Von Hans-Peter Kurr
Bericht aus Anlass des Geburtstages von Hamburgs berühmtem Theaterschiff
Ein Schiff, das vor mehr als einhundert Jahren vom Stapel lief, ohne seine Erbauer ahnen zu lassen, dass es den wichtigeren Teil seines Lebens als Theater verbringen würde, das ist fürwahr eine Seltenheit.
Wie Märchen zuweilen beginnen – das kam so:
Wer oder was wird in dieser Welt schon über einhundert Jahre alt und bleibt dennoch vollständig funktionsfähig ? Ein über einhundert Jahre alter Pott, dessen Heimathafen seit 1975 das Nicolaifleet in der Nachbarschaft von Hamburgs Ost-West- (Willy-Brandt-) Straße ist ,macht es vor :
„Das Schiff“, inzwischen am Liegeplatz von zwei anderen kleineren Steamern zu Nutzzwecken flankiert, lief bereits im Sommer 1912 in Groningen vom Stapel, schipperte jahrelang über See, wurde schließlich umgebaut zum Kümo mit immerhin fast 35 Metern Länge und gelangte 1975 in den Besitz des Regisseurs Eberhard Moebius und seiner Frau Christa, die es zu dem machten, was es noch heute – zu Hamburgs Zier – ist : zum „Theaterschiff“.
Wer es aus seinen Anfängen kennt, wie der Chronist, erinnert bis heute die wunderbaren Programme – verbunden mit großen Namen wie Richard Münch, Gert Fröbe, Heinz Reinke und vielen anderen Berühmten der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Dann begann eine wechselvolle (Privat-) Geschichte: Moebis Ehefrau Christa starb (Moebi mit über 80 Jahren fährt noch heute heiter und gutgelaunt mithilfe des Rolators durch die europäische Welt); das Ehepaar Schlesselmann, wohl bekannt in der Hamburger und Dresdner Theaterszene, übernahm den Kulturdampfer; Anke Schlesselmann starb, ihr Ehemann Gerd kurze Zeit nach ihr ebenfalls. Heute wird Das Schiff in dritter Generation mit Umsicht und Sachverstand geleitet von deren Sohn Heiko. Nach wie vor zeigt die Programmvorschau eine Fülle hochqualifizierter Kabarett-Programme.
Der künstlerische Leiter des Schiffes, Michael Frowin, freut sich – Hand in Hand mit Heiko Schlesselmann – auf die 40. Spielsaison, die nach der Rückkehr an den Hamburger Liegeplatz wieder mit einem durchdachten Programm gefeiert wird – sogar zusätzlich mit demjenigen Kindermusical, das bereits im März 2015 seine umjubelte Uraufführung erfuhr : „Ratte Rudi geht von Bord“ und einer Fülle neuer und alter Programme, selbstverständlich auch mit dem glücklicherweise stets zurückkehrenden Frank Roder als Joachim Ringelnatz – Brief an seine Frau:
„Wenn ich tot bin, darfst Du gar nicht trauern,
Meine Liebe wird mich überdauern
und in fremden Kleidern Dir begegnen
und Dich segnen!“
Herzlich Glückwunsch zum 40. !
Zur Würdigung der Persönlichkeit des einfallsreichen Theaterschiff-Gründers, Eberhard Moebius, sollte noch erwähnt werden:
Nach dem Zusammenbruch des “Großdeutschen Reiches“, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges, nach dem Verlust aller Kunst in deutschen Landen, nach den schrecklichen, lebenvernichtenden Bomberangriffen, die Hamburg in einem Umfang skelettierten wie mehr als ein Jahrhundert früher der Brand von 1842 und, nachdem er das Stadttheater Wernigerode, dem er seit 1945 angehörte, verlassen und in die „BRD“ übergesiedelt war, verdiente ein junger Mann im Hafen sein Geld als Schietgänger.
So nennt man – heute noch – Männer die, nach dem Löschen derselben, durch deren einzige Öffnung in riesige Behältnisse klettern, um sie von den Resten ihrer – zumeist –flüssigen und klebrigen Fracht zu reinigen. Die Rede ist von Eberhard Moebius, der sich seit 1958 erst langsam in Hamburgs Theaterszene als Gastregisseur hineinarbeiten musste, ehe er, gemeinsam mit seiner Ehefrau Christa, d i e I d e e seines Lebens hatte: Ein schrottreifes Schiff zu kaufen, es restaurieren zu lassen, es am Nicolaifleet zu vertäuen und ein Theater darauf zu installieren.