Von Michael Buschow
Das Restaurant „Marinehaus“
Freitag Abend im September 2012, 22.15 Uhr, in der Bundeshauptstadt im Bezirk Mitte – Märkisches Ufer – Im Herzen von Berlin:
Nach dem Theaterbesuch wollen Freunde uns Nordlichtern etwas Gutes tun. Alle haben Hunger und es gibt einen Geheimtipp direkt in der Nähe: Das Traditions-Restaurant „Marinehaus“ am Märkischen Ufer 48-50, direkt vis á vis der alten Museumsschiffe und der Schleuse. Toll!
„Zu DDR Zeiten konntest du nur mit Beziehungen reinkommen und wenn du West-Mark hattest“, erklärte Freund Jörg, „immer rappelvoll der Laden und die Schnitzel sind Legende“.
Das „Marinehaus“ entpuppt sich innen als ein für Stadt/ Landratten übervoll maritimisiertes Etablissement mit den unabwendbaren Schiffsmodellen, Bildern, Glocken und aufgespannten Segeln und ist tatsächlich immer noch wie zu DDR Zeiten rappelvoll. Nach einigem Suchen erhaschen wir einen frei werdenden Tisch und schon eilt eine blonde Bedienung heran und schmettert uns die Speisekarten auf den Tisch. Eigentlich hatte ich ein „Moin, Moin, – Ahoi“ oder etwas ähnlich schiffig-norddeutsches erwartet.
„Brauchen wir nicht“, sage ich nach einem kurzen Blick – „vier mal Schnitzel“ – aber schon schüttelt die Blonde den Kopf. „Küche is zu“!
Wofür, will ich wissen, hat sie uns denn dann die Speisekarten hingelegt? „Na wegen die Jetränke“ – läßt sie uns fröhlich wissen.
„Moment mal“, ich triumphiere und klappe das Deckblatt der Speisekarte wieder auf – „hier steht bei Öffnungszeiten der Küche – bis 24 Uhr“!
Sie nimmt die Karte, starrt auf die Titelseite und lacht: „Jlob ick ja nich, jetze arbeede ick schon zwölf Jahre hier und det is mer nich uffjefallen“ – sie gluckst weiter. Aber es kommt noch besser!
„Und in D-Mark steht hier ooch noch allet uff der Titelseite“.
Ich bin sprachlos. Tatsächlich, dort steht gedruckt: Alle Preise in DM.
(Die normalen Tages-Karten sind allerdings „bereits“ in gegenwärtiger Währung ausgezeichnet !)
Meine schwache, nochmalige Frage nach den Öffnungszeiten der Küche wird gut gelaunt ignoriert und sie erklärt: „Ick empfehle Jästen vonn Hotel immer zweemal ums Eck zu jehen, dort is ne Jaststätte mit durchjehender Küche.“
Wir sind sprachlos.
„Wat möchteta nu trinken“? fragt sie jovial weiter und hält ihren Bestellblock schreibbereit. – Eigentlich ist uns nach gehen zumute, zumal gerade eine ihrer Kolleginnen volle Teller (sicher rechtzeitig bestellt!) mit duftenden Speisen in unserer Nasenhöhe vorbeiballanciert, bestellen dann aber aus Trotz vier kleine Cola.
„Kann ick nich empfehlen“- berät uns die Blonde – „is nur Pepsi und die schmeckt scheiße“.
Verstohlen schaue ich mich im Restaurant um. Irgendwo muß eine versteckte Kamera á la Kurt Felix lauern und wahrscheinlich ergötzen sich gerade tausende Fernsehzuschauer an unsern dummen Gesichtern !
Jörg platzt gleich der Kragen, unsere Frauen sehen stumm bekümmert drein und ich resigniere. DAS HIER ist absolute Realität und kein Fake!
Eigentlich wollte ich niemals Restaurantkritiker werden – aber ok – wenn sie es so haben wollen!
Also liebe Besucher unserer Hauptstadt: Wer in Berlin unbedingt in maritimer Atmosphäre z.B. Schnitzel essen gehen und gemütlich mit Freunden ein paar Biere zwitschern möchte, sollte sich beeilen und lange vor 22.00 Uhr im „Marinehaus“ erscheinen, sicherheitshalber ein paar alte D-Mark Scheine einstecken, (Autofahrer auf gar keinen Fall Cola bestellen – die schmeckt tatsächlich scheiße!) oder der mache besser direkt einen Riesenbogen um das Märkische Ufer 48-50 und begebe sich in ein Nordseerestaurant, bestelle bei McDonalds einen Fischburger oder noch einfacher – er gehe lieber direkt zu einer Currywurstbude. Da weiß man, was man bekommt.
Alles besser, als im „Marinehaus“ zu verhungern und auf „jut-Berlinerische Art“ totgequatscht zu werden.
P.S. Zu der Qualität der Speisen dort kann ich mangels Kenntnis kein Urteil abgeben! Die Bedienung jedenfalls zeigt eine – sagen wir mal: ungewöhnliche Kompetenz.
Juten Appetit.