Von Hans-Peter Kurr
Überraschende Krimi-Inszenierung im Imperial-Theater
In der Mitte der 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts ging es auf Hamburgs Kiez in manchen Nächten besonders hoch her – stets dann, wenn im Studio Hamburg wieder ein Jerry-Cotton-Film abgedreht war und die Constantin-Film zum -vorübergehenden – Abschied vom Filmteam in zahlreichen Etablissements auf der Reeperbahn zu einem rauschenden ( und wohl auch ziemlich teuren ) Farewell-Fest , zu dem geschickterweise auch zahlreiche Filmjournalisten gebeten wurden,einlud.Im Mittelpunkt dieser Nächte standen ausnahmsweise nicht attraktive Mädchen, sondern drei, schon bald international bekannte, Männer: Die Schauspieler George Nader (Rolle: Jerry), Heinz Weiss (Rolle: Phil) und – „entliehen „ aus dem Gründgens-Ensemble des Deutschen Schauspielhauses – der bekannteste von ihnen : Richard Münch (Rolle: Mister High). Für Münch, der gewaltige Flugangst hatte, begann damit eine späte Hollywood-Karriere, also „lernte“ er, mithilfe des Autors dieser Zeilen, das transatlantische Fliegen, Naders Hauptdarsteller-Gagen erhöhten sich, wie er häufig fröhlich berichtete, beträchtlich. Weiss sicherte sich ( was er allerdings damals noch nicht wissen konnte) seine Rolle als späterer Traumschiff-Kapitän.
Soweit ein kurzer Rückblick in die Vergangenheit der Filmstadt Hamburg. Und diesmal hat Otto Reuter mit seiner berühmten Gedichtzeile, die uns darüber belehren will, dass „in fünfzig Jahren alles vorbei „ sei, unrecht, denn: Ein halbes Jahrhundert nach der eingangs geschilderten Szene erleben wir Jerry Cotton, Phil Decker und Mister High „back in town“ – und das ebenfalls auf dem Kiez!
„How come“ fragt heutzutage der neugierige Amerikaner? Nun, Frank Thannhäuser, Leiter des Imperial-Theaters „ganz weit vorn aufm Kiez“ (so dessen origineller Werbeslogan) und sein eigener Hausregisseur, hat die zwei US-FBI-Detektive wiederentdeckt und sie diesmal nicht für die Leinwand, sondern für die Bühne inszeniert: Mister High ist jetzt der smarte Roland Kieber, geschmeidig-überzeugend in dieser Rolle. Jerry wird nunmehr von dem, Nader sehr ähnlich ausschauenden und ihm schauspielerisch völlig gleichwertigen Stefan Brentle gespielt. Mit seinem vielerorts hochgeschätzten Hang zur Komödianterie verkörpert, auch hier wieder hinreissend, Gosta Liptow den tüchtigen Phil Decker.Diese drei führen ein qualifiziertes Ensemble in der Bühnenfassung jener Geschichte mit dem Titel „New York Ripper“ an, die nicht zu den stärksten aus dem deutschen Bastei-Verlag stammenden wie etwa „Schüsse aus dem Geigenkasten“ zählt, aber zumindest eine recht originelle Handlung aufweist, die hier selbstverständlich unseren lesenden Krimifreunden nicht erzählt werden soll. Und Thannhäuser greift, wie stets, seit er das Imperial zum reinen Krimitheater umfunktioniert hat,als Regisseur und Ausstatter in einer Person zu jedem nur denkbaren optischen und akustischen Mittel, um seine Zuschauer das Gruseln zu lehren.
Ein phantasievoll unterhaltender Abend mit aussergewöhnlichen Darstellern.