Man nannte ihn »Mr. Jaguar«

erschienen in der PAZ

Von Dr. Manuel Ruoff

Ein kultivierter V12 klingt wie Musik.

Und wie ein Autohersteller sollte auch ein Dirigent Sinn für Ästhetik und Freude am Schönen haben. Vielleicht ist das das verbindende Element zwischen Vater und Sohn Lyons. Der am 4. September 1901 in Black­pool geborene Dirigenten- und Musikersohn William Lyons brachte eher durchschnittliche Noten nach Hause und seine beruflichen Anfänge zeugen nicht gerade von Zielstrebigkeit. Im Motorradsport war er jedoch mit seiner Harley Davidson erfolgreich und nach Erreichen der Volljährigkeit gründete er mit dem acht Jahre älteren William Walmsley und der Unterstützung der beiden Väter die Swallow Sidecar Company, um Motorradbeiwagen her­zu­stellen. Später kamen Autokarosserien hinzu.
Schon damals liebte Lyons, was die größte Katze des amerikanischen Doppelkontinents, aber auch Jaguar-Modelle wie den E-Type oder die legendären XJ auszeichnete. Lang und schlank in der Silhouette sollten sie sein. Da die Großserienhersteller entsprechende Chassis nicht im Segment hatten, überredete Lyons den Geschäftspartner Standard, selbige extra für ihn zu produzieren. Da keine Einigung darüber erzielt werden konnte, ob das Gemeinschaftsprodukt nun „Swallow-Standard“ oder „Standard-Swallow“ heißen solle, lautete der salomonische Kompromiss „SS“. Ausgerechnet im Jahr der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde die ursprüngliche Markenbezeichnung zum Firmennamen. Lyons gründete die SS Cars Ltd. Ein Jahr später verließ Wamsley die Firma. Die Flugzeugfirma Armstrong-Sideley überließ SS Cars den Namen „Jaguar“ für deren Automobile. Nach dem Zweiten Weltkrieg dachten viele bei „SS“ eher an die deutsche Schutzstaffel der Nationalsozialisten als an den britischen Autoproduzenten und deshalb erhielt SS Cars 1945 seinen heutigen Namen: „Jaguar Cars“.
Es folgten goldene Jahrzehnte für Jaguar. 1961 stellte Lyons, mittlerweile geadelt, den wohl bekanntesten Jaguar auf dem Genfer Auto-Saloon vor: den E-Type. Unter der nicht enden wollenden Motorhaube arbeitete ab 1971 das nicht weniger legendäre V12-Aggregat. Eingang fand die Zwölf-Zylinder-Maschine auch in die wohl bekannteste Familienlimousine des Unternehmens, den 1968 vorgestellten XJ.
1960 übernahm Jaguar Cars die Daimler Motor Company, was die Familienähnlichkeit zwischen deren Produkten erklärt. 1966 fusionierten Jaguar Cars und die British Motor Corporation zu den British Motor Holdings, die sich wiederum 1968 mit Leyland Motors zu der British Leyland Motor Corporation, später nur kurz British Leyland, zusammenschlossen.
Diesem Sammelsurium war nur eine kurze Existenz beschieden. Premier Harold Wilson von der Labour Party rettete es 1975 durch Verstaatlichung vor dem Bankrott und in der Ära der konservativen Premierministerin Margaret Thatcher wurde es wieder entflochten und reprivatisiert.
Aber da stand Lyons schon nicht mehr bei Jaguar auf der Kommandobrücke. Zuletzt als Aufsichtsratsvorsitzender und Geschäftsführer das Kommando führend, ging Lyons 1972 in den Ruhestand. Der Ritter starb am 8. Februar 1985 auf seinem Gut Wappenbury Hall in Warwickshire.