Von Hartmuth Seitz
Ein Bericht von der Leipziger Buchmesse
Mehr Besucher, als im Vorjahr, aber weniger Aussteller. Das ist die Bilanz der Leipziger Buchmesse 2013. Mit 168.000 Besuchern und 50.000 Fachbesuchern stellte die Buchmesse 2013 einen neuen Rekord auf. 2069 Verlage, 2900 Mitwirkende bei 2800 Veranstaltungen und ein um 1,7 % gegenüber dem Vorjahr vergrößerter Umsatz an den Ständen.
Messe-Samstag. Kurz vor 10 Uhr am Hauptbahnhof. Sämtliche Straßenbahnen zum Messegelände sind überfüllt. Keine Chance. Der Zug an Gleis 13 kommt verspätet – ist schnell überfüllt. Man kann nicht abfahren. Bei diesem Besucherandrang kommt man unweigerlich mit anderen Besuchern ins Gespräch, hört ungewollt Telefonate mit. Bis zum Eingang Messe dauert es an diesem Tag glatt 45 Minuten. Wer seine Tickets nicht im Vorfeld besorgt hat, ergibt sich beim Kartenkauf seinem Schicksal – oder geht wieder. Die entsprechende Schlange verlängert sich ständig, verringert sich wenig und kostet wertvolle Zeit – mindestens weitere 15 Minuten.
In diesem Jahr war das Wetter ungünstig – man war zu winterlicher Garderobe gezwungen. Wer den die Hallen verbindenden gläsernen Mittelbau kennt, versteht, dass man seine Wintergarderobe nicht mit in die Hallen nimmt. Endlich kann man sich in eine der langen Schlangen vor der Garderobe einreihen. Und wieder kommt man ins Gespräch. Links wird geschimpft, rechts wird gestöhnt, vor einem die Begrüßung „Willkommen im Club“. Schrittchenweise geht es voran. Nach gut 30 Minuten ist die Garderobiere erreicht. Dankbar nimmt sie zur Kenntnis, dass man ihr ermöglicht, zwei Jacken gleichzeitig anzunehmen und die Taschen nicht abgeben möchte. Spätestens jetzt – und es ist jetzt erst kurz nach 11 Uhr – merkt der geneigte Ausstellungsbesucher, dass die Garderobe hoffnungslos unterbesetzt ist. Da versteht man gegen 13 Uhr den Stoßseufzer eines Garderobiers: „Unsere Infrastruktur ist mal wieder total überlastet. Wir nehmen keine Garderobe mehr an – wir geben nur noch aus.“ Die Garderobe zu diesem Zeitpunkt wegen Überfüllung geschlossen. Dafür hatte man während dieser Wartephasen schon einmal Gelegenheit, eine farbenfreudige Messezutat zu bewundern – als Comic-Figuren fantasievoll verkleidete jugendliche Besucher (Cosplayer) .
An diesem Samstag ist uns das Glück nicht sehr hold. Die „Eingangsprozedur“ von der Garderobe bis zum Eingangsdrehkreuz reduziert sich wegen der Dauerkarten auf gute 30 Minuten. Pech hatte aber, wer dringend eine Toilette suchte. „Besetzt – aber sie können außen um die Hallen rumgehen. Auf der anderen Seite sind auch welche.“ Das war einer der freundlichen Service-Menschen. Es ging aber auch per Megaphon – dann zuletzt unfreundlich. Wen wundert´s wenn liebe Mitbesucher versuchen, durch verstärktes Drängeln und gegen den Strom laufen schneller den vermeintlich guten Platz zu erreichen. Zwischen den Hallen brauchte man in den diese verbindenden Glasröhren schon mal glatte 15 Minuten – jede Schnecke wäre schneller gewesen.
In Halle 2 hätte sich an diesem Samstag jede Ölsardine wohl gefühlt. Voll bis auf den letzten Platz. Das war meistens das Ergebnis, wenn man in einer zahlreichen der Autoren-Arenen das mit Prominenz besetzte Programm hören wollte. Und ganz besonders, wenn ein Promi aus Funk und Fernsehen aus dem Nähkästchen plaudern wollte. Zumindest am Samstag – Pardon, ich wiederhole mich.
Egal ob Schorlemmer, Steimle oder Gysi –war es rappelvoll. Wer es nicht in die Arenen schaffte, hatte aber immer Gelegenheit, die entsprechenden Gespräche auf einem der zahlreihen Bildschirme zu verfolgen.
Verraten sei an dieser Stelle, dass an diesem Samstag die Flucht vom Gelände die beste Entscheidung war – trotz überfüllten Straßenbahnen und Messezügen. Man hatte ja eine Dauerkarte und konnte die anderen Tage genießen.
Wer zu ruhigeren Zeiten über die Messe schlendert, verzichtet zwar auf den samstäglichen Hautkontakt hat aber allen anderen Tagen Gelegenheit ausgiebig zu bestaunen, was zu einer Buchmesse gehören will.
In Leipzig wurde der Trend zum Hörbuch bereits Rechnung getragen und in das Konzept aufgenommen. Wer sich Zeit nimmt, kann in aller Ruhe neue und alte Bücher in digitaler Form genießen. Neben den herkömmlichen Buch-Vorlesungen gibt es die reinsten Hörspiele, bei denen die unterschiedlichsten Schauspieler die sprechenden Figuren zum Leben erwecken. Das Feld guter Stimmen dafür ist groß. Das ist teilweise besser als Kino – denn so wird ein Buch tatsächlich zum Kino im Kopf.
Auf einer Buchmesse findet man viele Dinge rund um das Buch. Das beginnt mit jenen Ausstellern, die regelrechte Schreiblehrgänge anbieten. Da findet man ein Scriptorium, in dem man sich mit Feder und Tinte beweisen kann. Aber auch die Schreibwerkstatt mit Anleitungen zum Tippen auf der für jüngere Besucher anscheinend ungewöhnlichen Schreibmaschine fehlt nicht. Das findet man neben der „herkömmlichen“ Schreibmaschine auch eine mit Braille-Schrift. Hier kann man sich im wahren Wortsinn in Schriftstücke einfühlen.
Eine Druckwerkstatt – wie früher – bietet halbstündlich erklärende Vorführungen. Man darf auch selber ran und unter Anleitung sein eigenes Blatt drucken. Ist das Buch fertig, möchte es entsprechend aufbewahrt werden. Vielleicht bedarf es auch einer Stütze? Dreidimensionale hölzerne Buchstützen passend zum Buchthema werden ebenso angeboten, wie Lese- und Hörmöbel. Schließlich will man sein Buch in entsprechender heimischer Umgebung genießen. Sessel in der Art eines Bücherregals oder Lesehocker – oder vielleicht ein gemeinsames Lese-Lausch-Erlebnis? Dazu gibt es Klanggmöbel. Spätestens jetzt kommt er, der berühmte Stoßseufzer eines Besuchers: „Und was hat das alles mit einer Buchmesse zu tun“. Unaufgefordert wurde gleich ein Vergleich zu den Messen in Frankfurt und Wien geliefert.
An dieser Stelle fehlen noch Hinweise zu anderen bedruckten Papieren. Schulbücher, Notenbücher, Kalender , Bilddrucke, Zeichnungen … Man sieht, es ist wahrlich nicht alles Buch, was glänzt.
Fazit für den nächsten Messebesuch in Leipzig: Der Eröffnungstag wird nebst Freitag dem Sondieren dienen. Der Samstag bleibt frei – und am Sonntag wird gekauft. Denn dann dürfen auch die kleinen Verlage – so lange sie nicht in der Messebuchhandlung vertreten sind – ab 15 Uhr ihre Regale leeren.
Foto: Seitz