Die Satanischen Verse/Liebeskonzil – Wortgefechte

Eine Kritik von Ariane de Melo

Über einen gefallenen Engel und das Übel, das er nicht allein verursacht.

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In der dynamischen Inszenierung von Regisseurin Konstanze Ullmer springen die Schauspieler – Stephan Arweiler, Jasmin Buterfas, Lars Ceglecki, Sandra Kiefer, Thomas Krecker, Ines Nieri und Tom Pidde – gekonnt durch die Geschichten und ihre zahlreichen Figuren. Sie bringen dabei das Publikum dazu, Tränen zu lachen und beweisen damit sowohl Wandelbarkeit als auch Ausdauer. Hierfür ein großes Lob.
Der Stoff ist komplex und der schwer erkennbare rote Faden fordert volle Konzentration; insbesondere, wenn man wenig Kenntnis von den beiden Weltreligionen hat. Das Stück bleibt aber insgesamt verständlich, auch wenn es an einigen Stellen etwas verwirrend sein kann.
Die Erzählung teilt sich zwischen dem Schicksal von Saladin (Lars Ceglecki) und Gibril (Tom Pidde), nach einem Flugzeugabsturz (Die Satanischen Verse), und der göttlichen Hilflosigkeit im Himmel (Das Liebeskonzil).
Selbstverständlich saß ich im Theater genau weil das Stück so hieß. Denn ich ziehe es vor, meine Höllen selbst zu gestalten. Die übrigen müssen also zwangsläufig spaßig sein. Vor der Aufführung erklärte Andreas Lübbers (Gründer des Theaters und Autor dieser Bühnenfassung) die Hintergründe der Kollage. Als ich hörte, dass die Autoren der Werke, auf denen das Stück basiert, für ihre Satiren verurteilt wurden – von denen einer sogar noch lebt – wurde ich ganz aufgeregt. Meine abenteuerlichen Zellen hüpften vor Glück. Das ich so etwas in unserem „Neuzeit-Mittelalter-des-Politisch-Korrekten“ doch noch erleben durfte, war fast zu viel für mein freiheitliebendes Herz.
Während Gibril und Saladin auf der Erde mit wundersamen Ereignissen nach dem Terroranschlag klarkommen müssen, beklagt sich Gottvater (Tom Pidde) über sein stark missratenes Werk: nämlich uns. Der leicht debile Jesus (Stephan Arweiler), Gottvater höchstpersönlich und die herrische Jungfrau Maria (Jasmin Buterfas) bitten den Teufel (Lars Ceglecki) um Hilfe; sie wollen den Menschen eine Lektion erteilen, ihre Seelen aber müssen erlösbar bleiben.
Beide Autoren wagten es, den Dogmatismus ihrer Religionen auf eine kluge, witzige und scharfe Art und Weise in Frage zu stellen. Salman Rushdie wurde für „Die Satanischen Verse“ mit dem islamischen Todesurteil bedacht; Oskar Panizza musste für sein blasphemisches „Das Liebeskonzil“ ins Gefängnis. Das Sprechwerk brachte gleich beide Werke gemeinsam auf die Bühne; gestrafft, miteinander verwoben. Das Ergebnis dieser Arbeit ist ein mehr als angenehmer Abend, der hoffentlich auch zum Nachdenken anregt.
PlakatSatan ist das Abbild des Bösen; das weiß jedes Kind. Wehe befolgt man die Zehn Gebote nicht, da lauert er schon an der Tür – wie eine Klatschbase , nur um dich am Fuße zu packen und dich mit in die Hölle zu nehmen; als hätten Unsterbliche nichts Besseres zu tun, als uns Menschen, sei es mit Segen oder Flüchen, rundum zu versorgen.
Mit seinem von heidnischen Göttern geklauten Aussehen und seinem schönen – und ebenfalls geklauten – Namen, stellt Luzifer den perfekten Sündenbock für die Menschheit dar. Egal was wir tun, wir dürfen es immer auf den Teufel schieben. Eine Kreatur ohne jegliches Recht auf Individualität, von uns als Prügelknabe missbraucht, jedes Mal, wenn wir wieder Mal erfolglos waren. Bemitleidenswert. Ich muss gestehen, wäre ich der Teufel, wäre ich auch von etwas zickigerem Gemüt.
Eigentlich wissen wir das alles; nichtsdestotrotz erreichen das Hamburger Sprechwerk, wöchentlich, Emails von besorgten Zuschauern, die sich davor fürchten die Szenen-Kollage „Die Satanischen Verse/Liebeskonzil“ anzuschauen auf Grund ihres Titels. Als wäre es eine Gefahr. Das im Mitteleuropa des 21. Jahrhunderts.
Dabei geht es hierbei weder um Teufelsbuhlschaft noch um Hass gegen den Glauben, sondern um eine gesunde Kritik gegen eine gesellschaftliche Bequemlichkeit, die schädlich ist. Wir machten unsere selbst erfundenen Deutungen für das Unerklärliche zu einer absoluten Wahrheit, meinen damit über andere richten zu dürfen, und vergessen dabei, dass die Menschen ganz allein für ihre Taten verantwortlich sind. Auch für ihre Gottheiten. Insbesondere für ihre Gottheiten.
Ob Götter die Menschen erfanden oder umgekehrt werden wir erst nach dem Tod erfahren. Oder auch nicht. Bis dahin sollten wir weiterhin kritisch damit umgehen können, ohne einen Aufschrei, der in unsere Zeit nicht mehr hineinpasst. Das Stück „Die Satanischen Verse/Liebeskonzil“ ist ein hervorragender Anlass damit anzufangen.
Also, Gehirn entstauben und nichts wie hin.
Weitere Vorstellungen: 02.12.2015, um 20Uhr
Mehr Informationen auf: www.hamburgersprechwerk.de