Bis zum Schluss kein bisschen leise. Eine Hommage an Curd Jürgens

Dieser Artikel erschien bereits Ende letzten Jahres in „Sehnsucht Deutschland“ und am 11. Dezember 2015 in der PAZ

Von Uta Buhr

zum 100. Geburtstag von Curd Jürgens
Er war einer der aufregendsten Männer der jungen Bundesrepublik: Curd Jürgens, der einen Meter neunzig plus große Hüne mit den breiten Schultern und der sinnlich-rauchigen Stimme. „Was hat der, was ich nicht habe“, pflegte mancher Ehemann mit kaum verhohlenem Neid zu sagen, wenn die Gattin von dem betörenden Lächeln ihres Kinohelden schwärmte.

Dabei hatte die Karriere des 1915 in München geborenen Jürgens ganz bescheiden begonnen. Der selbstbewusste junge Mann, der mit dem berühmten silbernen Löffel im Mund in eine wohlhabende Familie geboren wurde, musste sich zunächst mit Rollen in Unterhaltungsfilmen zufrieden geben. „Wiener Madeln“ war einer jener harmlosen Streifen, mit denen die braunen Machthaber 1944 das kriegsmüde Publikum bei der Stange zu halten suchten. Obgleich Regisseur Willi Forst Jürgens empfohlen hatte, mit seiner politischen Meinung hinter dem Berg zu halten, legte der sich mit einem hochrangigen Nazi an und landete prompt im Straflager. „Klappe halten war noch nie mein Ding“, soll er später einmal gesagt haben. Seine Flucht aus dem Lager war ein Husarenstück und absolut filmreif – genauso wie wir den großen Mimen später in zahllosen Streifen erlebten.

Curd Jürgens, Dandy und Liebhaber vom Dienst des deutschen Films, war ein gefundenes Fressen für die Regenbogenpresse. Etwas irritiert fragten sich selbst seine Fans, womit er denn mehr glänzte – mit seinen Filmen oder den vielen Affären mit den schönsten Frauen jener Zeit. Besonders temperamentvoll gestaltete sich die Ehe mit der rassigen Ungarin Eva Bártok. Ein ganz eifriger Paparazzo plauderte gar etwas über „fliegende Untertassen“ in der Luxusvilla des Paares aus! Ein großer Geist wie Curd Jürgens trug dies mit Fassung und wechselte zur nächsten Partnerin. Er habe ebenso wie der von ihm verehrte Oscar Wilde einen ganz einfachen Geschmack, ließ er das Publikum wissen. Für ihn komme nur das Beste in Frage. Voilà.

Seinen weltweiten Ruhm als grandioser Schauspieler begründete Curd Jürgens 1955 als General Harras in dem Film „Des Teufels General.“ Im dem Streifen zugrunde liegenden Theaterstück gleichen Namens zeichnet Autor Carl Zuckmayer das Leben des berühmten Jagdfliegers Ernst Udet nach, der durch seine kritische Haltung gegenüber Hitler in Ungnade fiel und zum Suizid gezwungen wurde. Die Rolle des unbeugsamen, seinem Gewissen verpflichteten Generals war Curd Jürgens auf den Leib geschrieben und machte ihn über Nacht zum Weltstar. Von Stund’ an rissen sich die internationalen Filmstudios um ihn. Besonders angetan hatte der „normannische Kleiderschrank“ es den Franzosen, zumal Jürgens ihre Sprache perfekt beherrschte. Seine Mutter war Französin und hatte ihn und seine beiden Schwestern zweisprachig erzogen. Mit der Sexikone Brigitte Bardot drehte er „Und immer lockt das Weib“, ein völlig belangloses Filmchen, das aber wegen der beiden hinreißenden Darsteller zum „Blockbuster“ wurde.

In der Folgezeit wechselten hoch dramatische Stoffe – unter anderen „Der längste Tag“, „Lord Jim“ und „Bis unter die Haut“ – mit Schmonzetten wie „Der Kongress amüsiert sich“ und seichten TV-Serien. Selbst für einen Edgar Wallace war der Superstar sich nicht zu schade. Jürgens’ Luxusleben, seine Wohnungen und Häuser in Amerika und an der Côte d’Azur mussten bezahlt werden. Sein Image als großzügiger Gastgeber hatte halt seinen Preis. Indes stand es um seine Gesundheit nicht gut. Das Herz des so kraftvoll wirkenden Mannes war seinem umtriebigen Leben nicht gewachsen. Nach verschiedenen Operationen bekannte er einmal freimütig, ein kurzes erfülltes Leben sei ihm lieber als ein langes langweiliges.

Zu ganz großer Form lief Curd Jürgens noch einmal 1975 nach der Vollendung seines 60. Lebensjahres auf, als er sich vor das Mikrofon stellte und in seinem unverwechselbaren Timbre das Lied „Sechzig Jahre und kein bisschen leise, sechzig Jahre und kein bisschen weise“ zum Besten gab. Ein Text – von ihm mehr gesprochen als gesungen. Dennoch wurde die Platte zu einem Riesenerfolg, die beiden kurzen Sätze Kult – bis auf den heutigen Tag.

Als Curd Jürgens 1982 im Alter von nur 67 Jahren kurz vor der Fertigstellung seines Films „Teheran 43“ in Wien starb, trauerte nicht nur Deutschland um seinen Weltstar. Während der Beisetzung auf dem Wiener Zentralfriedhof flog die österreichische Luftwaffe eine Ehrenformation über seinem Grab. Dem Mimen Jürgens hätte diese letzte Inszenierung sicherlich gut gefallen.
Am 13. Dezember dieses Jahres wäre Curd Jürgens hundert Jahre alt geworden.