Romantik pur – Mit dem Nostalgiebus die Romantische Straße erkunden

Dieser Artikel erschien bereits im Magazin „Sehnsucht Deutschland“ in der Ausgabe 2/12, in „Schleswig-Holstein am Sonntag“ am 7. Oktober 2012 und in der PAZ am 4. Mai 2013

Von Uta Buhr

Mit dem Nostalgiebus über die Romantische Straße

Die Romantische Straße ist die älteste und weltweit bekannteste deutsche Ferienstraße. Sie verläuft auf einer Gesamtlänge von 350 Kilometern zwischen Würzburg und Füssen, von den Weinlagen Mainfrankens bis zu den Königsschlössern am Fuße der bayerischen Alpen. Die Reise führt vorbei an stolzen Reichsstädten, prächtigen fürstlichen Residenzen,  herrlichen Kirchen und Meisterwerken des Barock.

Da lacht das Herz! Ein strahlend blauer Himmel wölbt sich über Würzburg.  Weinberge, soweit das Auge reicht. „Bereits Goethe schätzte unseren Rebensaft“,  erklärt Stadtführer Florian. Die barocke Pracht dieser heiteren Stadt an den Gestaden des Mains liebte er hingegen nicht. Der Olympier zog den Klassizismus vor. Sei’s drum. Seit den frühen Morgenstunden sind Touristen aus aller Welt auf den Beinen, um die prächtige Residenz zu besichtigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg buchstäblich aus Ruinen neu erstand. Die Tour beginnt im großartigen Treppenhaus, führt durch eine Flucht prunkvoller Repräsentationsräume und findet ihren Höhepunkt im Spiegelkabinett, dessen raffinierte venezianische Hinterglasmalerei den Besuchern bewundernde Ahs und Ohs entlockt. Ein Blick auf den Marktplatz mit der schlichten spätgotischen Marienkirche, die einen reizvollen Kontrast zum reichen Rokokostuck vom „Haus des Falken“ bildet, ein herzhafter Schoppen in einer der urigen Schänken am Flussufer, und auf geht’s mit unserem wunderbaren  Nostalgiebus der Marke Neopolan, Baujahr 1958, über die Frankenhöhe mitten hinein ins idyllische Feuchtwangen.

„Ein Gang durch’s Taubertal ist ein Gang durch die deutsche Geschichte, ein Gang durch das alte Reich“, schrieb 1865 der Kulturhistoriker  Wilhelm Riehl. Heute ist die Region das Herzstück der Romantischen Straße. Majestätisch thront das „fränkische Jerusalem“ über dem Tal der Tauber. Wir nähern uns Rothenburg  vom Südwesten und entdecken zuerst die wehrhafte Stadtmauer. Dahinter erhebt sich die märchenhafte Kulisse aus Türmen und Türmchen, Zinnen und mittelalterlichen Giebeln. Im prächtigen Rathaus locken Kaisersaal und Historiengewölbe. Hauptattraktion ist der „Meistertrunk“, der zu jeder vollen Stunde zwischen 11 und 15 Uhr am Giebel der einstigen Trinkstube dargestellt wird. Die Legende berichtet, dass Bürgermeister Nusch die Stadt im Dreißigjährigen Krieg vor der Plünderung rettete, indem er den Feldherrn Tilly  unter den Tisch trank. Ein absolutes Highlight ist der Rundgang mit dem Nachtwächter durch das nächtliche Rothenburg, der die wechselvolle Geschichte der Stadt zur Freude seiner Zuhörer mit allerlei drastischen Anekdoten würzt.

Aus der Zeit gefallen: Dinkelsbühl

Dinkelsbühl scheint völlig aus der Zeit gefallen zu sein. Eine intakte  Stadtmauer umschließt dieses Bilderbuchstädtchen, das kein Disneyland auch nur annähernd kopieren könnte. Wie es sich gehört, geht die Besichtigung rund um Münsterturm und Weinmarkt mit zwei PS im Planwagen über holperiges Kopfsteinpflaster vonstatten. Während einer Einkehr in ein gemütliches fränkisches Gasthaus erfahren wir bei Kaffee und Schneeballen, jener spritzgebackenen, zuckerbestäubten Spezialität der Region, dass Dinkelsbühl seine Unversehrtheit im Dreißigjährigen Krieg einem Musterbeispiel an Menschlichkeit  zu verdanken hatte. Eine Kinderschar, angeführt von der mutigen „Kinderlore“, trat dem marodierenden schwedischen Heer singend entgegen. Und diese Geste soll das Herz des Anführers so gerührt haben, dass er Dinkelsbühl verschonte. Heute noch wird die „Kinderzeche“ unter Mitwirkung der ganzen Stadt im Sommer regelmäßig aufgeführt. „Wenn ich ehrlich bin“, bekennt ein Mitglied unserer Reisegruppe, „gefällt mir Dinkelsbühl sogar noch besser als Rothenburg, weil es soviel intimer und auch echter ist.“ Und so klein, dass man dieses mittelalterliche Kleinod  locker in einer halben Stunde umrunden kann.

Noch winziger ist das am Ausgang des Herrgottstals gelegene Creglingen, das mit zwei erstaunlichen Sehenswürdigkeiten aufwartet. Der erst Mitte des 19. Jahrhunderts zufällig wieder entdeckte Marienaltar Tilman Riemenschneiders wurde in der gotischen  Herrgottskirche aufgestellt und schlägt seither Kunstfreunde aus aller Welt in seinen Bann. Nur einen Steinwurf entfernt lockt das einzigartige „Fingerhutmuseum“ mit Exponaten, die im wahrsten Sinne uralt sind. Das älteste zählt – man staune – 30.000 Jahre. Ein Tipp: Nehmen Sie sich die Zeit und lauschen Sie den spannenden Erzählungen des Inhabers, der sein staunendes Publikum darüber informiert, von welch großer Bedeutung Fingerhüte einst waren, als Leder und grobe Stoffe noch mit der Hand bearbeitet wurden.

Renaissance vom Feinsten: Schloss Weikersheim

Der Weg führt weiter in das quirlige, vom imposanten Deutschritterordensschloss beherrschte Bad Mergentheim. Ein Bummel über den Marktplatz, der durch seine um 1500 entstandene Reihe schmucker Fachwerkhäuser besticht, und schon geht die Tour weiter in Richtung Weikersheim. Der ehemalige Sitz der Fürsten von Hohenlohe zählt zu den schönsten Renaissanceschlössern Deutschlands. Beeindruckend der Rittersaal mit seinen Deckengemälden, von großem Reiz der Barockgarten.

Nördlingen begrüßt uns mit strahlendem Sonnenschein. Auch dies wieder eine Postkartenidylle mit einer fast vollständig erhaltenen Stadtmauer. Vom „Daniel“, dem 90 Meter hohen Glockenturm der spätgotischen Hallenkirche St. Georg genießt man einen herrlichen Blick auf die bewaldete Umgebung und den Rand des Rieskraters.

Auf unserer Reise  wechseln wir mühelos von einem Bundesland ins andere, von Bayern nach Schwaben und zurück.  Während der Fahrt  nach Augsburg, das in Bayerisch-Schwaben liegt, streifen wir Harburg, einen Marktflecken, über dem eine verwunschene Burg im Berghang nistet, die auf’s Haar dem Dornröschenschloss  der Brüder Grimm gleicht. Ohne Dornenhecke, aber mit flatternder Wetterfahne am Bergfried. Auch Donauwörth, die Heimat der Puppenmutter Käte Kruse, hat einiges an Kultur zu bieten – u.a.  die gotische Stadtpfarrkirche Mariä Himmelfahrt und das 1536 erbaute Fuggerhaus.

Nächste Station: Augsburg, eine der bedeutendsten Städte des einstigen Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Die  Augusta Vindelicorum  ging aus der 15  vor Christus gegründeten römischen Militärkolonie hervor und entwickelte sich rasch zu einem blühenden Gemeinwesen. Synonym für seinen Reichtum waren die Fugger, die mit merkantilem Geschick von einfachen Webern zu „global players“ der Renaissance wurden. Den Höhepunkt seiner Macht erreichte das Haus mit Jakob Fugger, genannt der Reiche (1459 bis 1525), der als Bankier des Habsburger Kaisers Maximilian fungierte und sogar dem Papst Geld lieh. Mit seiner „Fuggerei“ gründete Jakob 1521 die älteste Sozialsiedlung der Welt.  In den 67 Häusern fanden schuldlos in Not geratene Augsburger katholischen Glaubens  eine Bleibe gegen geringes Entgelt: Der Rheinische Gulden von Anno dazumal entspricht heute einem Gegenwert von 88 Eurocent pro Jahr!  Allerdings  sind  die Mieter nach wie vor verpflichtet,  täglich drei Gebete für den Stifter zu sprechen. Die „Fuggerei“ ist ein Schmuckstück. In den von wildem Wein umrankten Häuschen möchten gern viele Augsburger leben. Die Warteliste ist  lang. Weitere Glanzstücke der der Stadt sind das Rathaus mit dem gewaltigen Deckengemälde, die ehemalige Benediktiner Stiftskirche Sankt Ulrich und Afra sowie die evangelische Pfarrkirche Sankt Ulrich.

Heimstatt der Schwäne: Burg Hohenschwangau

Es ist früher Morgen. In der Ferne zeichnet sich die Silhouette der bayerischen Alpen mit ihren  weiß gepuderten Bergspitzen ab.  „Schaut’s mal nach oben“, fordert uns unser sonst so schweigsamer Fahrer Jürgen  auf. Gleich einer Fatamorgana schwebt Schloss Neuschwanstein über einem schroffen Felsen. Etwas tiefer gelegen  rücken die Zinnen von  Hohenschwangau in unser Blickfeld.  Später erklimmen wir  die Stufen zur Burg und lassen uns von den Bildern der Sagenwelt an den Wänden und den all gegenwärtigen Schwänen in Vasen, Kronleuchtern und Tafelaufsätzen  bezaubern. Ein paar Höhenmeter weiter eröffnet sich dem Besucher die Traumwelt  des „Kini“ im 30-Minuten-Takt einer Führung durch die Säle und Gemächer von Neuschwanstein, deren Opulenz manchen Besucher schier erdrückt.

Sie ist ein weiterer Superlativ auf unserer an kulturellen Höhepunkten überreichen Fahrt – die „Wieskirche“ bei Steingaden – die mit ihrem richtigen Namen „Wallfahrtskirche des gegeißelten Heilands“ heißt. Ihre Entstehungsgeschichte verdankt sie einer Bäuerin, die weiland auf den Wangen des  aus grobem Holz geschnitzten Heilands Tränen entdeckte. Rund um diese Figur entstand Mitte des 18. Jahrhunderts die ganz in Weiß und Gold gehaltene schönste Rokokokirche Deutschlands, die vor geraumer Zeit zum UNESCO-Weltkulturerbe geadelt wurde.

Füssen im Allgäu an den Ufern des Lech ist die letzte Station auf  der Romantischen Straße. Eine kurze Besichtigung der  Trompe-l’oeil-Malereien am Hohen Schloss, ein Gang über den historischen Brotmarkt, und wir befinden uns  auf der Straße in Richtung Norden.  Ein letzter  Blick auf das von der Abendsonne vergoldete Schloss Neuschwanstein und die bläulich schimmernden Bergspitzen der Alpen im Hintergrund – traumhaft!

Fazit: Ein Wermutstropfen mischt sich in die Erinnerungen an diese Reise. Sie war viel zu kurz. Ein guter Grund also, sie sobald wie möglich zu wiederholen.

www.romantischestrasse.de