erschienen im Theatermagazin „Godot“
Von Hans-Peter Kurr
Das Deutsche Schauspielhaus Hamburg unter der Interimsleitung von Jack F. Kurfess und Florian Vogel ist dankenswerterweise wieder dort angekommen, wo es vor Jahrzehnten – während der Ära Hans Lietzaus, Oscar Fritz Schuhs und Ivan Nagels – schon einmal war: auf dem Feld des künstlerischen Experiments. Und nun heißt es auch so: „Spielfeld“ ist die offizielle Bezeichnung der bis zum Beginn der Intendanz Karin Beiers im riesigen Zuschauerraum installierten Bühne auf Zeit, wo sich ohne Vorhang, ohne Schnürboden, ohne Untermaschinerie in der bis zum Februar 2013 verkürzten Spielzeit das vollziehen soll, was wir schlichtweg Kunst nennen. Die gesamte, nunmehr hinter dem eisernen Vorhang verborgene Apparatur wird erneuert, um dann der Nochintendantin des Schauspiels Köln zur Verfügung gestellt zu werden, die ab 2013 übernimmt.
Es wird folglich die letzte Spielzeit von Vogel/Kurfess – jener Doppelspitze, die gemeinsam mit hochqualifizierten und in der Regel noch höher motivierten Mitarbeitern in Verwaltung, Dramaturgie, Technik und den Darstellern im Zeitraum zwischen Schirmer und Beier das renommierte Haus nicht nur gerettet, sondern zu neuer Blüte geführt hat.
Drei Uraufführungen werden im September die Saison eröffnen, alle von zeitgenössischen Theaterschreibern. Das ist in der derzeitigen deutschen Theaterlandschaft ein Unikat:
René Pollesch schreibt und inszeniert „Neues vom Dauerzustand“ (ab 6. September), ein Stück über Liebe, Glück, Unglück und Tod mit Margit Carstensen, Christine Groß, Sophie Rois und einem Frauenchor. Der ursprünglich ebenfalls in der Besetzungsliste aufgeführte Volker Spengler ist erkrankt.
– Sehr angetan vom „Spielfeld“, das nunmehr selbst von höchsten Plätzen im zweiten Rang bestens eingesehen werden kann, äußern sich die zwei Hauptrollenträger Michael Prelle und Dominique Horwitz zur Produktion „Ein Pfund Fleisch“ (ab 14. September), von Albert Ostermaier als Auftragsarbeit geschrieben und von Dominique Schnizer inszeniert. Das Stück mit dem brutalen Titel basiert auf Shakespeares „Der Kaufmann von Venedig“ und ist „wuchtig“, laut Horwitz, der den Juden Shylock spielen wird. Die Welt als Boxring: „Gemeinschaft gegen Gesellschaft, Kapitalismus gegen Kapitulation, Liebe gegen Geld, Geld gegen Liebe, ein Pfund Fleisch gegen die Seele“, so der Autor in einem ersten Statement.
„Aida“ (ab 21. September) lautet der beziehungsreiche Titel der dritten Uraufführung, eines musikalischen Abends von dem in Hamburg sattsam bekannten Franz Wittenbrink, der eine hochnoble, aber disparate Gesellschaft auf einem Luxusdampfer ansiedelt: „Ein Schiff als Metapher fürs Leben“, so Wittenbrink, das durch die Welt, über die Meere geistert, ohne dass jemand wüsste, wann und wo man ankommt. Eine Reise zum nicht vorhandenen Glück. „Eine musikalische Kreuzfahrt mit neun Schauspielern und einer wunderbaren Band“, nennt Wittenbrink das szenische Ereignis.
Foto: Kerstin Schomburg