Das Brandenburger Tor – Erstmals mit dem Eisernen Kreuz

erschienen in der PAZ

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 200 Jahren wurde das Brandenburger Tor in seiner heutigen Form der Öffentlichkeit vorgestellt

Mit oder ohne Eisernes Kreuz? Diese Frage spaltete zeitweise die Deutschen. Das SED-Regime ließ das Kreuz wie auch den Preußenadler von der Quadriga entfernen, nach der kleinen Wiedervereinigung kehrten sie zurück. Vor zwei Jahrhunderten wurden die beiden Symbole erstmals mit der Quadriga des Brandenburger Tores verbunden.

In einem Tiefpunkt preußischer Geschichte, der Phase napoleonischer Fremdherrschaft, erwachsen erst Preußen und später auch Deutschland zwei identitätsstiftende Symbole, die mehr oder weniger bis in unsere Gegenwart Bestand haben. Da ist zum einen das Brandenburger Tor. Dieses Tor gibt es schon seit 1791, aber erst durch den Raub der Quadriga durch Napoleon nach dem Vierten Koalitionskrieg von 1806/07, der die Figurengruppe als Kriegsbeute in seine Hauptstadt verbrachte, gewann es seine heutige Bedeutung. Der aus dem Mauerwerk senkrecht wie ein mahnender Finger gen Himmel weisende nackte eiserne Halterungsstab, an dem die Quadriga vormals befestigt gewesen war, führte den Verlierern ständig den Verlust vor Augen und wirkte wie ein Dorn im Fleische der Gedemütigten.
Das andere neue Symbol war das Eiserne Kreuz. Es griff zwar auf das Wappen des Deutschen Ordens zurück, war aber im Gegensatz zum Brandenburger Tor ein Produkt der napoleonischen Zeit. Ähnlich wie das Brandenburger Tor mit seinem nack­ten Eisendorn war auch das Eiserne Kreuz symptomatisch für die Schwere der Zeit. Statt aus Edelmetall und mit Edelsteinen besetzt war es schlicht und wie der Name schon sagte aus vergleichsweise billigem unedlem Metall. Schnell entwickelte der Orden eine über seinen eigentlichen Zweck hinausgehende Bedeutung. Etwas despektierlich sprechen die Historiker Michael S. Cullen und Uwe Kieling von einer „zeitgenössischen rigorosen ,Vermarktung‘. Es zierte Gebrauchs- und Schmuckporzellan, Denkmale, Grabstätten und Truppenfahnen. Das Schinkelsche Kreuzbergdenkmal, das Grabmal Scharnhorsts auf dem Invalidenfriedhof, das Denkmal für Blücher unter den Linden, die Erzeugnisse der KPM – ohne Eisernes Kreuz sind sie nicht denkbar.“
Angesichts dessen kam die Idee auf, die geraubte Quadriga auf dem Brandenburger Tor durch ein Eisernes Kreuz zu ersetzen. So politisch verständlich diese Idee ist, so ästhetisch abstoßend ist sie. Karl Friedrich Schinkel, von dem die künstlerische Ausführung des 1813 durch Fried­rich Wilhelm III. gestifteten Eisernen Kreuzes stammte, war Ästhet genug, eine maßlos überdimensionierte Ausführung seines Werkes, ein „colossales Eisernes Kreuz“ auf dem Brandenburger Tor als „Vandalismus“ abzulehnen und begründete dieses fachmännisch: „Ein Kreuz als ein in einem einzigen Begriff abgeschlossener, keiner unendlichen Ausbildung fähiger Gegenstand kann ebensowenig als etwa ein Quadrat oder ein Dreieck zu einem Kunstwerk erhoben oder mit einem vorhandenen Kunstwerk … verbunden werden.“
Die Idee eines Eisernen Kreuzes als Ersatz für die Quadriga erübrigte sich, als die Figurengruppe vier Tage nach dem Fall von Paris gefunden wurde und wieder in den Besitz ihres Eigentümers geriet. Die neu gewonnene politisch-symbolische Bedeutung der Quadriga über Preußens Grenzen hinaus spiegelte sich in ihrer Heimreise von Paris nach Berlin wider, die einem Triumphzug glich. Der Preußenkönig wollte von dem Nimbus der Wagenlenkerin profitieren und bestimmte deshalb, dass mit ihrer Präsentation auf dem Brandenburger Tor bis zu seiner eigenen Heimkehr aus dem Felde beziehungsweise aus Paris zu warten sei.
Zudem wünschte er Veränderungen. Als Ersatz für die Quadriga wurde das Eiserne Kreuz nun nicht mehr gebraucht, doch wünschte er nichtsdestoweniger die Schaffung einer irgendwie gearteten Verbindung zwischen Kreuz und Tor. Aus diesen Gründen wurde die Figurengruppe nicht direkt zu ihrem angestammten Platz, sondern erst einmal zum Jagdschloss Grunewald gebracht, dessen Hof zur diskreten Werkstatt umfunktioniert wurde.
Am 16. Mai 1814 wurde Schinkel durch Kabinettsrat Daniel Ludwig Albrecht mit dem Wunsche ihres Königs nach einer Verbindung von Tor und Kreuz konfrontiert. In dieser Situation griff der Künstler auf seine eigenen Planungen aus der Zeit zurück, als noch nach einem Ersatz für das Viergespann gesucht worden war. Er hatte damals eine Quadriga entworfen, „wo statt der Viktoria das römische Panier aus sieg­reichen Waffen hervorragte, an welchem die Zügel der Rosse geknüpft waren“. Dieses Panier griff Schinkel nun auf und gab es der Wagenlenkerin in die Hand: „Unter den jetzt statthabenden Umständen, da wir den Triumpfwagen wieder erhalten haben, findet der oben entwickelte Gedanke ebenfalls auf höchst zweckmäßige, und dem Kunstwerk selbst vorteilhafte Art, Anwendung … Wäre es nicht die passlichste und zugleich schönste Art, das eiserne Kreuz anzubringen, wenn man unserer Viktoria … das Preußische Panier nach obenbeschriebener Art, auf den Wagen gestützt, emporstehend halten ließe, wie würdig beschlösse es hier nicht die ganze Gruppe und wie sehr würde diese nicht gewinnen durch die dadurch erhaltene piramidele Form.“ Am 28. Juni schlug Schinkel vor, „der Victoria das Panier Preußens in die Hand zu geben an der Stelle des sonst von ihr gehaltenen antiken Paladiums. Dies Panier Preußens besteht aus einem Eichenkranz welcher das eiserne Kreuz umschließt, über welchem der preußische Adler mit ausgebreiteten Schwingen emporzusteigen scheint.“ Friedrich Wilhelm III. erteilte sein Einverständnis für die von Schinkel vorgeschlagene Prussifizierung. An die Stelle des römischen Legionszeichens mit Lorbeerkranz, Legionstafel und darüber schwebendem römischen Adler trat nun ein „Panier Preußens“ mit einem Kranz aus Laub des deutschesten aller Bäume, dem Eisernen Kreuz und dem preußischen Adler. Das zeitgenössische Preußen trat symbolisch an die Stelle des antiken Rom.
Nach der Restaurierung und der beschriebenen Verpreußung kehrte die Quadriga am 30. Juni 1814 auf das Brandenburger Tor zurück, wurde aber anschließend durch einen Sichtschutz erst einmal den Blicken der Schaulustigen entzogen. Am 7. August, einem Sonntag, zog der aus Paris zurückgekehrte Friedrich Wilhelm III. an der Spitze seiner in den vorausgegangenen Befreiungskriegen siegreichen Truppen durch das Brandenburger Tor in seine Hauptstadt ein, ein Ereignis, an das der Name „Pariser Platz“ für das „Quarré“ bis heute erinnert.
In diesem Moment fiel, um es mit den pathetischen Worten des Historikers Emil von Siefarts zu sagen, „die zeltähnliche Bedachung wie durch einen Zauberschlag. Im gleichen Augenblick brach die Sonne durch die Wolken, und in ihrer neu errungenen Glorie stand die Viktoria wieder auf ihrem alten Platze.“