Von Hans-Peter Kurr
Regiezauberer Bogdanov und sein sinnlicher „Sommernachtstraum“
Notizen zur Eröffungspremiere des „neuen“ Ohnsorg-Theaters am Hauptbahnhof
* Das neue Haus ist prächtig, elegant, funktionaliter, grosszügig geschnitten, akustisch hervorragend; die Sichtverhältnisse – auch vom Rang – sind , bis auf einen einzigen Sitz hinter der offenbar einzigen tragenden Säule, optimal.
* Ungewöhnlich für Hamburger Verhältnisse: Der Hausherr, Christian Seele, ist mit dem veranschlagten Etat von 15 Millionen Euro für Umbau und Umzug ausgekommen. Gratulor und Chapeau!
* Diesem wunderbaren Intendanten ist es gelungen, den ebenso wunderbaren Briten und Wahl-Hamburger Michael Bogdanov, der einige Jahre seines Lebens (nicht die erfreulichsten!)die Intendanz des gegenüberliegenden Deutschen Schauspielhauses innehatte, für die Eröffnungsinszenierung des „neuen“ Ohnsorg-Theaters zu gewinnen, dazu noch mit Shakespeare’s „Ein Sommernachtstraum“ op platt!
* Bogdanov, der international seit Jahrzehnten bekannt ist für seine wuchernde szenische Phantasie und zwar, was Schauspiel-Literatur generaliter angeht, von Becket über „Reineke Fuchs“ bis eben Shakespeare „querbeet“, hat die gesamte Energie seiner 73 Lebensjahre, die gesamte empirische Fülle von über 50 Berufsjahren wieder einmal mit an die Elbe gebracht und sie einem ohnehin schon vorzüglichen Ensemble eingehaucht, das durch gemeinsames künstlerisches Experimentieren noch einmal weit über sich hinaus hinauswuchs.
* Deshalb wäre es auch unfair, die durchweg internationalem Standard entsprechenden Einzelleistungen der individuell agierenden Darsteller hier würdigen zu wollen. Sie sind insgesamt von derart umwerfender und praller Sinnlichkeit, dass man sie alle miteinander umarmen und küssen möchte.
* Wie weit diese Besessenheit der stimmigen Besetzung bei Bogdanov und Seeler geht, mag dennoch durch die Erwähnung zweier Namen bezeugt werden: weiblicherseits Uta Stammer, die aus einem „Nichts“ wie der Elfe Mott eine erinnerungswürdige Rolle macht; männlicherseits Erkki Hopf als Puck, wie ihn der Chronist seit Sellners Inszenierung mit Hans Clarin nicht mehr gesehen hat – und die liegt 35 Jahre und viele Sommernachts-Theater-Abende zurück.
* Zwingend muss noch kurz kommentiert werden die Arbeit der Mitglieder des künstlerischen Stabes, der Bogdanov umgibt:
Die plattdeutsche Text-Fassung von Hartmut Cyriacks und Peter Nissen ist ebenso bewundernswert, wie die drei kommentierenden Artikel des Chefdramaturgen Frank Grupe in dem vorzüglich aufgemachten Programmheft es sind.
Bühnenbild und Kostüme von Félicie Lavaulx-Vrécourtsind phantasievoll, sinnlich und zugleich funktional hinreissend (in besonderer Weise die Ausstaffierung der Handwerkertruppe um Pyramus).
Patrick James OConnell’s Komposition und deren einfallsreiche Arrangements bedürfen ebenso der Würdigung wie die Tatsache, dass er seiner „Combo“ auch als virtuoser Pianist vorsteht.
* Nunmehr – nach über 70 Jahren seines Bestehens an der Grossen Bleichen – hat das Theater des Richard Ohnsorg, das sich schon immer durch einen sehr guten überregionalen Ruf auswies, internationale Gültigkeit erreicht.
Fotos: Jutta Schwöbel