Notizen zur Musical-Produktion „Sister act“ im Hamburger Operettenhaus
Von Hans-Peter Kurr
Dort, wo die Geschichte Hamburgs als Deutschlands Musical-Stadt Nr. 1 mit dem hinreissend-romantischen Märchen „Cats“ einst begonnen hat, als die Schlesselmann-Aera des damals scheinbar verlorenen Operettenhauses endete,wird jetzt ein veritabler Schmaus für Augen und Ohren gezeigt: Whoopi Goldbergs Nonnen sind an die Elbe gekommen ,gerieren sich temperamentvoll und bewundernswert präzise und vertreiben die letzten Schatten der weitaus langweiligeren Vorgänger-Produktion, die mit Udo Jürgens Hilfe stets behauptete, sie sei noch niemals in News York gewesen……
Eines der entscheidenen Erfolgskriterein dieser neuen Produktion besteht darin, dass die Wahl-Hamburgerin Daniela Ziegler als Mutter Oberin auf der Bühne steht, ihre unnachahmliche Stimme (, die wir seit langem z.B als Evita, als Velma in „Chikago“, als Norma in „Sunset Boulevard“ – in dem in Konkurs gegangenen Musical-Haus in Niederhausen bei Frankfurt – bewundern durften. Die Ziegler ist eine der vielseitigsten freiberuflichen Menschendarstellerinnen, die wir – glücklicherweise – in den Mauern der Hansestadt haben. Sie nun zum ersten Mal in dieser nachgerade bereits klassischen Musical-Hauptrolle geniessen zu dürfen, ist allein den Gang zur Reeperbahn wert.(Der neue künstlerische Leiter der , der Produktionsfirma „Stage Entertainment“ angegliederten, Schauspielschule „Joop van den Ende-Academy“ hält die bekannte Darstellerin denn auch für „erstklassig“ und findet ihre Verkörperung „ziemlich geil“).
Fairerweise darf nicht unerwähnt bleiben ,dass ihr „Walk-in-Cover“,die in Hamburg ebenfalls renommierte (z.B. durch ihre Interpretation der Piaf ) Barbara Krabbe, die die Rolle alternierend mit der Ziegler, singt, tanzt und spielt, auch ein unalltägliches „darstellerisches Kaliber“ ist…wie ein Zuhörer sich spontan äusserte. Im deutschen System der ( wenn auch inzwischen miserabel ) subventionierten Stadt- und Staatstheater sind kommerzielle Musical-Produktionen wie diese immer noch umstrittene Konkurrenzunternehmen. Dabei wird zu gern vergessen ( oder verdrängt?), wie alles begann .Die Älteren unter den Lesern werden sich noch zurückbesinnen können, dass Theaterbesucher während der Zeit des Nazi-Regimes in vielerlei Hinsicht nicht auf dem aktuellen Stand des internationalen Theaters sein konnten, weil alles, was nicht „deutschem Geist“ entsprang, als entartet galt. Dazu gehörte auch das amerikanische Vaudeville, das sich in USA langsam überlebte und zur Kategorie „Musical“ entwickelte.
In Mitteleuropa, zunächst in London, dann in der ehemaligen Bundesrepublik Deutschland , setzte sich das Musical ( auch als Ablösung der langweilig gewordenen Kategorie Operette) nur zögernd durch. Es gab auch kein künsterlisches Personal für diese Gattung (Man denke z.B. daran, dass eine der ersten Schöpfungen dieser Art „Kiss me, Kate“ , auf der Basis der Shakespeare’schen „Widerspenstigen Zähmung“ , erst 1955 seine deutsche Erst-aufführung in Frankfurt /M. erlebte…….in der Titelrolle die glänzende Lola Müthel in der Inszenierung eines nicht Geringeren als des Generalintendanten Harry Buckwitz, der sich gewöhnlich damit beschäftigte, Brecht in der damaligen BRD gegen heftig rechten politischen Widerstand durchzusetzen. Heute ist „das Musical“ aus der deutschen Kulturwelt nicht mehr wegzudenken…..auch wenn es häufig von Ästheten als „Afterkunst“ abqualifiziert wird, die nur auf die „Ökonomisierung von Kultur“ ausgerichtet sei. Sei’s drum: Stücke dieser Art wollen nichts anderes als völlig anspruchslos unterhalten und damit beträchtliche Summen eintreiben. Die Entrittspreise sprechen Bände, die bis zu 99%ige Auslastung der grossen europäischen Musical-Häuser ebenfalls, aber das Personal- und Ausstattungsniveau, das zeigt sich wiederum bei „Sister act“, ist sensationell.
Die Produktion mit dem, millionenschwer etatisierten, Film zu vergleichen, ist völllig unsinnig, aber die Investittion, die in diese phanstastisch ausgestattete Bühnenversion geflossen ist, kann sich nun einmal nicht das bestsubventionierte deutsche Staasttheater leisten. Um auch künstlerisch den Level halten zu können (Alle Figuren sind bis in die kleinste Episodenrolle hochprofessionell besezt!) unterhält die Stage-Entertainment folgerichtig eine eigene Schauspiel- Schule in Hamburgs Speicherstatdt, die „Academy“ , von deren künstlerischem Leiter bereits die Rede war. Sein und seiner Mitarbeiter besonderer Stolz in diesen Tagen liegt darin, dass die Hauptdarstellerin der Produktion an der Reeperbahn, die junge Zodwa Selele (, die – wie zu hören ist – von Whoopi Goldberg höchstpersönlich in London gecastet wurde ) an dieser Schule ihre Ausbildung absolviert hat.
U n d s i e i s t w i r k l i c h e i n e O f f e n b a r u n g in der sattsam bekannten Goldberg-Rolle der kleinen Barsängerin, die sich vor ihrem mordsüchtigen Zuhälter – verkleidet – in ein Kloster rettet und dort Chorleiterin wird!!!Ein Glücksfall für Regisseurin Carline Brouwer….und für das Publikum, das seinen Dank gegenwärtig täglich stehend abstattet.