Verlöschendes Licht

Von Dr. Manuel Ruoff

Das Ende der letzten Deutschen Kaiserin – Vor 90 Jahren starb Auguste Viktoria

Neben der legendären Königin Luise zählt Auguste Viktoria wegen ihres sozialen und kirchlichen Engagements sowie ihrer fürsorglichen Art zu den beliebtesten Landesmüttern Preußens. Am 11. April 1921 starb die letzte preußische Königin im niederländischen Exil im Haus Doorn.

Wenn Auguste Viktoria auch unpolitischer war als Luise und weniger Einfluss auf die Politik des Königs und damit des Landes nahm, so gibt es doch bemerkenswerte Gemeinsamkeiten. Beide Frauen erfreuten und erfreuen sich einer breiteren Akzeptanz als ihre Ehemänner. Und dennoch bewunderten beide ihre Männer und standen zu ihnen in Treue fest. Dem Tode beider ging eine schwarze Stunde der Hohenzollerndynastie voraus. Bei Luise war es der Vierte Koalitionskrieg mit der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt sowie dem Tilsiter Frieden, dem die Besatzungsherrschaft der Franzosen folgte. Bei Auguste Viktoria war es der Erste Weltkrieg mit der Novemberrevolution, dem die Herrschaft der Revolutionäre beziehungsweise Republikaner folgte.

Auguste Viktorias Krankengeschichte begann jedoch nicht erst mit den Belastungen des Ersten Weltkrieges und dessen Folgen. Schon vor dem Kriegsausbruch hatte die Gesundheit der Monarchin Anlass zu Befürchtungen gegeben. Das lag außer an ihrem schwachen Herzen an ihrer chronischen Selbstüberforderung, resultierend aus dem großen Pflichtbewusstsein der Landesmutter. Ihr Mann hielt ihr fehlende Tageseinteilung vor. Während er selber eine genaue Zeiteinteilung mit Arbeitszeiten, aber auch mit Ruhezeiten gehabt habe, habe sich seine Frau immer im Dienst gesehen. Immerfort habe sie Empfänge abgehalten, jeder hätte zu jeder Zeit zu ihr kommen können.

Im August 1918 erlitt Auguste Viktoria einen Schlaganfall. Sie dämmerte vor sich hin. Nur langsam wichen die Sehstörungen, bildeten sich die Ödeme zurück. Alle waren sich einig, dass nun Ruhe geboten war.

Aber diese Ruhe hatte Auguste Viktoria nicht. Unruhige Monate und Jahre lagen vor ihr. Die Kriegslage verschlechterte sich und die Novemberrevolution ließ sie um Leib und Leben ihres Mannes und ihrer Familie fürchten. Am 28. November 1918 war sie mit ihrem Ehemann wieder vereint, wenn auch im Exil. Die Trennung von der geliebten Heimat traf sie schwer.

Nach dem Umzug ins Haus Doorn im Jahre 1920 verschlechterte sich der Gesundheitszustand. Ihre Räume im ersten Stock des Hauses verließ sie kaum noch. Der Besuch ihres Lieblingssohnes Joachim kurze Zeit nach dem Umzug hellte zwar ihre Stimmung kurzfristig auf. Aber als Viktoria Luise ihren Bruder im März 1920 ablöste, sagte ihr der Leibarzt ihrer Mutter: „Ihre Majestät hatte vorgestern einen Anfall von Herzkrampf … Ich hoffe, dass wenn nicht unvorhergesehene Störungen eintreten, die Besserung gute Fortschritte machen wird.“

Eine unvorhergesehene Störung trat jedoch bereits wenige Monate später mit dem Selbstmord Joachims am 18. Juli 1920 ein. Inwieweit die Mutter die ihr zur Schonung erzählte Mär vom Jagdunfall in Zweifel gezogen hat, wird wohl im Dunkeln bleiben, doch lässt ihr überlieferter Satz „Wenn ich dagewesen wäre, dann wäre das nicht geschehen“ Böses ahnen. Jedenfalls verfolgte die Mutter der Tod ihres jüngsten Kindes bis in den Schlaf.

Ausgerechnet an ihrem 62. Geburtstag, dem 22. Oktober 1920, erlitt Auguste Viktoria beim Frühstück einen Schwächeanfall, von dem sie sich nicht mehr erholte. Es begann ein etwa halbjähriges Siechtum. Ende November/An­fang Dezember steigerte sich die Herzinsuffizienz mit kaum fühlbarem Puls und zunehmender Verwirrung. Auguste Viktoria wusste um ihren Gesundheitszustand. Sie selbst betrachtete sich als „verlöschendes Licht“ und von ihr ist der Satz überliefert: „Liebe Kinder … Ihr könnt doch nicht verlangen, dass ich diese Schmerzen länger aushalte. Ihr müsst verstehen, dass ich von Euch gehe.“ Am 29. November nahm sie von allen Abschied.

Zum Jahreswechsel wurden die durch Herzkrämpfe bedingten Atemnotsanfälle intensiver. Verschlechtert wurde der Zustand durch zu geringe Nahrungsaufnahme. Ab dem 3. Februar 1921 bekam Auguste Viktoria Morphium. Ende März verschlechterte sich der Zustand so sehr, dass Friedrich Kraus aus Berlin gerufen wurde. Nach dem Schlaganfall vom August 1918 hatte der Medizinprofessor an der Charité von einer „ernsten Mahnung“ gesprochen, sich strenge Schonung aufzuerlegen. Nun war es zu spät. Er konnte nur noch den Tod für die nächsten Tage prognostizieren.

Über diesen schrieb der behandelnde Arzt: „Um 5 Uhr morgens wurde ich … gerufen, um bei der Umbettung behilflich zu sein. Die Kaiserin lag wie in den letzten Tagen ziemlich apathisch und gab nur bei dem Transport von einem Bett zum anderen ein leises Stöhnen des Unbehagens von sich. Als nach dem Umbetten die Kammerfrau sich über sie beugte, jetzt sei es doch sicher wieder ein behagliches und schönes Gefühl, öffnete sie ein wenig die Augen und ein leises Lächeln trat auf ihre Züge. Plötzlich hörte man ein eigenartiges kurzes schnappendes Armen, der Puls war kaum noch zu fühlen, auskultatorisch waren noch sehr schwache und beschleunigte Herztöne hörbar. Der Kaiser war … sofort … geholt worden … Beim Eintritt des Kaisers in das Krankenzimmer waren noch ein paar Herzschläge zu hören, kurz darauf hatte das Herz zu schlagen aufgehört. Der Tod erfolgte ganz sanft, im Schlafen. Die Augen blieben geschlossen und brauchten nicht zugedrückt werden. Es war 6.15 Uhr, als der Tod eintrat.“

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