Von wegen aus Schaden wird man klug

erschienen in der PAZ

Von Dr. Manuel Ruoff

Nach Kohls schwarz-gelber plant nun auch Merkels schwarz-rote Koalition, Bundeswehrsoldaten nach Somalia zu schicken

Der Bundesrepublik und ihren Streitkräften scheint es verwehrt zu sein, aus Erfahrungen Lehren ziehen zu dürfen. Erst muss die Bundeswehr an der Seite der US-Armee nach Afghanistan, obwohl die Sowjets erst wenige Jahre zuvor und davor schon die Briten vorgemacht hatten, wie ausweglos der Versuch ist, den freiheitsliebenden Afghanen ein politisches System nachhaltig aufzuzwingen. Und nun sollen deutsche Soldaten nach Somalia, als wenn es die sogenannte Schlacht von Mogadischu vom 3. und 4. Oktober 1993 nicht gegeben hätte. Wohl nur die wenigsten werden die Bilder vergessen haben, als aufgebrachte Somalier getötete GIs halbnackt durch die Straßen ihrer Hauptstadt schleiften.

Und auch die Bundeswehr selber machte ihre leidvollen Erfahrungen. Somalische Verbrecher versuchten sich an Bundeswehreigentum zu vergreifen und als diese das mit ihrem Leben bezahlen mussten, zahlte die Bundesrepublik den Angehörigen auch noch Wiedergutmachung – damit ihre Soldaten weiterhin geduldet wurden. Mit einem blauen Auge kamen die Deutschen damals davon. Was sie zurückließen, war großenteils bereits kurze Zeit darauf vernichtet.

Und trotzdem soll die Bundeswehr wieder hin. „Wer Beirut mochte, wird Mogadischu lieben“, hatte schon vor dem ersten Somalia­einsatz der Journalist, Autor und damalige US-Botschafter in Nairobi, Smith Hempstone, gewarnt. Und kein verantwortlicher Politiker soll behaupten, er kenne nicht die Maxime der Somalier: „Ich und Somalia gegen die Welt; ich und mein Clan gegen Somalia; ich und meine Familie gegen unseren Clan; ich und mein Bruder gegen die Familie; ich gegen meinen Bruder.“

Es ähnelt schon einem Déjà-vu-Erlebnis, wenn man in einer Ausgabe der zu den Leitmedien gehörenden Zeitung „Die Zeit“ aus dem Jahre 1995 liest, wie damals völlig zu Recht der blauäugige Optimismus rückblickend kritisiert wurde, mit dem der Westen in den vorausgegangenen Soma­lia­einsatz gegangen war: „Es war die Zeit, in der man noch von einer neuen Epoche träumte, vom ,Ende der Geschichte‘, von jener New World Order, die George Bush erfunden hatte. Die Vereinten Nationen sollten zum Hüter der Demokratie und der Menschenrechte überall auf dem Globus werden. Kurzum: Man gab sich blühenden Allmachtsphantasien hin. … Dann kamen die Amerikaner. Ihr Wahlspruch: Was können ein paar zerlumpte Milizionäre schon gegen unsere Marines und Kampfhubschrauber ausrichten? ,Es sah einfach nicht so aus, als wäre es ’ne große Sache‘, erinnert sich Keith Richberg, der zwei Jahre für die Washington Post aus Somalia berichtete.“

Und als wenn nichts gewesen wäre, wird heute mit demselben blauäugigen Optimismus erneut versucht, die Deutschen in den somalischen Bürgerkrieg zu verwickeln. Man fragt sich wirklich: Ist das Dummheit oder Volksverdummung?

Der noch größte Unterschied zwischen dem damaligen und dem nun geplanten Somaliaeinsatz besteht darin, dass wir es diesmal weniger mit Washingtoner als mit Brüsseler Allmachtsphantasien zu tun haben. Wie Mali und Zentralafrika war auch das heutige Somalia noch bis in die Nachkriegszeit hinein Kolonialgebiet heutiger EU-Partner. Im Gegensatz zu den erstgenannten Staaten war Somalia jedoch zwischen mehreren Kolonialmächten geteilt – was nicht unbedingt geeignet war, die Ausbildung einer gemeinsamen Identität der Somalier zu befördern. Zudem leben auch noch viele Somalis außerhalb der Grenzen der Bundesrepublik Somalia, was die Beziehungen zu den Nachbarstaaten nicht gerade erleichtert, vielmehr deren Bestrebungen fördert, sich in die internen Streitigkeiten der Somalier einzumischen.

Im Afrikanischen Jahr 1960 wurden Britisch-Somaliland und Italienisch-Somaliland wie viele andere Kolonien des Schwarzen Kontinents in die Unabhängigkeit entlassen. Aus ihnen entstand die heutige Bundesrepublik Somalia. Weitere von Somalis bewohnte Gebiete in Kenia, Äthiopien und Dschibuti blieben außen vor.

Korruption und Vetternwirtschaft kennzeichneten die erste, demokratische Periode der Republik. Sie endete 1969, als der damalige Präsident einem tödlichen Attentat zum Opfer fiel und sich anschließend sowjetfreundliche Militärs an die Macht putschten. Neuer starker Mann wurde der Offizier Mohamed Siad Barre. Seine anfänglich guten Beziehungen zur Sowjetunion kühlten sich ab, als er 1977 den Äthiopischen Bürgerkrieg als Gelegenheit betrachtete, den Nachbarn anzugreifen, um diesem dessen mehrheitlich von Somalis bewohnte Region Ogaden zu entreißen. Die Sowjetunion hielt zum neuen sozialistischen Regime im vormaligen Kaiserreich und Somalia näherte sich dem Westen an. Die Niederlage im sogenannten Ogadenkrieg und die schwindende Bedeutung Somalias für den Westen im Angesicht des Endes des Kalten Krieges kosteten den somalischen Diktator schließlich 1991 die Macht. Der Soldat und Politiker, dessen Name für viele Deutsche nach der Entführung der „Landshut“ lange Zeit positiv besetzt war, floh und hinterließ ein im Bürgerkrieg versinkendes Land.

1992 griffen die UN und die USA in den Bürgerkrieg ein. Ein Jahr später folgte die Bundeswehr mit dem Deutschen Unterstützungsverband Somalia. Die „Schlacht von Mogadischu“ wirkte jedoch nicht nur auf die US-amerikanische Bevölkerung ernüchternd. 1994 verließ ein Großteil der UN-Truppen Somalia, darunter auch die deutschen. 1995 wurde die UN-Mission offiziell beendet.

Rund zwei Jahrzehnte später scheint es nun wieder loszugehen. Diesmal allerdings nicht im Rahmen einer UN-, sondern einer EU-Mission. Warum sollten von den ehemaligen Besatzungsmächten der Bundesrepublik auch nur die Amerikaner Zugriff auf deren militärische Ressourcen haben?