Fotos Jennifer Rettenberger
Als Hans-Peter Kurr in einem kleinen Pariser Privattheater die Aufführung in der französichen Originalfassung „L´hiver sous la table“ erlebte, wusste er sofort: Das Stück hole ich nach Hamburg! Der Autor, das polnische Allround-Genie Roland Topor, hatte es als komödiantische Studie geschrieben. Der Karikaturist, Illustrator, Schriftsteller und Schauspieler, als Sohn einer polnisch-jüdischen Emigrantenfamilie in Paris geboren, war allerdings schon im Jahre 1997 verstorben. Der international agierende Künstler hatte mit großen Regisseuren wie Federico Fellini oder Roman Polanski, der Topors Roman „Der Mieter“ verfilmte, und auch mit deutschen Filmemachern wie Werner Herzog und Volker Schlöndorff zusammen gearbeitet. Unmöglich Topors gesamtes künstlerisches Schaffen auch nur annähernd zu umreißen. Fokussieren wir uns auf seine Theaterstücke, zu denen „L´hiver sous la table“ gehört. Der originelle Titel wurde wörtlich für die deutsche Übersetzung übernommen, die Mariella Piepenbrock erarbeitete. Es gelang ihr, den französischen Humor und die Komödiantrie auch in die deutsche Fassung zu transferieren. Die Erstaufführung fand 1993 in Mannheim statt. Hans-Peter Kurr konnte sich die Rechte für die Hamburger Erstaufführung am 13.Februar 2013 sichern und stellte ein Ensemble aus begabten Nachwuchsschauspielern zusammen, das eine geglückte Wahl bewies. Das amüsierte Publikum bedachte die jungen Akteure bei den vier bisher erfolgten Aufführungen mit viel Lachen und Applaus.
Die in Paris stattfindende Handlung wird von einer attraktiven jungen Frau, der Übersetzerin Florence, und dem etwas scheuen Automechaniker Dragomir bestimmt. Er ist fremd in der Stadt und findet weder Arbeit noch Bleibe. Nun hat er endlich ein Dach über dem Kopf – eine Tischplatte, die zu dem Möbelstück gehört, das in der Wohnung der ebenfalls arbeitslosen Florence steht. Sie hat ihm den Platz unter dem Tisch vermietet, an dem sie arbeitet, wenn sie einen Auftrag hat. Während er unter dem Tisch werkelt, kocht und schläft, übersetzt Florence auf dem Tisch ihre Texte. Beide haben eine wunderbare Zeit miteinander, sie respektieren sich und gehen trotz der physischen Nähe respektvoll miteinander um. Der bisher vom Leben arg gebeutelte Dragomir fühlt sich geborgen, er hat sein Obdach gefunden das zwar fensterlos ist und doch eine ideale Aussicht bietet: auf die schönen Beine von Florence. Und alles könnte so problemlos weiter gehen, wenn da nicht die Freunde von Florence wären, die voller Misstrauen diese seltsame Tischgemeinschaft beäugen. Der coolen Raymonde wäre es lieber, wenn ihre Freundin endlich den Annäherungsversuchen des älteren, gut situierten Verlegers Marc nachgeben würde, der Florence nicht ohne Hintersinn mit Aufträgen versorgt. Nie würden sie sich zu dem Untermieter gesellen, der dafür Gesellschaft von seinem Cousin Gritzka bekommt, der ebenfalls pleite ist und samt Cello zu Dragomir unter den Tisch kriecht. Alles geht im wahrsten Sinn „drunter und drüber“, bis es eine unverhoffte Lösung gibt, die Florence und Dragomir zusammenführt – ohne die hindernde Tischplatte.
Tischgespräche finden in geselligem Zusammensein an einer gedeckten Tafel statt und bewegen sich in jeder Hinsicht auf höherer Ebene, einige sind sogar in die Literaturgeschichte eingegangen. Ungewöhnlich sind dagegen Tischgespräche, die nicht horizontal sondern vertikal erfolgen, also von oben nach unten und umgekehrt. Auch die gibt es, jedenfalls in der komödiantischen Studie des polnischen Autors Roland Topor „ Ein Winter unter´m Tisch“, die der experimentierfreudige Regisseur und Schauspieler Hans-Peter Kurr auf die Bühne des Hamburger „monsum theater“ brachte. Fünf junge Schauspieler zeigten unter seiner Regie ein lustvolles Spiel, das die unterschiedlichen Charaktere der handelnden Personen und ihre Beziehungen zu einander pointierte, damit die Zuschauer die komödiantischen, teils herrlich schrägen Effekte dieses Theaterstückes voll auskosten konnten.
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