Von Hans-Peter Kurr
Wohlgelungene Premiere mit Hindernissen im Theater für Kinder
Das hat wohl selbst „bei der Oper“, allwo – im Gegensatz zum Schauspiel – allerlei Befremdliches wie das Einfliegen auswärtiger Sänger zur Übernahme der Partie eines stimmerkrankten Kollegen nahezu Alltag ist, Seltenheitswert: Ein Sänger erscheint in Kostüm und Maske auf der Szene, begnügt sich mit „mouthing“ (d.h.: Lippenbewegungen ohne Ton), der andere an einem Notenpult vor der Rampe, singt die Partie . So geschehen im Altonaer Theater für Kinder (Alleetheater) bei der Premiere des „Fliegenden Holländers“ in einer Kinder-Fassung der für derartige Unternehmungen hochqualifizierten Barbara Hass: Auf der Bühne Ralf Hutter als Kapitän des berühmten Geisterschiffes, gesungen von Marius Adam im privaten Anzug vor der ersten Zuhörer-Reihe.
Standing-Ovations und Jubelrufe , nicht nur für die Zwei , branden am Ende dieser neunzigminütigen Wagner-Produktion dem Ensemble ebenso entgegen wie dem phantasievoll-einfallsreichen Regisseur Andreas Franz, der dem traditionsreichen Haus „seit Jahrenden“ eng verwachsenen Bühnenbildnerin Kathrin Kegler (Immer wieder erstaunlich, was diese Frau auf jenem „Nudelbrett“ von Bühne alles zu zaubern imstande ist), dem musikalischen Leiter Tjaard Kirsch, der – unterstützt von zwei Mitmusikanten an Cello und Posaune, Erika Sehlbach und Eckhard Meyer – Wagners romantische Klänge in einer, wohl von ihm, Kirsch, mitverantworteten Mixtur von Ariosem und Textbeiträgen, zugleich disziplinierten, aber auch humvorvollen Weise interpretiert.
Und dieses Ensemble – naheliegenderweise mit Ausnahme von Michael Doumas pausenlos Pfeife rauchendem Daland – junger Sänger evozierte bei der Premiere Applaus-Stürme, obwohl Michael Julian Deusters komisch angelegter, stimmlich dauertremolierender Erik und Simone Umland für die Partie der – von Hass sehr geschickt dazuerfundenen Senta-Freundin Berit – mit ihrem scharfen Sopran ein wenig gewöhnungsbedürftig sind. Aber sie alle, wie auch Jeong-Hwan Parks sehr schönfarbiger Steuermann , der hier sogar den Namen Kim tragen darf, bewältigen die wesentliche Aufgabe des Abends bravourös:
Senta und Berit ersetzen sowohl den Chor der Spinnerinnen als auch Sentas Amme Mary, bevor Lisa – Maria Pichler ihren wundervoll tiefen, dramatischen Sopran in Mezzo-Nähe der Ballade der Senta widmen darf, der zu lauschen nachgerade eine Wonne ist. Der Chor der Seeleute im 3. Akt wird ebenfalls von den Solisten gestaltet und so geht es munter, aber wirklich gekonnt durch die gesamte Partitur bis hin zur geschickt ausgeleuchteten Apotheose.
Alles in allem: Der Abend ( richtiger gesagt: Der Nachmittag, die Vorstellungen beginnen um 16.00 Uhr!) ist ein wohliger Genuß und erfüllt mit Gewißheit seinen Zweck: Den erwachsenen Zuhörer von morgen inhaltlich zu konfrontieren mit demjenigen Ziel, das Pädagogen trocken als „musikalische Früherziehung“ bezeichnen. Hier geschieht es zugleich auf eindringliche wie unterhaltsame Weise. Vorzüglich!