Klaus Schumacher inszeniert Schimmelpfennigs „Goldenen Drachen“ am Schauspielhaus
Von Hans-Peter Kurr
Das Stück kommt zwar auf den Riesenbühnen des Deutschen Schauspielhauses oder (vor Jahresfrist als Wiener Gastspiel der Uraufführung) des Thalia-Theaters ein wenig verloren daher; deshalb fand seine Uraufführrung 2009 ja auch im Wiener Akademie-Theater, dem „kleinen Haus“, der “ Burg “ statt. Verloren deshalb, weil es sich in den zwei genannten Inszenierungen (Die Uraufführung hatte, wie erinnerlich, der Autor selber besorgt) eher als Kammerspiel erweist. Schon allein aus der Tatsache herzuleiten, dass die fünf Darsteller, wenn sie – wie hier in beiden Arbeiten – ein so vorzügliches Team bilden, zu „weit weg“ sind vom Zuschauer. Das konnte auch der als hochbegabter Regisseur längst ausgewiesene Klaus Schumacher nicht „weginszenieren“, obwohl er – recht raffiniert – seine Bühnenbildnerin Katrin Plötzky veranlasste, die Bühne des Hauses an der Kirchenallee durch die Wiedergabe eines auf der Seite liegenden Essen-Behälters zu verengen, innnerhalb dessen das Ganze spielt, sobald zum Start des Abends eine Folie von ihm abgezogen wurde, um die darin enthaltene Speise nunmehr verzehren zu können. Und die hat es in sich. Das erfuhren wir schon bei Schimmelpfennigs Uraufführung.
Hier ist nicht der Ort (und es besteht auch keine Notwendigkeit dazu), beide Produktionen miteinander zu vergleichen, obwohl die eine oder andere Kleinigkeit dennoch dazu verführt, zum Beispiel die Frage, weshalb bei Schumacher die angesagten Gerichte von der Portalbrücke auf die Vorbühne geworfen werden….?
Ach ja, die Geschichte?
Ein kleines Thai-China-Vietnam-Schnellrestaurant, gelegen in irgendeiner europäischen Stadt, in dem fünf eingewanderte Asiaten illegal arbeiten, ist der Ort, an dem ein maroder Zahn aus dem Mund des jüngsten Mitgliedes dieser crew auf abenteurlichen Wegen in die Thaisuppe mit Hühnerfleisch Nr. 6 gerät, die eine von einem langen Flug heimgekehrte Stewardess zu geniessen gedenkt. Seine weitere, äusserst spannede und einfallsreiche Geschichte, soll hier nicht verraten werden. Sie ist zu schön. Soviel aber dennoch: Vereinigt werden wird der nutzlos gewordene Zahn mit seinem (inzwischen verstorbenen) Besitzer eines fernen Tages wieder in dessen Heimat am Gelben Fluss in Zentralchina, wo einst die Weltreise des arbeitlosen kleinen Asiaten in Richtung Europa begann………
Schumacher hier in Hamburg ist klug genug, seine szenische Phantasie vertrauensvoll mit dem Können seiner fünf Darsteller zu koppeln. Imgrunde ist es ohnehin , bei aller Sozial- und Strukturkritik des Autors, ein Schauspielerstück, ein gefundenes Fressen für jeden lustvollen Menschendarsteller, der hier die Chance erhält , in mindestens fünf Rollen jeweils so unterschiedliche Charaktere zu präsentieren, dass selbst die kühlen Hanseaten im Verlauf der Premiere vor Vergnügen jauchzten…und das mit dem zusätzlichen Schmankerl, dass die Männer die Frauenrollen spielen und umgekehrt. Vor allem in Szenen, die höchstes technisches Können dieses Berufsstandes voraussetzen, wie zum Beispiel in dem zentralen Besäufnis bis dicht an die Komagrenze oder im Tanz der Ameise, die sich als Sexsklave verdingen muss, weil sie sonst verhungerte, wird deutlich, welchem künstlerischen Level seiner Darsteller der Regisseur sich hier anvertrauen kann:
Die Damen Schmidt und Kugler, durchgehend wunderbar, aber besoders umwerfend in der Saufszene, die Herren Wunderlich, Krumpholz und Bock, jede einzelne ihrer Typen gekonnt charakterisierend, bilden ein Team, das seinesgleichen sucht.
Ex-Intendant Schirmer, zu dessen Projekten ja diese Produktion noch zählt, wäre sehr froh gewesen, hätte er sie sehen können (Nein, er war nicht,wie Gerüchtemacher wissen wollten, zu dieser Premiere aus seinem jetzigen Wohnort Freiburg angereist, der Chronist hat eine halbe Stunde nach Beendigung des Abends telefonisch den Erfolg dorthin vermeldet). Und Karin Beier sollte sich jene Schauspieler in diesen Aufgaben ansehen, ehe sie entscheidet, wer in Zukunft ihrem Ensemble erhalten bleiben soll, wer nicht……