Von Dr. Manuel Ruoff
Mit Władysław II. begann die polnisch-litauische Personalunion
Der Staat des Deutschen Ordens galt einst als unbesiegbar. Sowohl sein polnischer als auch sein litauischer Nachbar erwiesen sich ihm auf sich gestellt als unterlegen. Der schon damals in Polen starke Adel strebte deshalb ein Zusammengehen der beiden Nachbarn des Ordensstaates an. Hierzu zwang er seine Königin Hedwig, den litauischen Großfürsten Jogaila, den die Polen Jagiełło nennen, zu ehelichen, um so eine Personalunion zu begründen. Nach der Eheschließung wurde Jogaila am 4. März 1386 in Krakau als Władysław II. zum König gekrönt, eine polnisch-litauische Personalunion war hergestellt.
Die Rechnung des polnischen Adels ging auf. Den vereinten Kräften Polens und Litauens zeigte sich der Deutschordensstaat nicht gewachsen. Der Niederlage von Tannenberg von 1410 folgten weitere, die dazu führten, dass der Deutschordensstaat beziehungsweise sein Nachfolger, das Herzogtum Preußen, spätestens 1525 mit dem Vertrag von Krakau polnisches Lehen wurde. Zu der Zeit stand an der Spitze Polens und Litauens mit Sigismund dem Alten noch immer ein Jagiellone. Władysław II. war es gelungen, eine polnisch-litauische Dynastie zu begründen
Erst mit Sigismunds Sohn Sigismund II. August bricht die Jagiellonenherrschaft ab. Um ein Machtvakuum oder gar ein Ende der polnisch-litauischen Union nach dem Tode des kinderlosen Königs und Großfürsten zu verhindern, wird noch zu seinen Lebzeiten die Personalunion in eine Realunion umgewandelt mit dem polnisch-litauischen Adel als neuer starker Kraft. 1569 beschloss der von Sigismund II. August nach Lublin einberufene Sejm die Umwandlung des Königreiches und des Großfürstentums in eine polnisch-litauische Rzeczpospolita (Republik). Angesichts der Bedeutung des Adels in diesem Staate spricht man ungeachtet des Königs an seiner Spitze von einer Adelsrepublik.
Die Umwandlung der Personal- in eine Realunion mit Litauen bedeutete zweifelsohne eine Stärkung Polens und mancher polnische Nationalist trauert noch heute der Union nach. Andererseits bedeutete das vom Sejm für Polen-Litauen beschlossene Wahlkönigtum ein Risiko für den staatlichen Zusammenhalt und die Unabhängigkeit vom Ausland. Kaum ein Leser kann das besser nachvollziehen als der deutsche im Angesicht der Erfahrungen der eigenen Nation mit dem Wahlkönigtum im Heiligen Römischen Reich. Und in der Tat ermöglichte die Wahl des Königs im Zusammenspiel mit der starken Stellung des Adels dem Ausland Einflussmöglichkeiten, die maßgeblich zum Ende der Rzeczpospolita in den sogenannten drei polnischen Teilungen bis 1795 beitrugen.
Trotzdem wird die Rzeczpospolita wie überhaupt die mit dem Sieger von Tannenberg begonnene polnisch-litauische Union in der Nationalgeschichtsschreibung Polens positiv beurteilt. Władysław II. ziert die aktuelle 100-Zloty-Banknote, die Anhänger des polnischen Nationalhelden und Staatschefs Zwischenkriegspolens Józef Piłsudski nannten sich Jagiellonen, und sowohl der polnische Staat der Zwischenkriegszeit als auch der heutige stellen sich als Zweite beziehungsweise Dritte Rzeczpospolita in die Tradition der vor 625 Jahren mit der Herrschaft des Königs Władysław II. begonnenen polnisch-litauischen Union.