Erde zu Erde – ein Krimi

Von Uta Buhr

Zur Entspannung schreibt mancher Journalist gern mal einen Krimi. Wenn er dann auch noch gedruckt wird, umso besser. So geschehen in der Fernsehzeitschrift FUNKUHR, Ausgabe 43/2011

Uff, endlich geschafft! Ingo Meister  schlug den Deckel des Eichensarges zu. Es war schon ein Stück Arbeit gewesen, Ilonas leblosen Körper die steile Kellertreppe hinauf zu schleppen, zumal ihre linke Hand sich immer wieder im Geländer verfing. Und richtige Maßarbeit, Ilona  unter den massigen Leichnam des verblichenen Rudolf Schickle zu schieben. Ingo wischte die Schweißperlen von seiner Stirn und gönnte sich einen großen Schluck eiskaltes Bier. Danke, Ilona, sagte er laut und lachte höhnisch, dass du noch heute Morgen ein paar Fläschchen in den Kühlschrank gestellt hast, und hob sein Glas. Aber das Prosit erstarb ihm auf den Lippen, als er sich an das Geräusch von Ilonas splitternden Knochen auf dem Steinboden erinnerte. Grauenvoll. Doch er fing sich schnell wieder und dachte an Ilonas Vermögen, das ihm zufallen würde. „Du wirst reich durch die Leich’“, summte er, als er sich später wohlig in der Badewanne räkelte.

 

„Wo ist denn die Chefin“, wunderte sich Willi Beyer, als er am nächsten Morgen das Beerdigungsinstitut Ilona Meister betrat. „Sie ist seit gestern verschwunden. Ich habe schon die Polizei verständigt. Aber die sagte, es sei noch zu früh für eine Suchaktion.“ Ingo setzte seine überzeugendste Trauermiene auf. Tränen rannen über sein Gesicht. Willi tätschelte ihm betroffen die Schulter und murmelte, Ilona würde sicherlich bald wieder auftauchen. „Es nützt alles nichts, wir müssen uns beeilen. Heute Mittag findet die Bestattung von Schickle statt“, seufzte Ingo und wies seinen Mitarbeiter an, den Sarg abholen zu lassen.

 

Die Trauerfeier in Kapelle 12 war ergreifend. Die Familie Schickle hatte keine Kosten gescheut. Der Sarg verschwand unter einem Meer herbstlicher Blumen. Dazwischen leuchteten weiße Lilien und langstielige Rosen. Die Witwe Melanie Schickle im eleganten schwarzen Designerkostüm betrat, gestützt von ihrem Schwager, die Halle, als der Organist auf der Empore gerade zu Bachs berühmter Toccata und Fuge ansetzte.

 

Vor der Kapelle trat Ingo Meister nervös von einem Fuß auf den anderen. Zu dumm, dass Schickle testamentarisch auf einer Erdbestattung bestanden hatte. Eine Verbrennung hätte alle Spuren auf einen Schlag beseitigt. Keine Leiche, kein Mord. Als aber die Türen sich öffneten und der Sarg hinaus zur Familiengruft getragen wurde, fühlte er sich auf einmal ganz leicht. Was für ein Leben wartete auf ihn. Er würde die ganze Welt bereisen. Als erstes aber zum Badeurlaub nach Acapulco… Die sonore Stimme eines Mannes im grauen Anzug ließ ihn und Melanie Schickle erstarren. „Gnädige Frau, ich bin Inspektor Nielsen“, stellte er sich vor. „Wir müssen den Sarg beschlagnahmen. Uns ist ein anonymer Hinweis zugegangen, der besagt, Ihr Mann sei keines natürlichen Todes gestorben ist.“

 

Was für ein sensibler Mensch dieser Beerdigungsunternehmer doch war, wunderte sich der Inspektor auf dem Weg ins Gerichtsmedizinische Institut. Zusammen mit der Witwe war der Mann in Ohnmacht gefallen. Und um ein Haar wären beide in der frisch ausgehobenen Grube gelandet.