengen Herrn Papa.
Die Machtübernahme 1933 durch die Nationalsozialisten bereitete Lillis Karriere ein jähes Ende. Mit einer ihrer beiden Schwestern floh sie zunächst nach Paris, wo das Duo als „Les Soeurs Viennoises“ durch Bars und schummerige Nachtlokale tingelte. Lillis nächste Station war London. Zuvor hatte sie sich in Palmer umbenannt, weil man diesen Namen im Ausland besser aussprechen konnte. In England standen der aparten Frau gleich alle Türen offen. Alfred Hitchcock engagierte sie vom Fleck weg für seinen Film „Geheimagent.“ Als sie 1943 den ebenso berühmten wie berüchtigten Mimen Rex Harrison heiratete, mit ihm nach Hollywood ging und später erfolgreich am New Yorker Broadway auftrat, schien ihr Glück vollkommen. Allerdings erwies sich Harrison als herzloser Snob, der alle Welt vor den Kopf stieß und Lilli hemmungslos betrog. Als dieser nach ihrer Scheidung in einem Londoner Restaurant von einem Kellner zu Boden geschlagen wurde, nachdem Harrison den Mann aufs Gröbste beleidigt hatte, befand Lilli amüsiert, dies sei der tollste Tag in ihrem ganzen Leben gewesen.
Lilli Palmer war vielleicht das beste Geschenk Nazideutschlands an Hollywood. Das Enfant Terrible des amerikanischen Films Orson Welles schwärmte: „Es ist nahezu unfair, das jemand, der so schön ist, auch noch so begabt ist!“ Mehr Lob geht nicht. Dennoch hob Lilli Palmer nicht ab. Sie war eine durch und durch geerdete Persönlichkeit, die ehrlich bekannte, dass ihr im Leben nichts geschenkt worden sei. „Alles, was ich kann, habe ich mir hart erarbeitet“, sagte sie. Mit Tränen sei sie mehr als einmal vom Schauspielunterricht nach Hause gekommen. Ihre Lehrerin, die seinerzeit berühmte Lucie Höflich, habe sie buchstäblich „total auseinander genommen und dann wieder zusammengenäht.“ Auch Charme müsse unter Schmerzen erworben werden. Zitat: Charme wächst wie die Perle aus einer Wunde, die sich langsam schließt.
Als Lilli Palmer 1954 aus ihrem Exil nach Deutschland zurückkehrte, wurde sie mit Rollenangeboten überschüttet. In so unterschiedlichen Filmen wie „Feuerwerk“, „Anastasia, die letzte Zarentochter“, „Lotte in Weimar“ und selbst in Fernsehserien zeigte sie das ganze Spektrum ihres Könnens. Dass sie nebenher noch die Zeit fand, Bücher zu schreiben, zu malen und ihren zweiten Ehemann, den eigenwilligen argentinischen Autor und Schauspieler Carlos Thompson, bei Laune zu halten, grenzt an ein Wunder.
„Lilli ist ein Musterbeispiel an preußischer Disziplin“, soll Maximilian Schell bewundernd geäußert haben, als die bereits schwer an Krebs erkrankte Mimin 1985 die anstrengenden Dreharbeiten zu ihrem letzten Film „Peter der Große“ absolvierte. Bereits am 27. Januar 1986 verstarb sie in Los Angeles.
Lilli Palmer wäre am 24. Mai dieses Jahres 100 Jahre alt geworden.