August Bebel wollte ihn als Vorkaiser

Von Dr. Manuel Ruoff

Vor 90 Jahren starb Bayerns letzter König Ludwig III. – Eine Verfassungsänderung verschaffte ihm die Krone Ottos I.

„Millibauer“ lautete sein volkstümlicher Spitzname. In der Tat war der Lebensstil des letzten bayerischen Königs eher bürgerlich-großbäuerlich als königlich. Er liebte Kegelabende beim Bier, die Jagd und die Pferdezucht wie überhaupt die Landwirtschaft. So erwarb er 1875 das Hofgut Leutstetten am Starnberger See und baute es zum Mustergut aus. Bereits 1868 übernahm er das Amt des Ehrenpräsidenten des Zentralkomitees des Landwirtschaftlichen Vereins in Bayern.

Damals war noch alles andere als absehbar, dass er einmal ein König werden und einen Haufen von Ehrentiteln führen würde. Ludwig war nämlich nicht der Sohn, sondern „nur“ der Neffe eines Königs. Als er am 7. Januar 1845 in München zur Welt kam, regierte in Bayern sein Onkel Maximilian II. Der älteste Bruder seines Vaters Luitpold war damals gerade erst 33 Jahre alt und hatte mit Ludwig bereits einen Sohn. Zudem lag zwischen Maximilian II. und Luitpold noch der zweite Sohn Ludwigs I., Otto. 1848 bekam auch Maximilian II. noch einen zweiten Sohn mit dem Namen Otto.

Ludwig schien also vom Thron weit genug entfernt, als dass man auf ihn besondere Obacht hätte geben müssen. So wurde er denn im Deutschen Krieg, an dem er als Oberleutnant im Infanterie-Leibregiment und Ordonanzoffizier seines Vaters teilnahm, am 25. Juli 1866 bei Helmstedt in einem Gefecht schwer verwundet, ein Umstand, der ihn angeblich den Rest seines Lebens dem Militärischen eher kritisch gegenüber stehen ließ. 1868 heiratete er in Wien Marie Therese von Österreich-Este. Trotz der schweren Verwundung im Krieg gegen Preußen und trotz der Heirat mit einer Habsburgerin stimmte er als Mitglied der ersten Kammer des bayerischen Landtages für die Annahme der gemeinhin Novemberverträge genannten Staatsverträge über den Beitritt der süddeutschen Staaten zum Norddeutschen Bund.

Sein 1871 unternommener Versuch, als Kandidat der Bayerischen Patriotenpartei in den Reichstag gewählt zu werden, scheiterte. Dafür rückte die bayerische Krone langsam näher. Jeweils erst im 53. Lebensjahr stehend, waren bereits 1864 und 1867 seine Onkel Maximilian und Otto gestorben. Keine 41 Jahre alt, kam dann 1886 unter mysteriösen Umständen Ludwig II. ums Leben, nachdem er wenige Tage vorher entmündigt worden war. Neuer König von Bayern war nun dessen einziger Bruder Otto. Dieser galt indes bereits seit 1872 offiziell als geisteskrank und so wurde nach Ludwigs Entmündigung Luitpold Prinzregent. Nach 26 Regierungsjahren starb der als bescheiden, tüchtig und volkstümlich gepriesene Prinz, ohne je nach der Krone gegriffen zu haben.

Das war bei seinem ältesten Sohn und Nachfolger Ludwig anders. Dieser begnügte sich nicht mit der Regentschaft, sondern nahm seinem Vetter Otto die Krone. Nach einer entsprechenden Verfassungsänderung teilte der neue Prinzregent dem Landtag 1913 das Ende seiner Regentschaft für seinen Cousin mit und ließ sich als Ludwig III. zum König von Bayern ausrufen.

Als Gründe werden der Finanzbedarf Ludwigs und protokollarische Gründe genannt. In der Tat konnte der eine oder andere Bayer damit ein Problem haben, dass der zweite Bundesstaat des Reiches nach Preußen „nur“ von einem Prinzen, einer königlichen Hoheit repräsentiert wurde, während Regenten kleinerer Bundesstaaten den Titel „Majestät“ beanspruchen konnten. Und Ludwig war durchaus statusbewusst. Dieses zeigte offenkundig der sogenannte Moskauer Vorfall. Als bei der Krönung von Zar Nikolaus II. der dortige deutsche Verein bei der Begrüßung der deutschen Prinzendelegation Ludwig zum „Gefolge“ Heinrichs von Preußen zählte, protestierte der Bayer dagegen mit der Begründung, dass die deutschen Fürsten „nicht Vasallen, sondern Verbündete des deutschen Kaisers“ seien.

Andererseits zeigte Ludwig auch durchaus Symptome von Volksnähe. Als Katholik betrieb er eine Sozialpolitik, die an der Enzyklika „Rerum Novarum“ orientiert war, jener 1891 veröffentlichten „Mutter aller Sozialenzykliken“, die Leo XIII. als „Arbeiterpapst“ in die Papstgeschichte eingehen ließ. Bereits 1906 setzte der Monarch sich im Landtag nachdrücklich für die Übernahme des demokratischen Reichstagswahlrechts in Bayern ein. Der SPD-Vorsitzende August Bebel rühmte ihn dafür als den besten Volkskaiser für den Fall einer Wahl des Kaisers durch das Volk.

Dieses Lob ersparte es aber auch dem bayerischen Monarchen nicht, am Ende des Ersten Weltkrieges von der Novemberrevolution hinweggefegt zu werden. Im Gegensatz zu den Parteien der späteren Weimarer Koalition setzte er wie die meisten damaligen Exponenten des Deutschen Reiches nicht auf einen Verständigungs-, sondern auf einen Siegfrieden mit Annexionen. Und wie die anderen Landesherren erwies auch er sich außerstande, die Versorgung seiner Bevölkerung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Da half es ihm nichts, dass er noch kurz vor Toresschluss am 2. November 1918 die Parlamentarisierung seines Landes verkündete und die Beteiligung der Mehrheitssozialdemokraten an der Landesregierung in Aussicht stellte. Noch vor den anderen deutschen Landesherren wurde er am 7. November 1918 gestürzt.

Ludwig reagierte mit einer überstürzten Flucht, die ihn schließlich ins Ausland nach Österreich, Ungarn, Liechtenstein und der Schweiz führte. 1920 kehrte er nach Bayern zurück, wo er sich in seinem Privatschloss Wildenwart am Chiemsee niederließ. Am 18. Oktober 1921 verstarb Ludwig III., der nie abgedankt, allerdings bereits am 13. November 1918 Beamte, Offiziere und Soldaten vom Treueeid auf ihn entbunden hatte, auf Schloss Nadasdy in Sarvar, dem ungarischen Erbgut seiner bereits 1919 verstorbenen Ehefrau. Zusammen mit Marie Therese wurde er in der Ludwigskirche in München beigesetzt. Ähnlich wie die Beisetzung der ebenfalls 1921 verstorbenen Kaiserin Auguste Viktoria wurde auch diese eine Demonstration der Monarchisten, ohne dass das angestammte Herrscherhaus politischen Vorteil daraus hätte ziehen können.