Von Hans-Peter Kurr
Deutsches Schauspielhaus Hamburg: Schule der Frauen
Jetzt können wir endlich nachvollziehen, was Ludwig XIV. – nachdem er eine Vorstellung der Molière-Wanderbühne gesehen hatte, die jener gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Madeleine leitete – veranlasst haben mag, den Dichter und Darsteller Jean-Baptise Poquelin, genannt Molière, zum „Unterhaltungschef“ an den sonnenköniglichen Hof von Versailles zu engagieren und in den Folgejahren seiner Regierungszeit hohe Louisd’or-Beträge für Inszenierungen des Meisters seiner eigenen Stücke auszugeben:
Zu verdanken haben wir diese Möglichkeit der Imagination der vermutlich ähnlichen Inszenierung der Komödie „Schule der Frauen“ durch Herbert Fritsch, die jetzt am Deutschen Schauspielhaus eine umjubelte Premiere feierte. Das Spiel des hochqualifizierten Karin-Beier-Ensembles in malerisch stimmungsvoller und hervorragend beleuchteter Kulisse ist ebenso ein federleichtes Theatervergnügen wie ein exemplarisches Beispiel hoher Schauspielkunst.
Allen voran glänzt Joachim Meyerhoff als Arnolphe: Ein körperlich hochtrainierter Darsteller, der während der drei Stunden, in denen er ununterbrochen auf der Bühne agiert, nicht nur die Höchstleistung eines Extremsportlers erbringt, sondern alle Möglichkeiten der menschendarstellenden Kunst bis zur perfekten Pantomime präsentiert. Wahrhaft einmalig, diese Leistung im Rahmen der äußerst anspruchsvollen und eigenwilligen Fritsch-Inszenierung, die auf’s herrlichste Georg Hensels Forderung erfüllt: „Wer sich über den genauen Ablauf einer Molière-Komödie vor der Aufführung unterrichten möchte, dem müsste wegen Humorlosigkeit die Eintrittskarte entzogen werden.“
Diese Komödien mit ihren durchsichtigen Figurengruppen sind so herrlich klar, dass sie keiner Erläuterung bedürfen und dort, wo etwas in der Schwebe bleibt, soll es auch nach dem Schlussvorhang nicht ausgesprochen werden.“ (Nach eben jenem Schlussvorhang gibt es an der Kirchenallee eine so originell inszenierte Applausordnung, wie sie lange dort nicht erlebt werden konnte, deren Krönung darin besteht, dass der Regisseur wie der klassische „deus ex machina“ aus dem Schnürboden herabschwebt, um sich bei seinem genialisch agierenden Ensemble – glänzend: Bastian Reiner als Horace, Karoline Bär als Agnes und alle die anderen – zu bedanken! )
Molière ist ja immer auch moralisch orientiert. Und das gewiss nicht nur aus Rücksichtnahme auf die rigiden katholisch-kirchlichen Kriterien seiner Zeit, die die Uraufführung des „Tartuffe“ beinahe ebenso scheitern ließen wie die Beisetzung des grossen Dichters in geheiligter Erde, die seine 19-jährige Witwe Armande später, erfolgreich, vom Sonnenkönig einforderte.
Der kluge Produktionsdramaturg Michael Propfe schreibt dazu: „ Molières meisterliche Verzwirnung des Wettlaufs der beiden entgegengesetzten Intrigen Arnophes und Horaces machen Arnolphe ungewollt zum Regisseur, Zuschauer, Gefangenen und Opfer seines eigenen Schicksales – eine Art tragikomischer Oedipus. Die Konflikte eskalieren in gefährlicher Weise, bis es buchstäblich in letzter Minute glückt, die richtige Ehe zustande zu bringen. Die Abschaffung der Eifersucht gelingt nur durch Entsagung!“
Ein hochkarätiger Komödienabend an der Kirchenallee, an dem sich alle Theatergänger unserer Hansestadt ergötzen sollten!