Kultur und Psyche

Buchcover

Goetz Egloff. Culture and Psyche: Lecture Notes for the Liberal Arts. Lambert Publ., Beau Bassin, 2020

Buchvorstellung

Der englischsprachige Band umfasst gedankliche Aufbereitungen sowohl zur neueren amerikanischen Literaturgeschichte als auch zu kulturellen und klinischen Phänomenen, die der informierten Öffentlichkeit wohlbekannt sind. Deren Zusammenhänge werden Schritt für Schritt erschlossen. Beginnend mit Werken von Maria Cummins und William Faulkner, über J.D. Salinger und John Updike, hin zu John Barth und Don DeLillo, zeigt sich eine Entwicklung, die zuläuft auf die postmoderne Konfiguration der westlichen Welt zur Jahrtausendwende. Deren klinische Aspekte werden augenfällig in Bereichen von Beziehung und Sexualität oder finden im bulimischen Syndrom postmoderner Unverdaulichkeit ihren Ausdruck.

Subjektivitätsbildung in den gegebenen Gesellschaftsstrukturen weist zum Epochenwechsel von Moderne zu Postmoderne, der nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs einsetzt, hin auf eine Herauslösung des Ichs aus dem kulturellen Gefüge, „from a culture-based toward a psyche-based view of man“. Nur scheinbar gegenläufig verbleibt das auf einen Sockel gestellte Ich umso mehr unter dem Einfluss von Ökonomie und Verlust von Repräsentation, was zu neuen Formen existentiellen Unbehagens führt. Paradigmatisch wird diese Konstellation in DonDeLillos Roman White Noise, in dem die Referenzsysteme menschlichen Gelingens nahezu zusammenbrechen.

Weitere Themenbereiche des Bandes umfassen die Psychosomatik von Haut und Hormonen, des Beschneidungszeitpunkts im männlichen Entwicklungsverlauf, der vorgeburtlichen und der nachgeburtlichen kindlichen Entwicklung sowie der gesellschaftlichen Strukturen; dies  jeweils in Verbindung mit Aspekten von Ritual, Gedächtnis und Zeit. Der Band versteht sich als Hintergrundfolie zur Kulturhistorie von Körper, Psyche und Gesellschaft im  jüdisch-christlich-muslimischen Kulturraum, auf der zukünftige Konzeptionen entworfen werden können. Ein Anhang mit Auszügen aus Interviews in der spanisch- und deutschsprachigen yellow press zu Schwangerschaft, Geburt und kindlicher Entwicklung ergänzt den Band.

Goetz Egloff. Culture and Psyche: Lecture Notes for the Liberal Arts. Lambert Publ., Beau Bassin, 2020, 308 S., 53,90 Euro

Frühes Trauma verhindern

Der Belgrader Kongress zu Psychischem Trauma: Prä-, Peri- und Postnatale Aspekte (PTPPPA 2015) liefert Einsichten in die Entwicklung des frühesten Lebensalters

Den Bedingungen und den Folgen von psychischem Trauma widmete sich der Erste Internationale Kongress zu Aspekten rund um Schwangerschaft, Geburt und Frühsozialisation, der vom 15.-16.Mai in der serbischen Hauptstadt stattfand. Der Kongress versammelte Experten nicht nur aus dem jugoslawischen, sondern aus dem ganzen europäischen Raum, Russland, den USA und einigen weiteren Ländern. Gefördert vom serbischen Bildungsministerium und unter der traditionell starken Beteiligung deutscher, serbischer, griechischer und amerikanischer Fachgesellschaften rückte die ganze Bandbreite menschlicher Entwicklungsbedingungen in den Blick. Die frühe Entwicklungspädiatrie und -psychologie bildet dabei neben Geburtshilfe und Psychosomatik einen Schwerpunkt, ebenso wie die klinische Sprachforschung, die mit dem ansässigen Institut für experimentelle Phonetik und Sprachpathologie seit langer Zeit ein agiles interdisziplinäres Forschungsinstitut unterhält.

Neben evolutionspsychologischen Aspekten von Schwangerschaft und Geburt bildeten die transgenerationale Weitergabe von Schwangerschafts- und Geburtserleben eine grundlegende Hintergrundfolie psychodynamischen Verstehens; sowohl im Licht der Systemtheorie, der konkreten Mutter-Kind-Dyade oder der bio-psychologischen Auffächerung von Traumata bei Kindern und bei Erwachsenen wurden Studien und Überlegungen vorgestellt. Im Sinne der sogenannten Fötalen Programmierung, also der Einflussnahme intrauteriner Prozesse auf die spätere Entwicklung von Gesundheit und Krankheit des werdenden Menschen, wurde die ganze Tragweite früher Einflüsse deutlich.

Die Fächer Geburtshilfe und Psychosomatik mit Psychotherapeutischer Medizin verdienen hier besondere Aufmerksamkeit. So beeinträchtigen schwangerschaftsassoziierte Erkrankungen wie Präeklampsie und HELLP-Syndrom sowohl Mutter als auch werdendes Kind; Entwicklungsstörungen im Zusammenhang mit Kaiserschnitt-Entbindungen sind nicht selten; Nabelschnur-Umwicklungen scheinen mit dem Grad an mütterlicher Angst vermutlich mehr zu korrelieren als allgemein angenommen. Jegliche Interaktionen mit Auswirkungen auf das Ungeborene, Neugeborene, Frühgeborene müssen als besonders bedeutsam erachtet werden, da sich vieles nicht einfach auswächst. So können vielfältige auf dem Kongress vorgestellte Aspekte Geltung beanspruchen und internationale Präventions- und Interventionsansätze begründen. Klinische Bezüge stets im Blick, wurden bspw. Entwicklungswege zu sensorischer Integration, Autismus-Spektrum-Störungen, Laktose-Intoleranz oder Posttraumatischer Belastungsstörung dargestellt. Auch Trennungsangst, Asthma oder Schizophrenie verweisen auf ein breites Spektrum möglicher früher Entstehungsbedingungen.

Körperpsychotherapeutische Ansätze, die generell eher wenig berücksichtigt werden, aber frühe intrauterine Prägungen noch am ehesten erfahrbar werden lassen, fanden ebenso Eingang. Da Erinnerungsspuren aus dem vorgeburtlichen Leben nicht versprachlicht sind, können sie – wenn überhaupt – nur auf körperlichem Wege verstanden werden. Diese Dimension verdient gewiss besondere Aufmerksamkeit. Ganz konkret heißt dies natürlich, Bedingungen im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt – und der folgenden Frühsozialisation – zu schaffen, die frühe Traumata so weit wie möglich verhindern können. Ein Anliegen, dessen Dimension der Kongress deutlich machen konnte.