Friedrich Althoff: „Bismarck des Hochschulwesens“

erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff

Friedrich Althoff trug maßgeblich zu den wissenschaftlichen Erfolgen des wilhelminischen Deutschland bei

So wie Otto von Bismarck Deutschland zur führenden politischen und wirtschaftlichen Großmacht formte, trug Friedrich Althoff als „heimlicher Kultusminister Preußens“ mit dem nach ihm benannten „System Althoff“ dazu bei, dass das Land auch auf dem Gebiete der Wissenschaft zur führenden Großmacht wurde.

Statt als Bismarck könnte man Friedrich Althoff auch als „Schmidt des Hochschulwesens“ bezeichnen und damit den Kulturpolitiker und -beamten mit einem anderen deutschen Kanzler vergleichen. Dieser Vergleich bietet sich vor allem mit Helmut Schmidts Wirken als hamburgischer Innensenator beziehungsweise Senator der Polizeibehörde während der Hamburger Flut von 1962 an, als sich der SPD-Politiker das Image des „Machers“ erwarb. Die Ähnlichkeiten und Analogien gehen bis ins Detail. Schmidt war 1962 „nur“ Innensenator, stellte den ihm vorgesetzten Senatspräsidenten Paul Nevermann jedoch in den Schatten. Althoff war 1897 bis 1907 „nur“ Ministerialdirektor, galt aber während seiner Amtszeit als „heimlicher Kultusminister Preußens“. Auch gingen beide Männer unbürokratisch vor und scheuten das Überschreiten von Ressortgrenzen nicht. Dabei kompensierten beide Männer ihren Mangel an amtlichen Kompetenzen außer durch notfalls auch rücksichtslose Entschlossenheit durch persönliche Beziehungen zu und daraus resultierende Einflussmöglichkeiten auf Personen, denen sie von Amts wegen nichts zu sagen hatten. Schmidt konnte dabei auf Kontakte mit militärischen Stellen der Bundesrepublik und der Nato-Partner aus seinem vorangegangenen bundespolitischen Engagement zurückgreifen. Althoff hingegen mag seine Herkunft aus dem Rheinland mit dessen Klüngelwirtschaft beim Netzwerken zugute gekommen sein.

Im Gegensatz zu vielen Angehörigen des Klüngels war Althoffs Integrität jedoch über jeden Zweifel erhaben. Statt eigener Interessen verfolgte der zwar pragmatisch handelnde, aber idealistisch denkende Preuße höhere Ziele. Der Patriot wollte sein Vaterland auch auf dem Gebiete der Wissenschaft zur führenden Großmacht machen und durch die Schaffung einer leistungsfähigen Akademikerschaft dem Gemeinwohl dienen. Rück­blickend ist festzustellen, dass dem in vieler Hinsicht modernen Wissenschaftsmanager dieses in hohem Maße gelungen ist.

Anders als Schmidts Wirken während der Sturmflut 1962 war dasjenige Althoffs jedoch bei seinen Zeitgenossen nicht unumstritten. Das mag auch daran liegen, dass ein autokratischer Führungsstil in Notzeiten eher akzeptiert wird als in normalen. Während Althoff als Mensch und seine Ziele durch die Bank gelobt werden, gilt dieses für das sogenannte System Althoff, „sein fast diktatorisches Regiment über die preußische Gelehrsamkeit“, um es mit Friedrich Naumanns „Die Hilfe“ zu sagen, mit denen er diese Ziele zu erreichen trachtete, weniger. Es geht dabei um die bis heute aktuelle Grundsatzfrage, ob der Erfolg Recht gibt und der Zweck die Mittel heiligt. Das ist eine Frage, die übrigens auch Bismarck mit seiner Indemnitätsvorlage aus dem Jahre 1866 aufwarf, eine kontroverse Frage, über deren Beantwortung sich der preußische Liberalismus aus Uneinigkeit gespalten hat.

24 Jahre nach Bismarck und 79 Jahre vor Schmidt, am 19. Februar 1839, kam Friedrich Theodor Althoff in Dinslaken am Niederrhein zur Welt. Sein Vater war preußischer Domänenrat und auch er landete schließlich im Staatsdienst. Dem Abitur auf dem Gymnasium in Wesel im Jahre 1856 folgte ein Jurastudium in Bonn und Berlin. Dem Assessorexamen in Ehrenbreitstein mit der Note „sehr gut“ im Jahre 1867 folgte erst einmal eine Advokatentätigkeit und schließlich der Einsatz als Sanitäter im Deutsch-Französischen Krieg von 1871. Später sollte es von allen Wissenschaften noch vor den Naturwissenschaften vor allem die Medizin sein, die er als für das Hochschulwesen zuständiger Ministerialbeamter förderte.

Der Ausgang des Deutsch-Französischen Krieges führte zu neuen Planstellen für Deutsche in Elsass-Lothringen. Althoff wurde Verwaltungsbeamter im Reichsland und Franz Freiherr von Roggenbach zugeordnet, dessen Aufgabe es war, in der Hauptstadt des neuen Reichslandes eine Universität aufzubauen. Damit war Althoff in der Universitätspolitik gelandet – noch allerdings auf eine einzige Universität beschränkt.

1882 erweiterte sich Althoffs universitätspolitisches Betätigungsfeld von einer einzigen Hochschule auf ein ganzes Land. In jenem Jahr wurde er nämlich einer von 33 Vortragenden Räten im preußischen Kultusministerium. 1897 erreichte er mit der Beförderung zu einem der vier Ministerialdirektoren des Ministeriums den Endpunkt seiner Karriere. Von Anfang an war Althoff in dem Ministerium für das Hochschulwesen zuständig. Mit der Beförderung zum Ministerialdirektor kam das höhere Schulwesen hinzu, so dass nun auch die Ausbildung der zukünftigen Elite vor deren Abitur in seine Zuständigkeit fiel.

Wenn Althoff auch nie Minister und auch nie in den Adelsstand erhoben wurde, so bildete doch Wilhelm II. einen festen Bestandteil seines Netzwerkes. Der Kaiser und König sprach vom „genialen Ministerialdirektor“ und gewährte diesem das direkte Vortragsrecht, was für einen Beamten dieser Position ungewöhnlich war. Möglicherweise schwang beim Herrscher auch Bewunderung oder Seelenverwandtschaft mit. Denn es gab, um es mit Theodor Mommsen zu sagen, ein „persönliches Regiment“ Althoffs, und genau das hatte dem Hohenzollern ja bei seiner eigenen Regierungsübernahme vorgeschwebt.

Angesichts der Wertschätzung, die Althoff bei höchsten Stellen genoss, wurde versucht, ihn so lange als möglich im Amt zu behalten. Er galt als unersetzbar. Allerdings musste auch er der Natur Tribut zollen. Im 69. Lebensjahr stehend, trat der zwar pflichtbewusste, aber seit 1905 kränkelnde Preuße am 1. Ok­tober 1907 in den Ruhestand. Bereits ein gutes Jahr später, am 20. Oktober 1908, beendete ein Blutsturz sein erfülltes Leben.