Opernloft: Aida als Revoluzzer-Drama

Von Hans-Peter Kurr

Spannendes Experiment an der Fuhlentwiete

Zufall oder Inszenierung? Das war nicht auszumachen, aber gut war’s :Am Ende des Mini-Opern-Abends lehnte vereinsamt ein Demo-Tableau mit der Aufschrift „Freiheit“ an der Bühnenrampe. Die Rede ist von einem neuerlichen mutigen Experiment des Opernlofts, an das sich ein Team unter der Regie von Nicola Fellmann gewagt hatte:

Verdis „Aida“ als ( verantwortbare) Kurzfassung in einen diktatorisch regierten Staat unserer aktuellen Welt zu verlegen und dortselbst einen Freiheitskampf stattfinden zu lassen unter der Führung von Aida, die Radames, den Sohn des Diktators liebt…..und vice versus. Continue reading „Opernloft: Aida als Revoluzzer-Drama“

Königsbergs alte Stadthalle wird 100

Von Manuela Rosenthal-Kappi

Museum für Geschichte und Kunst plant umfangreiche Ausstellung

Die Stadthaalle

In diesem Jahr wird die alte Stadthalle in Königsberg 100 Jahre alt. Anlässlich dieses Jubiläums plant das dort untergebrachte Staatliche Museum für Geschichte und Kunst des Königsberger Gebiets eine Ausstellung. Die Stadthalle wurde 1911 von Oberbürgermeister Siegfried Körte initiiert und von dem Berliner Architekten Richard Seel erbaut. Einst besaß der damals moderne Bau die größten Konzert- und Veranstaltungssäle Königsbergs. 1600 Zuschauer fanden in ihnen Platz. Das 1912 Continue reading „Königsbergs alte Stadthalle wird 100“

Die Hamburger Staatsoper – eine Bestandsaufnahme Anfang 2012

Von Dr. Ferenc Horvath

Eine Meinung, eine Kritik ist immer persönlich. Sie basiert auf dem Geschmack und auf den Erfahrungen des Kritik stellenden. So entstand dieses kurze Schreiben nach einer langjähriger Beobachtung der durch öffentliche Gelder subventionierten Hamburger Staatsoper im Jahre 2012.

Wunderbare Musik, ein professionelles Orchester, brillante Sängerinnen und Sänger.

Hier  könnte man halt machen, man darf aber nicht! Warum? Weil man weiter reden muss, und zwar weil die Besucher langsam rar werden.

Ein Grund mag vielleicht sein:  die Inszenierungen! Und hier kann und sollte man bestimmt ansetzen. Diese sind mit einigen, den Regel bestätigenden ausnahmen ( wie zB. die Cerenterola), nämlich einfach schwach. Warum eigentlich- würde man fragen? Continue reading „Die Hamburger Staatsoper – eine Bestandsaufnahme Anfang 2012“

Auf den Spuren Jürgen Rolands

Von Hans-Peter Kurr

Jubiläumspremiere „Polizeirevier Davidwache“ im Imperial-Theater

„Dascha man bannig ne runde Sache“ kommentiert fachkundig ein Premierenbesucher von der Hühnerstange herab, der letzten, holzgezimmerten Sitzreihe auf dem Rang des Imperial bei der Premiere der neuen Collage „Poilzeirevier Davidwache“, mit der Hausherr Frank Thannhäuser und sein Team die neunte Krimi-Spielzeit des Imperial-Theaters „ganz weit vorn auf dem Kiez“ feiern. Und es darf gesagt werden :Es ist eine anregend-spannende Feier, die auf der , ebenfalls von Thannhäuser raffiniert entworfenen , Szene abläuft, einer mehrfach drehbaren Zweistockbühne, auf der sogar Verbrecherjagd über St. Paulis Dächer dargestellt werden kann. Continue reading „Auf den Spuren Jürgen Rolands“

Regiemagier Michael Bogdanov

Von Hans-Peter Kurr

….feiert mit seinen Schauspielern Triumphe in den Kammerspielen

Vier Männer im Nebel

Michael Bogdanov, der in Kreisen hamburgischer Theaterfreunde schon in den späten 80er Jahren den Ruf eines Regie-Magiers genoß, als er ( von 1988 – 1992) in der Nachfolge Peter Zadeks Intendant des Deutschen Schauspielhauses war und „folgerichtig“ das Opfer einer bestimmten hanseatischen Feuilletonisten-Mafia wurde, Continue reading „Regiemagier Michael Bogdanov“

“The Comedy of Errors“ by William Shakespeare

Uta Buhr

The new Play at the English Theatre of Hamburg

No escape for a tied-up man

Did you know that William Shakespeare, Britain’s greatest playwright ever, wrote one of the first “Sitcoms?” If you do not like this rather trivial modern word, just call it a farce. It is true that Shakespeare’s shortest and perhaps earliest comedy is based on the oeuvre by the well-known Roman citizen and comic playwright Plautus who lived around 250 B.C. The plot is quite intricate since two sets of identical twins are involved in the play, both being accidentally separated by birth on a boat totally damaged during a heavy storm in the Mediterranean Sea. Years Continue reading „“The Comedy of Errors“ by William Shakespeare“

Irrungen und Wirrungen – Shakespeares Sitcom im English Theatre of Hamburg

Von Uta Buhr

IRRUNGEN UND WIRRUNGEN – SHAKESPEARES SITCOM IM ENGLISH THEATRE OF HAMBURG

Wie wird das wohl enden?

Endlich wieder ein Shakespeare in Hamburgs englischem Theater. Und was für einer! „The Comedy of Errors“ – Die Komödie der Irrungen – entstand um das Jahr 1590. Als einziges Lustspiel des großen Dichters ist sie  in possenhafter Weise ausschließlich auf Situationskomik zugeschnitten. Also eine Art  Sitcom, die auch heute nach über vierhundert Jahren ihre Wirkung auf das Publikum nicht verfehlt. Der Stoff entstammt ebenso wie die Mittel seiner Behandlung römischen Komödien des Plautus, die aufgrund ihrer derben Komik und lebendigen Dialoge außerordentlich bühnenwirksam sind.

Die an verschiedenen Plätzen des antiken Ephesus spielende Handlung ist – nomen est omen – recht verwirrend und erfordert dem Zuschauer ein hohes Maß an Aufmerksamkeit ab. Im Mittelpunkt stehen die männlichen Zwillinge des Kaufmannes Ägeon aus Syrakus  und seiner Ehefrau Ämilia. Die Kinder werden während einer Überfahrt auf Continue reading „Irrungen und Wirrungen – Shakespeares Sitcom im English Theatre of Hamburg“

Doris Kunstmann liest Ginny G. von Bülow

Lesung in der Spielbank Hamburg am 26. März 2012 , Casino Esplanade am Stephansplatz 10, um 19 Uhr

Lesungseinladung (Foto Thomas Gottschalk-Westerburg, im Besitz der Spielbank Hamburg)

 

 

 

 

 

 

Die Autorin Ginny G. von Bülow, unser neues Mitglied und gleichzeitig Mitglied der Hamburger Autorenvereinigung, mit der wir kooperieren, lädt ein zu einer Lesung in die Spielbank Hamburg. Die Schauspielerin Doris Kunstmann wird dort vergnügliche Texte der Autorin lesen unter dem Titel “ Aus dem Leben einer Tagediebin oder Das Geheimnis des Roulette“. Continue reading „Doris Kunstmann liest Ginny G. von Bülow“

Konzertreise auf Mallorca: Ein musikalischer Hochgenuss und ein unvergessliches Erlebnis

Es war ein strahlendblauer Himmel auf Mallorca zur Zeit der Mandelblüte. Das Frühjahr beginnt auf Mallorca weiß oder rosafarben, denn von Januar bis Ende Februar gibt es ein Naturschauspiel der besonderen Klasse – die Mandelblüte. Mehrere Millionen Mandelbäume verzaubern durch ihre Blüten die Insel.  Zu dieser Zeit sind Menschen auf der Insel, die die Vorboten des Frühlings erleben wollen, erste warme Tage genießen möchten, aber auch ihre Sinne weit geöffnet haben nicht nur für die Schönheit der Natur, sondern auch für die Musik.

Der Chor Singspiration aus Stade folgte einer Einladung des mallorquinischen Kulturamtes zur Teilnahme am Kulturprogramm „Mallorca im Winter“. Auf dem Programm des Chors, der mit 25 Sängern, der Sopranistin Helga Samson, der Pianistin Helena Jan, der Chorleiterin Sam Eu Jakobs  und ebenso vielen Freunden und Förderern auf die Insel gekommen war, standen vier Kirchenkonzerte. Volle Häuser und stehende Ovationen belohnten die monatelange Vorbereitung auf diese Reise. Im Gepäck hatte Singspiration unter anderem bekannte Werke wie „Ave Maria“ von Bach-Gounod, „Locus Iste“ von Bruckner, „Freude schöner Götterfunken“ von Beethoven, „In mir Klingt ein Lied“ von Chopin, „Laudate Dominum“ von Mozart, „Panis Angelicus“ von Franck, auch ein Heimatlied „Zwischen Hamburg und Cuxhaven“.

Auf hohem Niveau erlebten die etwa 1000 Besucher das Hauptkonzert des „Klassikchors Singspiration“ aus Stade in der Cathedrale La Seu in der Rundkirche von Palma de Mallorca  unter der weltgrößten Buntglasrosette: Es war der fulminante Höhepunkt und Abschluss einer sechstägigen Konzertreise auf die Baleareninsel. Bei einem anderen Konzert in Arenal umschließen üppige Buntglasfenster das Kirchenrund und die einfallenden Strahlen der Abendsonne sorgten für ein schönes Farbenspiel, das den Auftritt der Sänger- und Sängerinnen perfekt in Szene setzte. Der Soloauftritt der mitgereisten Sopranistin Helga Samson war ein unvergessliches Hörerlebnis ganz besonderer Art.

Musik kann wie ein Rausch sein, ein Versinken in eine Kontemplation, die uns ansonsten nur selten gegönnt ist. Wer Ohren hatte zu hören, und ein Herz um zu fühlen, wird nach dem „Ave Maria“ von Bach-Gounod nur zögerlich und bedauernd wieder aufgetaucht sein aus jener inneren Zone in die sichtbare Welt. Dieses „Ave Maria“ war von religiöser Innbrunst geprägt. Zu einem musikalischen Hochgenuss und spirituellen Tauchgang gleichermaßen gerieten die Konzerte auf Mallorca. Dies ist nicht verwunderlich, war doch ein Abend mit hinreißenden Melodien in dem Programm angekündigt worden.

Als wunderschöne Erinnerung hat sich der Auftritt in der Marienkapelle von Lluc, dem wichtigsten Wallfahrtsort der Insel, eingeprägt. Um La Moreneta, die Schwarze Madonna, zu sehen, pilgern die Mallorquiner in Scharen hierher, auch an diesem Tag. In der dunklen, mystischen Atmosphäre der Kirche lauschten die Pilger andächtig Anton Bruckners „Locus iste“.

Menschlich sehr berührend war der Auftritt in der einst zum Schutz gegen Piratenüberfälle errichteten Festungskirche von Andratx. Mit großer Herzlichkeit wurden die Sängerinnen und Sänger von zwei Chören der schön gelegenen Stadt im Südwesten der Insel empfangen. Das gemeinsame Konzert verzauberte einheimische wie ausländische Hörer gleichermaßen. Nach dem Konzert mochte niemand gleich nach Hause gehen. Bei einem Becher heißer Schokolade ‑  eine mallorquinische Spezialität ‑ und selbst gemachten Tappas, wurden neue musikalische Freundschaften geschlossen. Sam Eu Jakobs und ihr mallorquinischer Gegenpart Jose Maria Moreno schmiedeten sogar Pläne für ein Austauschkonzert hierzulande.

 

Die Interpretationen des Ensembles verkörperten gesellige Leichtigkeit wie bei „Freude schöner Götterfunken“, aber auch das Heimatlied „Zwischen Hamburg und Cuxhaven“ fanden viel Beifall.

Hier zeigte sich die gewachsene Vielseitigkeit des Klassikchors Singspiration unter der Leitung von Sam Eu Jakobs, der die Zuschauerohren im Stimmenmeer baden, aber nicht ertrinken ließ.

 

Das Stück „Abschied vom Walde“ vereint Dichtung und Musik im Geist der Romantik. Dieses Werk der Romantik ist stilistisch absolut unberührt, es profitiert von der überlegenen Meisterschaft des Ensemples, von absoluter Präzision in Intonation, Zusammenklang und Phrasierung. Dabei fasziniert immer wieder, wie der homogene Gesamtklang sich gleichzeitig außerordentlich plastisch in die individuellen Stimmfarben auffächert, wie auch in der Zurücknahme für den Ensembleklang jede Stimme ihre Souveränität behält. Wenn sich in den Liedern jeweils die Bassstimme als dezentes Fundament herausschält und dazu die sopranhellen Stimmen schweben lässt, dann wird dieser A-capelle-Gesang zu etwas besonderem.

In einem solchen Konzert darf Mozart nicht fehlen, denn Mozarts Musik schließt die Herzen auf. „Laudate Dominum“ war eine besondere Überraschung an dem Abend. Das kam alles so klar und wohlgeformt in den Saal, dass man fasziniert war.

Alles in allem war es eine gelungene Konzertreise und wird bei den Sängern und Zuhörern noch lange in Erinnerung bleiben. Das alles ist umso erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass diese Präsenz und Gemeinsamkeit in relativ kurzer Zeit erprobt und erarbeitet werden musste: Chorleiterin Sam Eu Jakobs kann man nicht genug danken dafür, ein so anspruchsvolles Projekt auf die Beine gestellt zu haben und ein solches Ensemble für große Musik im Alten Land und jetzt auch für Mallorca bereit gemacht zu haben. Sie hatte die Gesamtleitung inne und es gebührt ihr größtes Lob dafür, die vielen verschiedenen Beteiligten souverän zu führen und vor allem, jedem Einzelnen zur Höchstleistung zu motivieren. Der Klassikchor Singspiration aus Stade überzeugte durch fein ziselierte Melodien. Bestechend bei vielen Weisen des von Sam Eu Jakobs einfühlsam gesteuerten Ensembles waren präzise gesungene punktierte Noten, die Tonverlängerungen außerhalb des Metrums frei schwebend in den Raum setzten und sie dann doch treffend zurück führten

Natürlichkeit, Schlichtheit und Aufrichtigkeit des Ausdrucks sind die Werte, die hier gefordert sind. Innigkeit und emotionale Klarheit sind die Wegweiser zu einem außergewöhnlichen Konzerterlebnis. Diesen Ansprüchen wurde diese Konzertreise gerecht. Verdienter, langer Applaus.

Mit vielen wundervollen Erinnerungen im Gepäck nahm der Chor bei fast 25 Grad und Sonnenschein Abschied von der Insel und landete bei Minus 9 Grad in Bremen. Ein Grund mehr für die Sängerinnen und Sänger zu sagen, „das war zwar die erste Konzertreise, aber gewiss nicht die letzte“.

Paisiello – der verschollene Komponist

Von Hans-Peter Kurr

“König Theodor in Venedig“/Premiere in der Hamburger Kammeroper

Paisiello in der Hamburger Kammeroper

Das erste Kompliment für die „Ausgrabung“ dieses beeindruckenden Werkes  der Zeitenwende zwischen Spät-Renaissance und Barock gilt der künstlerischen Leitung der Hamburger Kammeroper, dem Ehepaar

Hass/Deeken : Die für Hamburg von Barbara Hass und Fabian Dobler neu eingerichtete Fassung von „Re Theodoro in Venezia“,dieser über 200 Jahre alten Oper, die selbst im gültigsten aller „Führer“ in deutscher Sprache, dem berühmten „Kloiber“ ,nur als Randnotiz erscheint, hätte aber das Premierenpublikum vermutlich nicht zu derartigen Ovationen hingerissen, wäre da nicht als Lenkerin des vorzüglichen Ensembles eine Regisseurin, Jean Renshaw, deren nahezu überbordende szenische Continue reading „Paisiello – der verschollene Komponist“

Energie, Präzision und Ausdruckskraft: Company der JOOP van Ende Academy

 Von Hans-Peter Kurr

Notizen zur Musical-comedy COMPANY der Joop van den Ende Academy im Kehrwieder-Theater

Perfekter Nachwuchs auf der Bühne

Um den künstlerischen Nachwuchs auf deutschen Musical-Bühnen muß sich niemand sorgen, der jetzt die Produktion „Company“ im Kehrwiedertheater gesehen hat, die den Ausbildungsstand der Absolventen der Joop van den Ende Academy dokumentieren sollte, jener jungen Schauspieler-Sänger also, die sich nicht nur aufmachen wollen, die internationalen Musical-Stars der Zukunft zu werden, sondern (, was mindestens so entscheidend ist für die Bewertung ihrer herausragenden Leistungen!), den steinigen Weg einer dreijährigen ( inzwischen studiengebührenfreien!) Ausbildung erfolgreich durchmessen zu haben, ohne durch nicht bestandene Zwischenprüfungen oder ähnliche Parcour-Hindernisse wieder in den profanen Alltag zurückgeworfen worden zu sein. Chapeau! Continue reading „Energie, Präzision und Ausdruckskraft: Company der JOOP van Ende Academy“

Wagners „Holländer“ im Doppelpack

Von Hans-Peter Kurr

Wohlgelungene Premiere mit Hindernissen im Theater für Kinder

Das hat wohl selbst „bei der Oper“, allwo – im Gegensatz zum Schauspiel – allerlei Befremdliches wie das Einfliegen auswärtiger Sänger zur Übernahme der Partie eines stimmerkrankten Kollegen nahezu Alltag ist, Seltenheitswert: Ein Sänger erscheint in Kostüm und Maske auf der Szene, begnügt sich mit „mouthing“ (d.h.: Lippenbewegungen ohne Ton), der andere an einem Notenpult vor der Rampe, singt die Partie . So geschehen im Altonaer Theater für Kinder (Alleetheater) bei der Premiere des „Fliegenden Holländers“ in einer Kinder-Fassung  der für derartige Unternehmungen hochqualifizierten Barbara Hass: Auf der Bühne Ralf Hutter als Kapitän des berühmten Geisterschiffes, gesungen von Marius Adam im privaten Anzug vor der ersten Zuhörer-Reihe. Continue reading „Wagners „Holländer“ im Doppelpack“

Marx, Čechov… und Freud?

von Götz Egloff, Fotos: Hans Jörg Michel

Kommentar zur europäischen Erstaufführung von
„Ratgeber für den intelligenten Homosexuellen zu Kapitalismus und Sozialismus mit Schlüssel zur Heiligen Schrift“ von Tony Kushner
in der Inszenierung von Burkhard C. Kosminski am Nationaltheater Mannheim, 21. Januar 2012, Dramaturgie: Ingoh Brux. In Kooperation mit dem Deutsch-Amerikanischen Institut Heidelberg.

In einer Zeit, die voll von Antworten auf nicht gestellte Fragen ist, haben wir es mit einem Abend zu tun, der die richtigen Fragen stellt. Was ein Menschenleben im real existierenden Kapitalismus wert ist, ist nur eine davon.Wir werden Zeuge eines Panoptikums allzu menschlicher Abgründe am Beispiel einer amerikanischen Großfamilie italienischer Herkunft. Ihre anarcho-kommunistischen Wurzeln reichen bis in die heutige Zeit und bilden eine Genealogie für die komplexe Gemengelage aus ideologischen, religiösen, sexuellen und ethischen Fragestellungen, die die Familienmitglieder umtreiben. Grundlegende Fragen nach Identität und Zugehörigkeit werden verhandelt. Der Entfremdungstopos wird in aktuelle postmoderne Lebenszusammenhänge transferiert; das Oszillieren zwischen Festhalten an und Aufgabe der transgenerationalen Vermächtnisse wird überlagert von radikaler Weltbefragung und unbändiger Lebensgier der Figuren (Brux).

Continue reading „Marx, Čechov… und Freud?“

Unterschätzte Perle im Baskenland – Bilbao

Von Uta Buhr

Das Guggenheim Museum

Bills Ballhaus in Bilbao, das Bert Brecht in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts als das schönste auf dem ganzen Kontinent besang, gibt es heute nicht mehr. Vorbei ist es mit den Brandylachen am Tanzboden und dem roten Bilbaomond, der durch das löcherige Dach schien…Pilar, die Studentin der Germanistik, hat Lachtränen in den Augen. Nein, dieses proletarische Flair ist total „out.“ Die am Golf von Biscaya gelegene größte Stadt des Baskenlandes wurde einem radikalen Facelifting unterzogen und präsentiert sich heute als eine Metropole der Künste und kulinarischer Genüsse. Die Werften rund um das Hafengelände sind Continue reading „Unterschätzte Perle im Baskenland – Bilbao“

Deutschlands erstes Krimihotel

Dieser Artikel erschien bereits in folgenden Medien: Rheinische Post am 10. September 2011, Schleswig-Holstein am Sonntg (SaS) am 12. Dezember 2012 und  PAZ am 31. Dezember 2011
RENDEZVOUS MIT JAMES BOND UND DERRICK IN DEUTSCHLANDS ERSTEM KRIMIHOTEL
Von Uta Buhr

Das Krimihotel

Oh schaurig ist’s, durch die Eifel zu wandern, möchte man angesichts der zahlreichen Krimis mit Eifeler Lokalkolorit ausrufen. Beim Lesen der spannenden Romane Jacques Berndorfs besteht laut Aussagen von Experten geradezu Suchtgefahr. Hobbydetektiv Siggi Baumeister, der die zum Teil grausigen Mordfälle zwischen geheimnisvollen Maren und verträumten Ortschaften mit Verstand und einer gehörigen Portion Humor löst, ist heute in aller Munde und sein geistiger Vater ein weit über die Landesgrenzen hinaus berühmter Autor.

Was lag da näher, als am Ort der fiktiven Verbrechen eine Eifel-Krimilandschaft zu erschaffen!  Hillesheim, ein romantischer, gerade einmal 2 800 Seelen zählender Ort mit mittelalterlicher Stadtmauer und berüchtigtem Hexenturm bot sich als Standort für das erste Krimihotel Deutschlands an. Das Gebäude an der Ecke der Hauptstraße mit Continue reading „Deutschlands erstes Krimihotel“

Der Grosse Gatsby im Deutschen Schauspielhaus Hamburg

Von Hans-Peter Kurr

Unterhaltung….und nicht mehr!
Zur Produktion des „Grossen Gatsby“ im Deutschen Schauspielhaus Hamburg

Katja Danowski, Samuel Weiss und Stefan Haschke

Es ist nicht recht einsehbar, welche Kriterien die (interimistische) Leitung des Schauspielhauses an der Kirchenallee, nach dem rüden Weggang des qualitäts-  und maßstabsbewussten Friedrich Schirmer, bei der Auswahl ihrer Stücke und daraus entstehender Produktionen leiten. Das läßt sich seit Beginn dieser ersten „Vertretungs-Spielzeit“, also mit tiefem Bedauern seit dem unverstehbar in einer Großküche angesiedelten „Cyrano“  konstatieren,mit dem die erste Hälfte der aktuellen Umbausaison begann, in der der Zuschauerraum des ehemals berühmten Gründgens-Hauses überdeckelt werden soll, damit der marode Bühnentrakt nach über einhundert Jahren, zeitgemäßen TÜV-Kriterien entsprechend, umgebaut und wieder seiner vollständigen Funktionalität zugeführt werden kann. Continue reading „Der Grosse Gatsby im Deutschen Schauspielhaus Hamburg“

Wilhelm Voigt – der „Hauptmann von Köpenick“

Von Dr. Manuel Ruoff

Er war der »Hauptmann von Köpenick« Vor 90 Jahren starb Wilhelm Voigt – Der Ostpreuße zog den preußischen Militarismus durch den Kakao wie kein anderer
Seine Köpenickiade gehört zu den komischsten Episoden der preußischen Geschichte. Nichtsdestoweniger war der Ostpreuße Wilhelm Voigt eine traurige Figur. Tragik zieht sich durch sein Leben vom Anfang bis zum Ende.

Der am 13. Februar 1849 in Tilsit geborene Sohn eines Schuh­ma­cher­meisters, der den Beruf seines Vaters ergreift, wird schon mit 14 Lebensjahren straffällig. Es folgt eine Karriere als Kleinkrimineller mit einem halben Dutzend Verurteilungen wegen Diebstahls und Urkundenfälschung. 1890 versucht er dann mittels einer Brechstange, sich in Wongrowitz, Provinz Posen in den Besitz der Gerichtskasse zu bringen. Er wird erwischt und im Februar des darauffolgenden Jahres „wegen schweren Diebstahls im Rückfalle zu 15 Jahren Zuchthaus, Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf zehn Jahre und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht“ verurteilt. Voigt sitzt die Haftstrafe ab und wird einen Tag vor seinem 57. Geburtstag aus der Haft entlassen. Continue reading „Wilhelm Voigt – der „Hauptmann von Köpenick““

Usbekistan Snapshot

Von Dr. Ferenc Horvath

Taschkent, die Hauptstadt, wird aus Bischkek angeflogen. Die Boeing der Usbekischen Fluggesellschaft fliegt parallel zu wunderbar Schnee- bedeckten Bergen. Majestätischer Blick.  Vor einem Jahr war ich hier zum letzten Mal. Man würde denken, wahrscheinlich nichts Neues zu sehen. Fehlanzeige!

Der Flughafen wurde weiter ausgebaut, die Flotte weiter entwickelt. Überall moderne Flugzeuge der Uzbekistan Airways. Die Formalitäten werden ganz zügig erledigt, die Partner warten auf uns draußen. Es ist sofort anzumerken, die Anzahl der alten Ladas hat sich dezimiert. Die im Lande zusammengebaute Daewoo gewinnt stark Oberhand, obwohl wie es erzählt wird ein vergleichbares Modell aus der Usbekischer Herstellung kostet in Moskau weniger, und kann auch sofort übernommen werden. In Usbekistan gibt es Wartezeiten, oder alternativ der Gang zu Schwarzmarkt. Continue reading „Usbekistan Snapshot“