RAG DOLL – Beneath The Crown Of The Empress

RAG DOLL – Beneath The Crown Of The Empress

Die Genres Jazz und Blues gehören auch im 21. Jahrhundert noch immer zu den Männerdomänen. Noch seltener findet man hier rein weibliche Formationen. Umso erfreulicher ist es, dass sich in unserer Bundeshauptstadt drei Musikerinnen gefunden haben, um in kongenialer Weise den Grandes Dames des goldenen Jazz-Zeitalters die Ehre zu erweisen.
„Beneath The Crown Of The Empress“ heißt die hörenswerte CD des Trios Rag Doll, bestehend aus Katharina von Treptow (Gesang), Amy Protscher (Piano, Percussion, Gesang) und Tanja Becker (Posaune, Gesang).

Foto: Uwe Ahrens

Gegründet im Jahr 2012 hat sich Rag Doll der Musik der 1920er Jahre verschrieben. Die Songs verstehen sich als Zeitreise und Hommage an die großen Sängerinnen dieser Epoche, allen voran die „Kaiserin des Blues“ Bessie Smith sowie ihre Zeitgenossinnen Ma Rainey, Lucille Bogan und Ethel Waters bis zur legendären Alberta Hunter. Die afroamerikanische Blues- und Jazz-Sängerin aus Memphis, Tennessee, USA stand noch im gesegneten Alter von 89 Jahren auf der Bühne und schaffte es 2011 posthum in die ehrwürdige Blues Hall of Fame.
Große Vorbilder also, die sich Rag Doll ausgesucht haben. Werden sie ihnen aber auch gerecht? Die Antwort lautet eindeutig: absolut!

Foto: Uwe Ahrens

Die kraftvolle, rauchig-verruchte Stimme von Katharina von Treptow passt hervorragend zum Konzept und zieht die Hörer:innen sofort in den Bann. Dabei kopiert sie aber niemanden, sondern bleibt ganz bei sich und drückt den 12 Stücken nicht zuletzt mit ihrer markanten Phrasierung ihren eigenen Stempel auf. Begleitet wird Katharina von Treptow mit dem passenden Harlem Stride-Piano von Amy Protscher. Die Pianistin kann sich dabei immer wieder gekonnt zurücknehmen, um ihren Mitmusikerinnen genügend Raum zu lassen, dabei aber stets als verlässliche Rhythmusbank zu fungieren. Sie versteht es meisterlich die musikalischen Zwischenräume mit der richtigen Klangdosierung zu füllen, um in ihren starken Soli ein Feuerwerk an kreativen Ideen zu zünden, die so dicht klingen, dass man kaum glauben kann, das es sich hier nur um ein Trio handelt.

Foto: Fraya Frömming

Dritte im Bunde ist die Posaunistin Tanja Becker, deren Virtuosität die Besetzung des klassischen Bessie-Smith-­Trios vervollständigt. Die Posaune ist mit etwa 3000 Jahren eines der ältesten Instrumente überhaupt. Zwischen dem 15. und 17. Jahrhundert erfuhr sie einen ersten Höhepunkt, aber erst mit der Entwicklung des Ventilsystems zu Beginn des 19. Jahrhunderts vergrößerten sich die spieltechnischen und stilistischen Möglichkeiten. So erfreut sie sich heutzutage in den unterschiedlichsten Stilrichtungen großer Beliebtheit und Tanja Becker verschafft der CD von Rag Doll die passende Atmosphäre zwischen Ragtime, Boogie Woogie, Harlem Stride und Barrelhouse aus dem amerikanischen Süden.

Diese Musik ist eine Live-Musik, die von der Energie und Wechselwirkung zwischen Musiker:innen und Publikum lebt. Für die CD-Aufnahmen hat Rag Doll sich daher ein Live-Publikum eingeladen, um dem Studio das Flair alter Juke Joints einzuhauchen, jene damaligen Kneipen für Afroamerikaner im ländlichen Südosten der USA, in denen Tanzmusik, Speisen, Alkohol und Glücksspiel angeboten wurden, wo geswingt und getanzt wurde bis die Luft brannte. Gemixt und gemastert wurde der Pressling von Amy Protscher höchstpersönlich im hauseigenen Schwielowsound Studio. Auch für den brillanten Sound gibt es ein „Daumen hoch“.

Foto: Fraya Frömming

Neben Klassikern und Jazzstandards wie „Ain’t Misbehavin“‘ oder „There’ll Be Some Changes“ sowie derben bzw. nicht ganz jugendfreien Songs wie „Do your Duty“ und „Empty Bed Blues“ von Bessie Smith, gibt es mit dem Stück „I’d Rather Be Alone“ auch ein Wiedersehen mit der großartigen US-amerikanischen Blues-Pianistin und Sängerin Ann Rabson. Ursprünglich Gitarristin begann sie erst im Alter von Mitte 30 mit dem Klavierspiel, war aber so talentiert, dass sie sogar in die Boogie Woogie Hall of Fame aufgenommen wurde. 2005 veröffentlichte sie das Originalstück auf ihrer CD „In A Family Way“, verstarb leider 2013 an Krebs. Für eine echte Überraschung sorgt das Arrangement zu „Miracle of Love“ von Annie Lennox and Dave Stewart, die es einst als Eurythmics zu Weltruhm brachten. Den Zeitsprung in die 1980er Jahre würde man hier nicht unbedingt erwarten, er fügt sich aber überzeugend in die CD ein. Das liebevoll gestaltete CD-Cover ist auch optisch ein Genuss und rundet die gelungene musikalische Zeitreise wunderbar ab. Ein hörenswertes Werk, das Live präsentiert sicherlich ein echtes Erlebnis verspricht.

Foto: Uwe Ahrens

RAG DOLL: „Beneath The Crown Of The Empress“
Tracklist:
1. There’ll Be Some Changes Made (Overstreet/Higgins) 4:45
2. I’d Rather Be Alone (Rabson/Rabson) 5:20
3. Empty Bed Blues (Johnson) 5:30
4. Ain’t Misbehavin‘ (Brooks/Waller/Razaf) 4:45
5. Do Your Duty (Wilson) 3:47
6. It Ain’t Over ‚Til The Fat Lady Sings (Ward/Randle) 3:27
7. Miracle Of Love (Lennox/Stewart) 5:46
8. Prove It On Me Blues (Rainey) 3:26
9. Juneteenth Jamboree (Bentley) 2:38
10. I Wish I Knew How It Would Feel To Be Free (Taylor/Lamb) 4:44
11. My Castle’s Rockin‘ (Hunter) 3:43
12. Old-Fashioned Love (Johnson/Mack) 5:50

Link: https://www.ragdollmusic.de

AUTORIN: Ulrike Gaate

80 Jahre und kein bisschen leise

Foto: Jan-Rasmus Lippels

Sängerin Janice Harrington, Urgestein des Gospel, Blues und Jazz sowie Finalistin der TV-Show „The Voice Senior“ von SAT 1, feiert ihren runden Geburtstag mit neuer CD und Jubiläumskonzerten.

In Las Vegas stand sie mit Sammy Davis Jr. auf der Bühne, spielte im Vorprogramm von Joan Armatrading und B.B. King, trat mit Frank Sinatra Jr., Big Jay McNeely und Lionel Hampton auf. In Oslo sang sie für den kürzlich verstorbenen Bischof Desmond Tutu, als ihm dort gerade der Friedensnobelpreis verliehen worden war. Janice Harrington hat viel von der Welt gesehen und viel erlebt.

Janice Harrington mit Blues-Legende B.B. King.
Foto: Archiv Janice Harrington

Coronabedingt musste das geplante Geburtstagskonzert in der Lüneburger St. Nikolaikirche zwar ausfallen, doch das hält Janice Harrington nicht auf. Sie ist eine Naturgewalt. Wer sie live auf der Bühne sieht, kann kaum glauben, dass das Energiebündel mit der kraftvollen Stimme bereits ein so stolzes Alter erreicht hat, in dem sich die meisten Menschen längst auf ihr Altenteil zurückgezogen haben und das Leben in ruhigem Fahrwasser genießen. Ein beschauliches Rentnerdasein ist ihre Sache nicht, im Gegenteil. In fettgedruckten Lettern prangt auf ihrer Webseite ihr Lebensmotto: „Alter ist nur eine Zahl. Ich bin immer noch allzu bereit das Haus zu rocken!“

Mit 76 Jahren ins Finale von „The Voice Senior“ von SAT 1

In der Tat verspricht sie ihrem Publikum nicht zuviel. Im Alter von 76 konnte sie auch die Fernsehzuschauer in Deutschland sowie die Jury der SAT 1 – Show „The Voice Senior“ von ihrem Talent überzeugen. Als Kandidatin schaffte sie es als Schützling von Yvonne Catterfeld bis ins Finale. Ihre drei Auftritte erreichten auf YouTube bis heute über 2,2 Millionen Klicks.
Für „The Great Grandma Jan“, wie sie sich selbst nennt, sah der Start ins Leben zunächst jedoch alles andere als einfach aus. 1942 in Cleveland, USA geboren herrschte in Amerika noch die Rassentrennung. Erst 1964 wurde diese in öffentlichen Einrichtungen wie Hotels, Bussen oder Sanitäranlagen durch die Verabschiedung des amerikanischen Bürgerrechtsgesetzes „Civil Rights Act“ aufgehoben. Von der musikalischen Mutter, die in einem Gospelchor sang, erbte sie die Liebe zur Musik. Der Vater war bei der Armee und viel unterwegs. Als die junge Janice mit 14 Jahren schwanger wurde, drängte die Mutter sie zur Heirat und so schloss sie mit 15 Jahren in den USA den ersten Bund für’s Leben, der knapp vier Jahre dauern sollte und ihr zwei weitere Kinder brachte. Mit dem zweiten Mann bekam sie Zwillinge, aber erst mit Ehemann Nr. 4 fand sie in Deutschland die Liebe ihres Lebens.

Mit Sammy Davis Jr. in Las Vegas
Mit Sammy Davis Jr. in Las Vegas.
Foto: Archiv Janice Harrington

Doch zunächst baute sie sich als junge Frau in den USA schrittweise eine Karriere als professionelle Musikerin auf, während ihre Mutter als Babysitterin einsprang, wenn sie auf der Bühne stand. Das erste Engagement erfolgte bei den United Service Organizations (USO), einer gemeinnützigen Organisation, die US-amerikanische Streitkräfte und ihre Angehörigen unterstützt. Mit dem Showprogramm zur Unterhaltung der Soldaten, die sich im Ausland befanden, ging es nach Südostasien, Panama, Grönland, Neufundland, Island, Schottland und Irland. Es folgte ein dreijähriger Vertrag mit dem Flamingo-Hotel in Las Vegas, wo sie von 1975-1977 allabendlich mit ihrer Band auf der Bühne stand und dort auch auf besagte Showgrößen wie Sammy Davis Jr. traf.

Umzug nach Deutschland
Mit Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu. Foto: Archiv Janice Harrington

Nach Gastauftritten als Schauspielerin in einer amerikanischen TV-Serie, als Autorin und Produzentin verschiedener Musicals und einer Zwischenstation in Norwegen folgte der Sprung nach Deutschland, wo sie schließlich ihren heutigen Ehemann kennenlernte. Seit 33 Jahren ist sie inzwischen mit Werner Gürtler verheiratet, ebenfalls Musiker und zudem ausgebildeter Klavierbauer und –stimmer, dem man vor Konzerten die Flügel großer Namen wie Leonard Bernstein und Oscar Peterson anvertraute. Getroffen hatten sich die beiden Ende der 1980er Jahre in Norddeutschland als Janice im Rundfunk sang und dort auf ihren zukünftigen Mann traf, der sofort von ihr fasziniert war. Als Posaunist begleitet er seine Frau regelmäßig auf der Bühne, vor allem bei ihrer erfolgreichen Musikshow „What my eyes have seen“, die sich seit vielen Jahren als Dauerbrenner etabliert hat und ihr stets hochgelobte Kritiken einbringt. Auf musikalische Weise lässt Janice Harrington mit den jeweils passenden Songs ihr Leben Revue passieren, Diashow und Kostümwechsel inklusive.

Lady of the Gospel
Foto: Ute Bösch

Ihr Mann unterstützte sie auch tatkräftig, als sie in den 1990er Jahren den Gospel nach Deutschland holte. Nach dem ersten Gospel-Konzert in der St. Nikolaikirche in Lüneburg folgten die allerersten Gospel-Workshops in Deutschland. Die Menschen waren begeistert von den ungewohnten Klängen und die Gospelmusik verbreitete sich im ganzen Land, was ihr den Titel „Germany’s Lady of the Gospel“ einbrachte. Nach wie vor hält sie Workshops und Masterclasses ab und konzentriert sich seit 2000 auch auf die Arbeit mit jungen Menschen und Menschen mit Behinderungen. Sie will Vorbild und Inspiration sein, sowohl für die jungen als auch für die älteren Generationen.

Live auf der Bühne, begleitet von Ehemann Werner Gürtler (Posaune) und Gottfried Böttger („3nach9“) am Klavier. Foto: Archiv Janice Harrington

Zu ihren persönlichen Vorbildern gehören Frauen wie Tina Turner, Ma Rainey, die „Mutter des Blues“ und Iris Apfel. Die exzentrische US-Amerikanerin mit der markanten Riesenbrille gilt mit ihren einhundert Jahren und ihren schrill-bunten Outfits als Mode-Ikone und ältestes Model der Welt. Mit 97 unterschrieb sie einen Vertrag bei der renommierten Model-Agentur IMG, neben hochbezahlten Models wie Gigi Hadid und Kate Moss. Soviel kreative Geschäftigkeit im reifen Alter inspiriert auch Janice Harrington. In Kürze veröffentlicht sie ihre neue CD mit dem Titel „Janice Harrington. 80 Years Of International Friendship“.

Eine weitere CD, auf der sie von vielen befreundeten Gastmusikern begleitet wird, ist bereits in Arbeit und wird heißen: „Janice Harrington sings Dinah Washington“. Geplant ist für 2022 auch eine große Jubiläumstournee mit Konzerten im gesamten Jahresverlauf.
Immer an ihrer Seite wird natürlich Ehemann Werner Gürtler sein. Die Liebe und die Musik sind bekanntlich die besten Jungbrunnen.

Mehr Informationen zu Janice Harrington, der neuen CD und den aktuellen Konzertterminen unter:
www.janice-harrington.com

Janice Harrington bei „The Voice Senior“ von SAT 1:
Hound Dog (Big Mama Thornton):
https://www.youtube.com/watch?v=hq_IAlYBDKk

Honky Tonk Woman (Rolling Stones):
https://www.youtube.com/watch?v=OK0x6eO45WE