Bretton Woods – Eine Reise in die Geschichte

 Von Johanna R. Wöhlke

Vor 60 Jahren ratifizierte die Bundesrepublik Deutschland den Vertrag von Bretton Woods

Bretton Woods Hotel

Aus New York kommend sind es nicht weniger als vier Bundesstaaten, die wir durchqueren: New York, Connecticut, Massachusetts und New Hampshire. Wir sind im Nordosten der USA auf der Fahrt in die White Mountains. Der Weg, den wir  von New York aus nach Norden in die White Mountains von New Hampshire gewählt haben, führt uns über die Interstate 95 bis Boston, dann die Interstate 93 bis zum Squam Lake Richtung Conway. Immer mehr dünnt sich das hektische und laute Treiben der Städte aus und macht der schweigenden Natur Platz.

 

Allein auf der Straße

Es ist ein stilles Land, ein Land wie ein ruhig dahin fließender Fluss, der  mitnimmt auf eine Reise in ein unbekanntes Land mit unbekannten Ufern. Gleichzeitig ist es Amerika, wie man Amerika als Auto fahrender Europäer erwartet: endlos die Interstate, geruhsam zu fahren, kein Drängeln, kein aggressives Überholen. Der dauernd aktive Fuß auf dem Gaspedal hat hier Pause, ein Hoch auf Geschwindigkeitsbegrenzungen! So könnte es auch in Deutschland sein. Die Augen können flanieren zwischen Himmel und Erde.

 

Felsen über Felsen

Am Fuße der Hügel dort dieser Flusslauf voller kleiner Felsbrocken – habe ich das nicht schon oft in Filmen gesehen? Immer dann, wenn es dort so aussah wie hier, kamen in der nächsten Sekunde Indianer auf ihren bunt gescheckten Pferden um die Ecke, den american paint horses, besonders beliebt bei den Indianern, denn sie sprachen ihnen magische Kräfte zu. Hollywood und Karl May lassen grüßen.

 

Aber ich sitze nicht auf einem Pferd und ich kann auch nicht reiten. Ich fahre auch dieses Auto nicht, darf schauen: auf diesen kleinen rauschenden Fluss, bestreut mit Felsbrocken, als habe Gott selbst ein wenig mit grauen und braunen Zuckerwürfeln gespielt, die in viele Einzelteile zerbrochen nun den Boden bedecken und ihn auffallend üppig schmücken. Ich schaue auf Bäume und Straßen, auf Wege, die zu weit von der Straße entfernten Farmen führen und wirken, als führten sie ins Nichts.

 

Ruhe und Weite

Immer mehr Bäume und Hügel, Seen, einsame Natur rechts und links der Straße. Auch hier leben und arbeiten offensichtlich Menschen, aber: Sie sind nur selten zu sehen. Genau genommen ist der Straßenbautrupp auf dieser Strecke die einzige Gelegenheit seit vielen Kilometern, Menschen zu sehen. Auf der Road 113 nördlich des Squam Lakes ist die Welt ein einsames Paradies. Ab und zu einmal ein kleines Schild, eine Ortschaft, eine Kirche, Häuser in den Wald oder weitab auf das Feld gebaut. Wer hier lebt, kann nur jemand sein, der Einsamkeit und Natur liebt. Jedes Haus abseits der Straße, oft unter vielen Bäumen versteckt, wirkt wie ein kleines Paradies für sich. Wovon leben die Menschen hier? Was arbeiten sie? Welche Wege müssen sie zurücklegen, um an ihren Arbeitsplatz zu kommen?

 

Das Hotel

Gegensätze sind dazu da, das Leben auszufüllen und interessant zu machen. Aber nicht nur das. Vielleicht sind sie viel mehr dazu da, das Leben überhaupt auszuhalten – egal wo man lebt. Hektik und Ruhe, Berge und Ebenen, Wiesen und Wälder lassen Augen und Sinne eintauchen in diese Weite und entspannen. Dies Land schafft schönes Schweigen. So erscheint der Mount Washington am Horizont und zeigt sein strahlend weißes Gipfelplateau. So taucht auch Bretton Woods vor unseren Augen auf. Wie ein gigantisches Märchenschloss zeigt es sich aus weiter Ferne, auf weiter, freier Flur vor dem Mount Washington. Hier scheint die Zeit stehengeblieben zu sein, und eigentlich ist der richtige Name dieses beeindruckenden Anwesens heute „Bretton Woods. OMNI Hotels & Resorts, mount washington/ new hampshire“.

 

Informationsschild über die Konferenz

Aber “BrettonWoods“, das ist der Name, unter dem es in die Geschichte eingegangen ist, und alles sieht noch so aus wie auf den alten Bildern von vor sechzig Jahren zur Bretton Woods Konferenz. Hier wurde sie beschlossen, eine neue Weltwährungsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg. Zwei Schilder am Straßenrand erzählen die Geschichte der Konferenz in kurzen Sätzen, eine der wichtigsten Konferenzen des vergangenen Jahrhunderts. Hier wurde ein System fester Wechselkurse begründet, das bis 1973 Bestand hatte.

 

Die Hotelgeschichte

An diesem Ort zu konferieren, das muss damals das reine Vergnügen gewesen sein. Hier zu übernachten oder auch nur ein Mahl einzunehmen oder einen Kaffee zu trinken, das ist auch heute noch das pure Vergnügen. Die endlos erscheinende Auffahrt hinauf auf den Hügel vermittelt das Gefühl, sich einem fremden Stern zu nähern. Aber der ist nicht kalt und öde, er ist einladend und freundlich, wenn auch in seinen Dimensionen immer überwältigender, je näher man kommt. Wir sind nur zu einer Tagesvisite hier, und schon jetzt sagen wir: leider nur zu einer Tagesvisite!

 

Die Hotelhalle

Die riesige Hotelhalle entfaltet die Wirkung eines Kirchenschiffes und lädt doch gleichzeitig auf bequemen Couchen und Sesseln zum Verweilen ein. Alles ist großzügig und weit und doch nicht einschüchternd oder gar ausladend. Aus weißem Holz die Decke und die Säulen, blank poliert der braune Holzfußboden, belegt mit Teppichen in sanften Grün- und Brauntönen. Harmonie und Wohlgefühl, das scheint hier zum Konzept zu gehören.

 

Die Romantik eines alten Landsitzes, geprägt vom amerikanisch-englischen Stil vor einhundert Jahren, nimmt denjenigen gefangen, der sich gerne durch alte Architektur und Geschichte „einfangen“ lässt –  Neuengland in seiner besten Grand Hotel Kultur. Selbstverständlich bietet das Hotel alles, was heute in einem Hotel der Spitzenklasse erwartet wird, sogar ein eigenes Postamt.

 

Weiter Blick zum Mount Washington

Fasziniert von der Natur, der sanften Schönheit einer weiten Ebene und Bergen, die nicht bizarr, aber deshalb nicht weniger majestätisch sind, hinterlässt dieses Haus bei mir den Eindruck eines einsamen Paradieses irgendwo am Ende der Welt, eingetaucht in nichts als unbewohnte Landschaft soweit das Auge reicht. Nur die Schilder am Fuß des kleinen Tales, das dem Hotel als endlos lange Auffahrt dient, erzählen dem Besucher eine Geschichte aus vergangener Zeit, die dieses Hotel in die Weltgeschichte katapultiert hat: die Bretton Woods Konferenz und die neue Weltwährungsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg.

 

Der Zufall will es, dass wir hier im Jahr 2012 sind, genau sechzig Jahre, nachdem die neu gegründete Bundesrepublik Deutschland den Vertrag von Bretton Woods ratifiziert hatte. Das bestätigt mir auf angenehme Weise die kreative Rolle des Zufalls im Reiseleben – eine Komponente, die das Reisen immer wieder besonders spannend macht und es mit einer kleinen Prise Abenteuer zu würzen vermag. Mit Gedanken an diese glückliche Verbindung zwischen Plan und Zufall auf Reisen machen wir uns auf den Weg zurück nach New York, gespannt, was diese Reise noch alles bereit halten wird.

Fortsetzung folgt.

http://www.omnihotels.com/FindAHotel/BrettonWoodsMountWashington.aspx

http://www.youtube.com/watch?v=GVytOtfPZe8

 

Bretton Woods

Das am 22. Juli 1944 im amerikanischen Bretton Woods beschlossene Abkommen zur internationalen Währungsordnung der Nachkriegszeit konnte bis Anfang der 1970er Jahre für relative internationale Stabilität und Wachstum sorgen. Der US-Dollar wurde internationale Leitwährung mit Goldeinlösungsgarantie innerhalb bestimmter Paritäten.[3] Als die Vereinigten Staaten jedoch begannen, den Vietnam-Krieg und ihr wachsendes Außenhandelsdefizit durch die Notenpresse zu finanzieren, ergab sich ein Angebotsüberhang von US-Dollar. Die anderen Länder mussten US-Dollar aufkaufen, um ihre Wechselkurse bzw. Währungen stabil zu halten. Diese geänderten Relationen führten 1973 letztendlich zum Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems und zur Freigabe der meisten Wechselkurse[JR 3], wobei der eigentliche Todesstoß schon 1971 mit der Aufkündigung der Verpflichtung zur Goldeinlösung durch den amerikanischen Präsidenten Richard Nixon erfolgt war.

(Informationen übernommen aus der Enzyklopädie Wikipedia)

Fotos: Johanna R. Wöhlke/ Winfried Wöhlke