Von Dr. László Kova
Eröffnungsrede zur Ausstellung in der Rudolf-Steiner-Schule, Altona
Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste unserer Ausstellung!
Die Bezeichnung „Sitzend – Stehend – Liegend“ deutet nicht auf körperliche Betätigung hin, ist auch keine Werbung für eine orthopädische Praxis in Altona, setzte nicht ins Ziel, die Anwesenden durch sportliche Animation von Ihren Rückenschmerzen zu befreien. Es ist einfach der Titel unserer Ausstellung.
Wie Sie es schon in den letzten Jahren bei unseren Ausstellungen Akt erfahren haben, handelt es sich diesmal auch bei den ausgestellten Arbeiten eigentlich um schnelle Skizzen; keines Falls um ausführlich ausgearbeitete Bilder. Die präsentierten Exemplare spiegeln die Entstehung der Zeichnungen wider, wo das Beschränken auf das Wesentliche, Grundsätzliche und Dynamische im Vordergrund steht. Übrigens ist das Aktzeichnen und Aktmalen für Künstler eine elementare Übung, die das Sehen und Wahrnehmen der Formen und Proportionen immer wieder schult.
Ist der Akt eine neuzeitliche Erscheinung? Nein. Der Mensch interessierte sich vom Anfang an für eigenen Körper, was die Höhlenmalerei und Felsenzeichnungen in Afrika und Frankreich beweisen. Die erste menschliche Skulptur wurde etwa vor 25.000 Jahren v. Chr. geschaffen. Die Figur ist nur 11 cm groß, wurde aus Kalkstein herausarbeitet und heißt Venus von Willendorf. Diese Fruchtbarkeitssymbol hat schwere Brüste, runden Bauch, ein überproportioniertes Gesäß und dicke Schenkel. Sogar ihre Schamlippen sind detailliert dargestellt. Der unbekannte Schaffer dieser Figur war vielleicht der erste Künstler, der eine Aktdarstellung formte.
Die Kunstmaler, z.B. Michelangelo, Dürer, Goya, Renoir, Pablo Picasso, Matisse, Schiele, Gustav Klimt, der Bildhauer Aguste Rodin, sowie der deutsche Fotograph Helmut Newton zur Ehre der Frau weltberühmte Werke geschaffen, die das Publikum in den Tempel der Kunst, also in Kunsthallen und Kunstmuseen, immer wieder massenweise bewundert.
Da ich in den letzten zwei Jahren über die Geschichte des Aktzeichnens und Aktmalens in meinen Eröffnungsreden ausführlich gesprochen habe, möchte ich mich hier nicht wiederholen. Aber ich möchte auch nicht versäumen zu erwähnen, dass der Akt als künstlerische Ausdruckerscheinung im privaten Wohnbereich die eigene Legitimität noch nicht vollständig erreicht hat. Hierfür werden Sie gehört haben, dass unsere Boulevardpresse, die populäre Bildzeitung, neulich von ihrer ersten Seite das Aktfoto des schönsten Geschlechts vertrieben hat.
Der Aktzeichner kann seine brodelnden Emotionen nicht immer unterdrücken. Eben das beschrieb Hans Habe, der amerikanische Journalist mit ungarischer Abstammung, in seinem Buch „Der Künstler und sein Modell“. Dort wird es klar, dass einige Künstler beim Aktmalen am Modell ihre Unabhängigkeit öfter verloren haben. Ich denke hier u.a. an Picasso.
Sein Modell Fernande Olivier war seine erste Geliebte in Paris, mit der er 7 Jahre zusammen gelebt hat. Der selbe Picasso heiratete die Baletttänzerin Olga Khoklova, die aus dem russischen Adel stammte. Er lernte sie bei seinen Auftragsarbeiten für Kostüm und Bühnenbilder in Rom kennen.
Danach lernte er die anmutige Marie-Therese Walther als 17-jähriges Mädchen kennen. Später trat die intelligente Fotografin Dora Maar in sein Leben. Nach dem II. Weltkrieg konnte er der jungen, angehenden Künstlerin Françoise Gilot nicht widerstehen. Seine zweite Ehefrau war Jacqueline Roque, das Modell, das er am häufigsten darstellte.
Und wie war es mit Salvador Dali? Er hat auf seinen Gemälden seine Frau Gala oft verewigt. Sie war sein Modell, obwohl er eine starke Beziehung zu jungen Männern pflegte. Gala und Dali begangen in den 1960-er Jahren getrennte Wege zu gehen. Dann wurde sein langjähriges Model Amanda Lear, eine Transsexuelle, die als Sängerin in Nachtclubs auftrat.
Ohne weitere Beispiele zu nennen ist es offensichtlich, dass das Modell häufig wie eine schicksalhafte emotionelle Inspiration auf den Maler gewirkt hat. Nicht selten erfolgte zwischen dem Maler und Modell eine langfristige Zusammenarbeit oder führte sogar zur Ehe.
Die Literatur liefert auch Beispiele dafür, dass die Maler-Modell-Beziehung gegebenenfalls mit einer kleinen Enttäuschung enden kann. Dafür möchte ich Ihnen ein witziges Gedicht von Rudi Strahl vortragen, der 1931 in Stettin geboren wurde und 2001 in Berlin starb:
Modell-Danach-Gekränkt
Jüngst sah mich ein Maler, ein reizender Mann,
der wollte mich gleich als Modell.
Er sprach mich direkt auf der Straße an,
dabei war es noch ziemlich hell.
Er wollte mich malen. Mich, die Lolo.
Als Akt. Mit Blumen. Und so.
Ich habe schon immer für Maler geschwärmt,
doch weiß ich, wie die alle sind:
Zuerst wird gemalt. Und dann Tee aufgewärmt.
Und später bekommt man ein Kind.
Ob auch mir das passiert? Mir, der Lolo?
Als Akt? Mit Blumen? Und so?
Und ich saß ihm und dachte: Na, hinterher …
und ich habe ihn angestrahlt.
Und ich war sooo gespannt doch leider hat er
mich dann tatsächlich nur gemalt.
Nur gemalt. Nichts weiter. Mich, die Lolo.
Als Akt. Mit Blumen. Und so.
Meine Damen und Herren, liebe Gäste! Das Thema Akt bewegt auch die Phantasie des Witzbolds. Und zwar: Ein stolzer Hahn besucht jede Woche den Hühnerhof. Er geht dort wie ein Macho herum, schaut scharf die Hühner an und küsst dann jedes Huhn. Aber das letzte Huhn küsst er nicht, sondern er zupft aus seinem Gefieder eine Feder und verlässt still den Hühnerhof. Diese Prozedur wiederholt sich mehrere Wochen lang. Eines Tages erscheint der Macho-Hahn wieder auf dem Hühnerhof, stolz zieht er seine Kreise, küsst jedes Huhn und aus dem letzten zupft er wieder eine Feder aus. Dann plötzlich fängt das Huhn an, sich zu beklagen: „Du küsst jedes Huhn. Mich nicht. Du zupfst mir jede Woche eine Feder heraus. Warum? Der Hahn antwortete schelmisch lächelnd: „Ich möchte dich nackt sehen.“
Meine Damen und Herren! Ich hoffe, dass Sie in unserer Ausstellung ihre Lieblingsbilder finden können. Dafür haben die Protagonisten dieser Ausstellung über den Winter sorgfältig und hart gearbeitet. Wer sind sie namentlich? Sie sind unsere liebe Leiterin Anja von Hofen, Victoria Bürgin, John Bassiner, Joshua von Hofen, Dr. László Kova, Barnabás Nagy, Anne-Katrin Piepenbrink und Steffen Schröter. Musikalisch begleiten den heutigen Abend Heike Prange an der Geige und Barnabás Nagy an der Ukulele.
Zum Schluss wünsche ich Ihnen, sehr geehrte Gäste, einen unterhaltsamen Abend und einen angenehmen Kunstgenuss in unserer Ausstellung, die auch als Hommage unserer weiblichen und männlichen Modelle gelten und im Monat März durchaus als Frühlingsgruß verstanden werden kann.
Apropos, etwas Finanzielles: Jeder Mensch ist Adam, Adam aus dem Eden, da wir von ihm abstammen. Aufgrund des Erkenntnisses von Mark Twain, des amerikanischen Schriftstellers, der eigentlich Samuel Langhorne Clemens hieß, möchte ich einen Kaufverbot unserer Werke aussprechen. Also, es ist verboten, unsere Zeichnungen zu erwerben. Warum sage ich das? Markt Twain analysierte nämlich die Bibel und nach langjährigen Recherchen kam er zu der Feststellung, die das menschliche Verhalten grundsätzlich charakterisiert. So auch Adams Verhalten im Paradies. Und zwar: „Adam war ein Mensch. Er wollte den Apfel nur, weil er verboten war.“
(Rudolf Steiner Schule Altona am 29.03.2012 um 20:00 Uhr; Bleickenallee 1, 22763 Hamburg. Besuchzeiten der Ausstellung: 20.03.-21.05.2012 vom Mo. bis Fr. 10:00-15:00 Uhr. Eintritt ist frei.)
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Fotografie von Witka Kova