Von Manuel Ruoff
Beim Bolschewisten Sergei Mironowitsch Kirow ist es im Grunde ähnlich wie beim Erzherzog Franz Ferdinand: Es ist weniger ihr Leben als ihr gewaltsamer Tod, der ihr Bild in den Geschichtsbüchern bestimmt. Beiden Morden folgte eine Katastrophe, ohne dass sie die eigentliche Ursache gewesen wären. Im Falle des Österreichers war es der Erste Weltkrieg, im Falle des Russen Stalins „Große Säuberung“ mit ihren Moskauer Schauprozessen, in denen es formal auch um die Aufklärung des Mordes an Kirow im Jahre 1934 ging.
Ähnlich wie beim Reichstagsbrand tauchte auch hier der Verdacht auf, dass derjenige, der das Verbrechen zur Abrechnung mit seinen Gegnern instrumentalisierte, auch der Täter sei. Der Verdacht erhielt in diesem Fall zusätzliche Nahrung durch Kirows große Popularität. So erhielt Kirow bei der Wahl des Zentralkomitees auf dem 17. Parteitag der Bolschewiki vom 26. Januar bis 10. Februar 1934 nur drei Gegenstimmen, hingegen Stalin 292.
Es wird wohl ewig im Dunkeln bleiben, was Leonid Nikolajew dazu bewogen hat, vor 75 Jahren, am 1. Dezember 1934, Kirow vor dessen Büro im Smolny, dem Sitz der Leningrader KP, abzupassen und mit mehreren Schüssen niederzustrecken. Nikolajew wurde noch am Tatort festgenommen, von Stalin persönlich verhört, zum Tode verurteilt und 28 Tage nach seinem Opfer selber erschossen.
Kategorie: Redaktionelle Beiträge
Die journalistische Arbeit unserer Mitglieder
Der Herr des Eises
Von Manuel Ruoff
Der am 11. Juni 1842 im oberfränkischen Berndorf geborene Pastorensohn Carl von Linde kam während seiner Gymnasialzeit in Kempten erstmals mit der Technik in Berührung. Die großen Dampfmaschinen und Turbinen der dortigen Aktien-Baumwollspinnerei faszinierten ihn so sehr, dass er nach dem Abitur am renommierten Polytechnikum in Zürich ein Studium aufnahm – das er aber nicht abschloss. Weil er sich beim Rektor allzu sehr für seines Erachtens zu Unrecht disziplinierte Kommilitonen einsetzte, wurde er nämlich der Hochschule verwiesen. Der Studienabbrecher wider Willen fand schließlich eine Stelle in einer Münchner Lokomotivfabrik. In der Zeitung hatte er gelesen, dass diese errichtet werden sollte, und seine Bewerbung um die Leitung des Konstruktionsbüros hatte Erfolg. Linde reizte jedoch die Freiheit von Forschung und Lehre, und als er von der bevorstehenden Gründung eines Polytechnikums in München, der heutigen Technischen Universität, erfuhr, bewarb er sich um den dortigen Lehrstuhl für theoretische Maschinenlehre. 1868 wurde das Polytechnikum gegründet und Linde deren außerordentlicher, 1872 dann ordentlicher Professor.
Linde war nicht nur ein großer Forscher und Erfinder, sondern besaß auch die Gabe, Marktlücken zu erkennen und diese mit ausgereiften, marktfähigen Entwicklungen zu füllen. Sein Spezialgebiet wurden Kältemaschinen. Continue reading „Der Herr des Eises“
Lulu goes Lacan – der Spiegel als Spiegel des Spiegels
Kommentar zu „Der Griff ins Höschen. Lulu – Calixto Bieito entmythisiert die femme fatale.“
von Astrid Biesemeier
zur Inszenierung von „Lulu“ von Frank Wedekind, Regie: Calixto Bieito, am Nationaltheater Mannheim, Okt. 2009, in: www.nachtkritik.de vom 13.10.2009.
Von Götz Egloff
Wo Es war, soll Ich werden“, sagt Sigmund Freud. „Wo Ich war, soll Es werden“, sagt Jacques Lacan. Was ist dieses Es, dieses dunkle Unbekannte? Es ist das Unheimliche, Verborgene, doch Gutgehütete im Menschen, das lebenslang in ihm wirkt und – Astrid Biesemeier deutet es an – überlebensnotwendig ist. Continue reading „Lulu goes Lacan – der Spiegel als Spiegel des Spiegels“
Klasse statt Masse: Thilo Sarrazin im Gespräch
Kommentar (Lettre International, 86, Berlin, 2009)
Eine Projektion ist eine Projektion ist eine Projektion
Die Einlassungen des Berliner Ex-Finanzsenators und Bundesbank-Vorstandsmitglieds Thilo Sarrazin (SPD) in Lettre International Nr. 86 zum Thema des Einflusses ethnischer und sozialer Minderheiten auf die sozioökonomischen Entwicklung der Hauptstadt lassen tief blicken – nur worein? In die Abgründe Berlins? Oder in die Abgründe der psychischen Konstitution von Herrn Sarrazin? Dieser begibt sich verwegen in die uralte Tradition des Minderheiten-Bashings und ignoriert souverän und ganz zeitgeistgemäß jegliche sozialwissenschaftliche Erkenntnisse über sozioökonomische und soziogeographische Zusammenhänge. Da hat wohl einer seinen Topos gefunden.
Die schwerwiegenden Versäumnisse der Ära Schmidt und der Ära Kohl beim Thema Integration werden von ihm nicht herangezogen, stattdessen macht er sich zum Handlanger des Polit-Chauvinismus und liefert eine Steilvorlage für populistische Edelfedern wie Franz-Josef Wagner (BILD-Zeitung, 5.10.2009). So – jetzt hat einer mal gesagt, was Sache ist! Damit bist du ganz weit vorn, Thilo!
Sarrazin, von manchen SPD-Parteifreunden intern wenig liebevoll „Alte Frau Sarrasani“ genannt, sollte seine Verantwortung als Bundesbank-Vorstandsmitglied ernster genommen haben. Direktor statt Clown wäre angesagt gewesen. Aber es zeigt sich wieder einmal: Zirkus liegt ihm generell nicht fern. Einmal Zirkusluft geschnuppert, wirst du süchtig. Und warum auch nicht? Hauptsache mal kernig sein, Thilo! Vielleicht kommt man dann auch zu Beckmann.
Wären Sarrazins Entgleisungen die Worte des Innenministers eines totalitären Staates gewesen, niemand hätte sich gewundert über solch eindimensionale Invektiven. Aber manche Vorstands- und Senatoren-Büros haben mit Wärmestuben vielleicht mehr gemeinsam als auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Die Unproduktivität der Anderen wird insbesondere von jenen gerne anvisiert, die Kimme und Korn verwechseln. Schlecht nur, wenn der Schuss dann los geht. Aber so ist das eben mit Projektionen. Wer herum wurschtelt, wurschtelt herum. Wer konstruktiv handelt, handelt konstruktiv. Letzteres tut Sarrazin jedenfalls nicht.
Spätestens jetzt sollte Sarrazins Karriere beendet sein. Bedauerlich, dass auch dieser Abgang noch vergoldet werden wird. Womöglich reüssiert Sarrazin aber auch noch einmal. Vielleicht bietet SAT1 ihm und Eva Hermann ein gemeinsames Talk-Show-Format an, in dem Lady Gaga als Dauer-Stargast etwas vom „Pokerface“ keuchen darf. Da wäre das Triumvirat des guten Geschmacks dann vollständig.
Die Seelenflüsterer – Turbo-Coaching gegen Stress und Angst
Rezension zur 4-teiligen Doku-Serie
von Liz Wieskerstrauch
SWR Fernsehen, 01.10.09, 08.10.09, 15.10.09, 22.10.09, jeweils 22:30 Uhr
Die suggestive Kraft des Therapeuten – Menschen zwischen Leid und Hoffnung
Von Götz Egloff
Liz Wieskerstrauch ist mit ihrer 4-teiligen Doku-Serie „Die Seelenflüsterer – Turbo-Coaching gegen Stress und Angst“ im Auftrag des SWR ein hautnaher Film gelungen, der in eindringlicher Weise die psychischen Probleme mehrerer Menschen zeigt – und wie eine Möglichkeit aussieht, diesen Problemen zu begegnen. Prüfungsangst vor dem Abitur, Zahnarztphobie, ADHS beim 11-jährigen Felix – eindrückliche Symptome vom „Nachbarn nebenan“, die mit einer neuartigen Coaching-Methode des Psychologenpaars Cora Besser und Harry Siegmund behandelt werden. Continue reading „Die Seelenflüsterer – Turbo-Coaching gegen Stress und Angst“
Celle – Herzögliche Residenz mit sprechenden Laternen
Von Uta Buhr
Die ganze Welt ist ein Theater! Wer Celle besucht, kann leicht zu dieser Einsicht gelangen. Die alte Residenzstadt in der Südheide mit ihrem Renaissanceschloss und einer Fülle prächtiger Fachwerkhäuser – es sollen an die fünfhundert sein – ist eine ideale Kulisse für bühnenreife Auftritte schauspielerisch begabter Cellenser. Übrigens … der Name Cellenser gebührt nur Personen, die in den Mauern der Stadt geboren wurden. Die Zugereisten heißen schlicht Celler.
Die Dame im Reifrock und den bunten Schleifchen im blonden Haar stellt sich mit einem graziösen Hofknicks vor: „Gestatten, mein Name ist Madame Lucie. Bitte sprechen Sie ihn französisch aus. Das ist Brauch am herzöglichen Hof. Folgen Sie mir möglichst leise durch unser Schloss. Ich habe Ihnen eine Menge zu erzählen.“ Continue reading „Celle – Herzögliche Residenz mit sprechenden Laternen“
Balaton-Überschwimmen 2009 in Ungarn
Von Dr. László Kova
Der Plattensee, ungarisch Balaton, die Ungarn nennen ihn stolz „das ungarische Meer“, ist der größte Binnensee in West- und Mitteleuropa. Seine Oberfläche beträgt 600 km2, seine Länge beträgt 77 km, seine maximale Breite 16 km, die schmalste Stelle ist mit 1,1 km bei Tihany. Die durchschnittliche Tiefe ist 3-3,5 m, vor Tihany beträgt die Tiefe 11-12 m. Die Wasserzufuhr erfolgt durch das Flüsschen Zala und am Norden durch kleinere Bäche. Das Wasserniveau wird auf der Ostseite durch den Kanal Sió technisch reguliert.
Durch die große Oberfläche verliert der See im heißen Sommer durch Verdunstung schnell an Tiefe und ebenso, wenn die Regenzeiten ausfallen. Da dieser See relativ flach ist, ändert sich auch die Wassertemperatur stark und schnell. Im Sommer ist er angenehm warm. Bei Nordwind können gefährliche Wellen entstehen.
Am Nordufer wird der See schnell tief, die Südseite ist flacher, hat sandigen Boden und ist zum Baden besser geeignet. Die Badestellen sind überall am Balaton gut markiert und werden aus Sicherheitsgründen von Rettungsschwimmern überwacht. Continue reading „Balaton-Überschwimmen 2009 in Ungarn“
“Torn From The Flag”
(Herausgerissen aus der Flagge)
Von Dr. László Kova
Klaudia Kovács ist die Producerin für den Dokumentarfilm „Torn From The Flag“ (Herausgerissen aus der Flagge), der im Juli 2009 in Budapest für Filmemacher und den Filmverleih vorgeführt wurde. Der Film war der „Schlager“ des Internationalen Filmfestivals in Eger (Slow Film Festival) vom 25. Juli bis 01. August 2009. „Torn From The Flag“ wurde während des Festivals mehrmals im vollbesetzten Kino ´Úránia´ gezeigt, jeweils mit „standing ovation“ des Publikums nach der Vorführung. Der Film nahm bis jetzt auf 16 internationalen Filmfestivals teil und gewann 6 Auszeichnungen.
Anlass des Filmtitels ist, dass die Revolutionäre zu Beginn des Volksaufstandes 1956 aus der ungarischen Flagge das kommunistischen Wappenzeichen herausrissen. So wurde die gelochte Nationalflagge (Trikolor) das Symbol der ungarischen Revolution vor 53 Jahren. Continue reading „“Torn From The Flag”“
Endogene Energie in El Salvador
Von José Napoleón Mariona (Text und Fotos)
El Salvador hat mehr als 20 aktive Fumarolen (vulkanische Gasausströmungen) und das bedeutet, dass die Geschichte des kleinsten Landes auf dem amerikanischen Kontinent (in etwa genauso groß wie das Bundesland Hessen: etwas mehr als 20.000 qkm) auf Grund des Vulkanismus voll von schrecklichen Episoden ist. Jede Generation von Salvadorianern hat mindestens ein Erdbeben miterleben müssen.
Aber Not macht erfinderisch. Die Salvadorianer haben ihre Vulkane gezähmt. Der beste Kaffee der Welt wächst auf Kaffeeplantagen, die mehr als 1.000 Meter hoch liegen. Das bedeutet, dass man in El Salvador den Kaffee an den Hängen der Vulkane erntet – eine erste Zähmung der Vulkane.
Bei der zweiten Zähmung der Vulkane hat man sie elektrische Energie produzieren lassen. Das bedeutet, dass El Salvador diese Kenntnisse durch einen neu zu schaffenden Studiengang über ENDOGENE ENERGIE an den Universitäten El Salvadors nach Deutschland und von hier aus in den Rest der Welt vermitteln könnte. Aber solche Ideen bedürfen einer kurzen Erklärung. Continue reading „Endogene Energie in El Salvador“
Als die Römer frech geworden … 200 Jahre Varusschlacht
Von Uta Buhr
Nebelschwaden wabern über den Baumwipfeln des Teutoburger Waldes. Der erste Sonnenstrahl stiehlt sich durch die Wolkendecke und vergoldet die Tautropfen auf den Wiesen. Jubilierend schraubt sich eine Lerche in die Lüfte, dreht eine Runde und lässt sich schließlich auf Hermanns rechter Hand nieder, die das mächtige, sieben Meter lange Schwert hält. Eine friedliche Geste auf einem martialischen Denkmal. Plötzlich durchbricht ein mehrstimmiger Gesang die morgendliche Stille: „Als die Römer frech geworden simserim simsim simsim, zogen sie nach Deutschlands Norden. Vorne mit Trompetenschall ritt der Generalfeldmarschall täteterätä Herr Quinctilius Varus, wau wau wau in dem Teutoburger Walde. Huh – wie pfiff der Wind so kalte…“ Eine Wandergruppe tritt auf die Lichtung und schaut zu dem fast 54 Meter hohen Standbild des Cheruskerfürsten auf. Es wurde 1846 von einem gewissen Ernst von Bandel direkt vor Detmolds Haustür errichtet und beschert der Region jährlich über eine Million Besucher. Iris Köllner, Leiterin der Tourist Information Detmold, geht davon aus, dass sich anlässlich der Zweitausendjahrfeier zur Varusschlacht diese Zahl noch erhöhen wird. Continue reading „Als die Römer frech geworden … 200 Jahre Varusschlacht“
Budapest – Badeort und Genussmetropole
Von Uta Buhr
Leise rieselt der Schnee und krönt die dunklen Haarschöpfe der beiden Männer im Außenbecken des Széchenyi-Bades mit weißen Häubchen. Das Duo steht bis zu den Schultern in den warmen Fluten und widmet sich unbeirrt seinem Schachspiel. Die schwarzweißen Bretter scheinen über dem Wasser zu schweben. „Budapescht – des is koa Stoadt, des is a Philosophie“, lacht der gebürtige Wiener Max Lieber, der das königliche Spiel mit großem Interesse verfolgt. Er kommt regelmäßig nach Budapest und probiert bei jedem Besuch einen anderen Badetempel aus. Das Széchenyi mit seiner in Habsburger Ocker gehaltenen Barockfassade und den prächtigen Wandgemälden in den Fluren gefällt ihm am besten. Auch das Wasser hat nahezu magische Kräfte, erzählt er. Mit der Wirkung des Thermalwassers wird die Gebärfreudigkeit der Nilpferddamen im benachbarten Zoo erklärt. Denn die empfindlichen Riesen muffeln in der Gefangenschaft überall vor sich hin und verweigern jeglichen Nachwuchs. Nur hier in Budapest werfen sie „wie die Kaninchen“ und beliefern seit geraumer Zeit sämtliche Tiergärten der Welt mit ihren Jungen. Continue reading „Budapest – Badeort und Genussmetropole“
Der Salon des Hamburger Flughafens – Die neue Airport Plaza
Von Uta Buhr, Foto: Michael Müller
Die neue Airport Plaza setzt dem Flughafen Hamburg ein weiteres Glanzlicht auf. Das aus allen Teilen Norddeutschlands am 29. und 30. November – den Tagen der offenen Tür – herbeigeströmte Publikum zeigte sich begeistert von dem eleganten Einkaufs- und Schlemmerparadies. Dieses erstreckt sich auf vier Ebenen über eine Fläche von 4.450 Quadratmetern und wartet mit 40 Läden und Boutiquen auf. „Das ist ein Salon“, freut sich eine Vielfliegerin, Hanseatin vom Scheitel bis zur Sohle, „der des neuen Hamburger Flughafens würdig ist. Lange genug hat es ja auch gedauert, bevor aus dem provinziellen Stubenflugplatz ein internationaler Airport wurde.“ Tempi passati! Schon der Entwurf des Architekten Meinhard von Gerkan sorgt für Furore. Die geschwungene Dachform der Terminals und der Airport Plaza ist der Wölbung einer Flugzeug-Tragfläche beim Start täuschend echt nachempfunden. Die Licht durchflutete Halle stimmt ein auf Flüge in die weite Welt. Die Ausstattung ist vom Feinsten. Böden und Treppen aus glänzendem Granit, lautlos auf und ab gleitende Fahrstühle, keine aufdringliche Musik. Hier hat der Fahrgast Ruhe und Muße, sich auf seinen Flug vorzubereiten – ob Geschäftsreise in turbulente Städte oder Urlaubstrip in exotische Breiten. Die Wege zu den Gates sind kurz, denn die Plaza liegt am Schnittpunkt der Terminals 1 und 2. „Die Plaza verbindet die beiden Terminals miteinander, und nimmt die zentrale Sicherheitskontrolle mit insgesamt 16 Luftsicherheits-Kontrollstellen auf. In ihr werden die beiden Gepäckförderanlagen aus Terminal 1 und Terminal 2 zusammengeführt. Eine perfekte Konstruktion“, erklärt ein Mitarbeiter der Flughafenleitung. Continue reading „Der Salon des Hamburger Flughafens – Die neue Airport Plaza“
Ostpreußen, eine beglückende Wirklichkeit
Die Hamburger Aquarellwerkstatt´ in Masuren
Von Dr. László Kova
Um die Wildheit und Sanftheit, die Urwüchsigkeit und die unveränderte Schönheit des vielgerühmten und geliebten Landes zu entdecken, brachen in diesem Sommer elf Malerinnen und Maler aus Hamburg gen Ostpreußen mit ihren schweren Utensilien (Aquarellfarben, Büttenbögen, Staffeleien, Pinseln…) auf. Ohne Zweifel ist auch unsere Elbmetropole eine Fundgrube von Menschen, die sich durch eigenen Geburtsort oder durch die Vorfahren mit Ostpreußen eng verbunden fühlen. Wenn sie das Wort Ostpreußen hören, bekommen sie glänzende Augen oder ihre Stimme stockt infolge der Gefühlsschwankungen.
Die Mitglieder der Hamburger Aquarellwerkstatt beim eifrigen Malen irgendwo in Masuren Continue reading „Ostpreußen, eine beglückende Wirklichkeit“
„Sommer unterm Schirm“
Singende, tanzende, musizierende Jugendliche
Von Dr. László Kova
Eidelstedt (lak). Eine dreiwöchige pädagogische Arbeitsperiode schloss der Eidelstedter Jugendclub Hörgensweg am 23. August unter dem Titel „Sommer unterm Schirm“ ab. Die Veranstaltung ´Music and Performance´ war auf der großen Wiese vorgesehen, aber die Götter spielten mit dem Wetter leider nicht mit: Es regnete trostlos und es war kalt. Die Organisatoren hätten den geplanten Sonnenschirm mit einem riesigen Regenschirm eintauschen müssen, wenn die Johannesgemeinde in Dallbregen mit ihren Räumlichkeiten nicht ausgeholfen hätte. Continue reading „„Sommer unterm Schirm““
Wo Bismarck am größten ist
Das monumentalste Denkmal des Reichsgründers steht ausgerechnet im nie zu Preußen gehörenden Hamburg
Von Manuel Ruoff
Das größte Bismarckdenkmal der Welt steht bemerkenswerterweise nicht auf preußischem Boden, sondern in Hamburg – das nie zu Preußen gehört hat. Vielmehr hatte die Kaufmannsstadt zu Preußen im allgemeinen und zu Bismarck im besonderen ein anfänglich nicht ganz unproblematisches Verhältnis. Gemeinhin haben Kleinstaaten zu großen Nachbarn ihrer großen Nachbarn bessere Beziehungen als zu ihren großen Nachbarn. Das traf auch für das Verhältnis Hamburgs zu Österreich im Vergleich zu jenem zu Preußen zu. Hinzu kamen in diesem Falle Spezifika. Im Vergleich zum stark militärisch geprägten Preußen kam das eher zivile Naturell der Österreicher den die Hansestadt politisch dominierenden Kaufleuten stärker entgegen. Die Neigung der Österreicher zu einer eher lockeren, föderalen Lösung der deutschen Frage entsprach zudem stärker dem traditionellen Hamburger Drang nach Selbständigkeit. Ein prägendes Erlebnis für die Hamburger war die Wirtschaftskrise von 1857. Während sich das nahe Preußen auf kluge Sparvorschläge beschränkte, schickte Österreich Silber, um den Liquiditätsengpaß zu überwinden. Folglich verspürten die Hamburger denn auch wenig Neigung, 1866 an der Seite Preußens in den deutschen Bruderkrieg gegen Österreich zu ziehen. Rücksichtslos mußte Bismarck ihnen erst mit dem Verlust der Eigenständigkeit drohen, bevor sie endlich Soldaten Richtung Süden in Marsch setzten.
Ähnlich entschlossen zeigte sich Bismarck auch, als er sich nach seinem konservativen Schwenk zur Schutzzollpolitik 1878 in den Kopf gesetzt hatte, das Territorium des Deutschen Reiches zu einem einheitlichen Continue reading „Wo Bismarck am größten ist“
Der Kommissar schlechthin
Vor 25 Jahren, am 19. Juli 1983, starb der Berliner Schauspieler Erik Ode
Von Manuel Ruoff
Der bekannteste Fernsehkommissar Nachkriegsdeutschlands kam am 6. November 1910 in Preußens Hauptstadt Berlin zur Welt. Seine Eltern waren die Schauspieler Fritz Odemar und Erika Nymgau. Aufgewachsen ist Erich Odemar, wie Erik Ode eigentlich hieß, in Hamburg. Seine Mutter spielte am Altonaer Theater. Durch seine Eltern in doppelter Weise vorbelastet, spielte Ode bereits zwölfjährig in einem Film mit. Es war der Stummfilm „INRI“, bei dem er mit Henny Porten und Asta Nielsen vor der Kamera stand. Eigentlich wollte er ja Kameramann werden, aber er setzte dann doch die als Zwölfjähriger begonnene Karriere fort.
Nach einer Schauspielausbildung stand er 1928 am Berliner Schiffbauerdamm-Theater auf den Brettern, welche die Welt bedeuten sollen. Im selben Jahr gründete er in der Reichshauptstadt mit dem Königsberger Max Colpet das Kabarett „Anti“. Auf vielen Bühnen Berlins, aber auch anderer Städte konnte man Ode in den 30er Jahren in Stücken wie „Der Apfel ist ab“ sehen. 1938 hatte er Engagements auf der Isle of Wight und in London. 1939 war er dann wieder in Deutschland. Nun arbeitete er am Münchner Staatsschauspiel, wo er vor allem mit „Das Konzert“ Erfolge feierte. Continue reading „Der Kommissar schlechthin“
Otto wird 60
Lokaltermin mit dem Blödelbarden der Nation
Von Uta Buhr
Dies vorweg: Wer Otto nicht mag, hat keinen Geschmack! Auch mit nahezu 60 – am 22. Juli feiert er Geburtstag – strahlt er einen unwiderstehlichen Charme aus. Ein paar Falten um die Augen – Lachfältchen eben – das Blondhaar etwas schütterer. Ja, und ein wenig fülliger scheint der einstige „Strich in der Landschaft“ auch geworden zu sein. Doch sonst ist er ganz der Alte, der sich stets mit seinem vollen Namen Otto Waalkes vorstellt, aber jeden gleich ermutigt, ihn schlicht beim Vornamen zu nennen. „Otto wird sechzig. Glaub’ ja nicht, das rächt sich. Glaub’ lieber, das gibt sich. Dann wird er noch siebzig“, tönt er uns entgegen, als wir sein Büro im feinen Hamburger Stadtteil Uhlenhorst betreten. Und dann setzt er gleich noch eins drauf: „Sechzig Jahre und kein bisschen heiser, hahaha!“ So entspannt wie er da sitzt, einen Becher Tee vor sich, das berühmte schräge ottonische Grinsen auf den Lippen, wird er auch noch mit achtzig und gar neunzig die Nation mit seinen Späßen erheitern. „Jetzt geht doch die Party erst richtig los“, freut er sich. „Sehen Sie nur, wie erfolgreich Udo Jürgens, die Stones, Udo Lindenberg, Loriot sind…“ Dinos wie er. „Tja, und was mich betrifft: Humor hat nun mal kein Verfallsdatum.“ Continue reading „Otto wird 60“
Später Ruhm eines unverstandenen Malgenies
Zum hundertsten Todesjahr von Paul Cézanne
Von Uta Buhr
„Quelle honte – welche Schande! Fast hundert Jahre haben meine Mitbürger gebraucht, um endlich das Genie Paul Cézannes zu begreifen. Henri Pontier, der Direktor des Museums der Schönen Künste in Aix, hat sich seinerzeit geweigert, jemals ein Werk Cézannes zu zeigen. Zum ersten Mal wurde er dort 1984 ausgestellt.“ Josianes dunkle Augen blitzen vor Zorn. Sie selbst ist in Aix-en-Provence geboren, Studentin der Rechte an der hiesigen Universität und stolz auf ihre schöne Stadt. Bei strahlendem Sonnenschein schlendern wir mit ihr den Cours Mirabeau, die Prachtstraße mit ihren barocken Bürgerhäusern, belebten Cafés und sprudelnden Brunnen, hinunter. Bunte Fahnen, die auf die Festivitäten zu Ehren des großen Sohnes hinweisen, flattern in der leichten Brise. Die „Route Cézanne“ wird durch runde, in das Straßenpflaster eingelassene Bronzeplaketten markiert. Und schon stehen wir vor dem „Musée Granet“ an der Place Jean de Malte, in dem vom 9. Juni bis 17. Continue reading „Später Ruhm eines unverstandenen Malgenies“