Friedhof der Göttertiere

Antike Balsamierer helfen modernen Medizinern
Aegyptische Geschichte aus ungewöhnlichen Blickwinkeln

Text: Hans-Peter Kurr /Fotos : M. Bertinetti & H.-P. Kurr

Autor Hans- Peter Kurr vor einer Horus- Skulptur

Aegyptologie ist ein erst etwas mehr als zweihundert Jahre alter Wissenschaftszweig, der sich mit der Erforschung von fünftausend Jahren Menschheitsgeschichte im östlichen Mediterraneum beschäftigt.In unseren Tagen verblüfft ein neuer Aspekt in der Arbeit der Aegyptologen. Sie helfen der modernen Medizin: Das Institut für Aegyptologie an der Münchner Maximilian-Universität, unter  Leitung von Professor Dr. Dieter Kessler, forschte im „Friedhof der Göttertiere“ bei Tuna-el-Gebel.
Seit Entzifferung der Hieroglyphen durch den Franzosen Champollion zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurden Funde von Tiermumien eher als Kuriosa abgetan.Man beschäftigte sich zuvörderst mit Pharaonengräbern,  Pyramiden, Obelisken, Goldfunden.Diese Gebiete waren, gemeinsam mit wichtigen Papyri, die „Objekte der Begierde“.Erst jetzt rückt immer mehr die gigantische „Industrie“ und der Kult des antiken Aegypters, den er jahrtausendelang an und mit Tieren betrieb, in den Brennpunkt genauerer wissenschaftlicher Forschung, die dabei  Ergebnisse erzielt,die unter heutigen medizinischen Aspekten sehr interessant sind:
Im Zeitalter von Schweinegrippe, Vogelseuche, SARS etc. werden die nachzuweisenden, artenübergreifenden Übertragungswege von Viren immer wichtiger – etwa am Beispiel von TBC, worunter offenbar der Aegypter des Altertums selber als auch dessen Rinder litten.
An Millionen, aus religiösen Gründen mumifizierten, Tieren kann heute, über fast fünftausend Jahre hinweg, nachgewiesen werden, wie sich diese Krankheitsformen damals entwickelten und welche diagnostischen und therapeutischen Wege die Priesterärzte der aegyptischen Frühantike beschritten und dem Menschen unserer Tage als Vermächtnis hinterlassen haben. Aus wichtigen Papyri bezogen wir Nachfahren seit langem genaue Kenntnisse über Medizin und Mediziner jener urfernen Tage, die Erforschung des „Innenlebens“ längst verstorbener oder geopferter Tiere, vornehmlich der Ibis-Leichen von Tuna-el-Gebel, die durch die Mumifizierung ebenso gut erhalten geblieben sind als hätte man sie „schockgefroren“, durch die Wissenschaftler der Münchner Universität, ist brandneu.

Der Schatten der Chephren- Pyramide am frühen Morgen

Allerdings, die Diskrepanz zwischen den Bildern, die vor dem inneren Auge beim Anblick der altaegyptischen Zeugnisse entstehen, und dem Erscheinungsbild des heutigen Landes am Nil könnte kaum grösser sein:
Kein Gast kann sich, seit dem Massaker von Luxor vor dreizehn Jahren, im Lande wirklich frei bewegen.“Die Polizei“, meint mein Freund, der Aegyptologe Salah Hassan Kalil aus Luxor,“ ist der Totengräber des Tourismus!“ Auch der deutsche Ausgräber Professor Kessler und sein zweiköpfiges Team in Tuna-el-Gebel wurden bei ihrer Arbeit von vierzig Polizisten „bewacht“.und der Reisende, der nach Besuch bei dem deutschen Wissenschaftler auf die andere Nilseite übersetzen möchte,wird von stets lächelnden Schwarzuniformierten eskortiert.
Schräg gegenüber vom „Friedhof der Göttertiere“ liegen die Ruinen der wichtigsten Goldstadt der aegyptischen Frühantike, mit heutigem Namen Tell-el-Amarna, original: Achet-aton, frei übersetzt: Horizont des Lichtes.
Eine Stadt jener frühen Jahre ( 18. Dynastie, ca. 1. 300 ante Christi natu) besteht in der Regel aus zwei Bezirken, einem steinernen für die Ewigkeit und einem für die Zeitlichkeit der Lebenden, gebaut aus Nilschlamm-Ziegeln, Holz und Goldplatten. Achet-aton bildet da keine Ausnahme – bis auf den Tempel „Gem-Aton“und den Hauptpalast „Maru-Aton“ mit seinem „Erscheinungsfenster“, an dem sich allmorgendlich das Herrscherpaar, der Pharao Ech-n-aton und seine schöne Gemahlin Nofretete, dem Volk zeigte und verdiente Würdenträger mit dem „Gold der königlichen Gunst“ auszeichnete.Der Stadtteil für die Toten liegt hier – im Gegensatz zu allen anderen aegyptischen Nekropolen, im Osten und ist dreigeteilt: Die Süd-  und Nordgräber und, elf Kilometer landeinwärts gen Osten in einem Wadi,neun Gräber, in den Berg geschlagen für die königliche Familie.Einige Aegyptologen unserer Tage schliessen daraus, das Herrscherpaar habe nicht sechs, wie üblicherweise tradiert, sondern sieben Töchtern das Leben geschenkt…..in dieser eigens in der Wüste errichteten Stadt, in der Ech-n-aton und Nofretete elf von ihren insgesamt siebzehn Regierungsjahren verbrachten, auf der geographischen Mitte zwischen der Hauptstadt des Alten Reiches, Memphis ( nahe dem heutigen Kairo) und jener des Neuen, Theben, in einen weit ausschwingenden Nilbogen eingeschmiegt.Zu dieser, heute öden, Stätte verirren sich – glücklicherweise  – die internationalen Touristenströme nur selten. Sie reisen lieber zu den Tempelanlagen von Luxor und Karnak, jenes antike Theben, über das bereits Homer in der „Ilias“ schreibt: “ Einhundert Tore besitzt diese Stadt in ihren weissen Mauern; durch jedes einzelne ziehen zweimal hundert Männer mitsamt Rossen und Wagen“.

Der Isis- Tempel auf der Insel Agilka

Die Stadt Achet-aton hat sich – soweit wir dies heute rekonstruieren können – mit ihren Vororten rund sieben Kilometer am Strom entlang hingezogen und etwa eineinhalb Kilometer ostwärts in das Landesinnere (Siehe auch Hans-Peter Kurrs Biographie der sechsten Tochter des Herrscherpaares, Setep-n-re, erschienen bei Shaker-media unter dem Titel „Der Herrscher der zwei Horizonte“ – ISB-Nummer: 978 – 3 – 86858 – 581 – 0 )Einer der pharaonischen Hofbeamten, mit Namen Paren-nefer, der sich vom einfachen Handwerker und Priesterschüler zum Hofkellermeister und Landeshandwerksmeister in Ech-natons Nähe emporgearbeitet hatte und später mit der Amme der Töchter des königlichen Liebespaares, Nefer-beth, verheiratet war, hat uns – durch eine Grabdekration und -inskription – eine wundervolle Beschreibung der Metropole hinterlassen, in der es heisst: „….die mächtige Stadt des Lichtortes des Aton, gross an Lieblichkeit, die Herrin gottesgefälliger Feiern, reich an Besitz, in deren Mitte das Opfer des Aton sich befindet.Beim Anblick ihrer Schönheit herrscht Frohlocken. Sie ist lieblich und herrlich zugleich; wenn man sie betrachtet, ist es wie der Anblick des Himmels.“.

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Das Luftbild wurde mit freundlicher Genehmigung des Verlages entnommen dem Bildband  „Aegypten von oben“,( Ein Buch der Partner Frederking & Thaler & GEO)
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Die beste Jahres-Reise-Zeit für Aegypten sind die Monate September bis April.
Buchungen von Individualreisen durch das „American Express“-Reisebüro, Hamburg, Grosse Bäckerstrasse in Co-operation mit „Abercrombie & Kent Egypt „, St. Boustan Centre, Kairo.