Postvulkanische Thermal- und Heilbäder in der südlichen Tiefebene Ungarn
Von Dr. László Kova
„In der Puszta kann man nur reiten“, schiebt ein Deutscher dazwischen, während ich übers herrliche Baden in Thermal- und Heilbädern in der ungarischen Puszta spreche. Ich widerlege es, indem ich meine neuzeitlichen Erfahrungen darlege, die ich persönlich in Szeged, Gyula, Orosháza-Gyopárosfürdő und Mórahalom erfahren habe.
Ópusztaszer war eine kultische Stelle der alten Magyaren zur Zeit der Landnahme (895 n.Chr.). Hier zeigen zwei Reiter das Können ihrer Pferde. In der Tiefebene gibt es Zuchtstationen für edle Pferde und auch Reiterschulen für jedermann.
Was ist eigentlich eine Puszta?, fragt mich ein Teilnehmer aus der deutschen Touristengruppe, die Ungarn außerhalb Budapest kennen lernen wollte. Sie ist sinngemäß Einöde, bzw. Weideland mit spärlicher Vegetation. Die Landschaft ist nichts anderes als baumarme Steppe auf Sandboden mit hohem Grundwasserspiegel bei stark kontinentalem Klima. In der Zeit der ungarischen Landnehmer (895 n.Chr.) war das Gebiet ostwärts von der Donau steppenartig und so wurde es von den Viehzüchtern als Viehweide benutzt. Die ursprüngliche Puszta in Ungarn befindet sich heutzutage in Hortobágy. Anderswo ist sie landwirtschaftlich weitgehend kultiviert. Aber es gibt noch Pusztalandschaft als Naturschutzgebiet reichlich in der südlichen Tiefebene, z.B. auch im Raum Gyula.
„Wie kommen Thermal- und Heilwasser in die Puszta?“, fragt ein Interessierter mit weit geöffneten Augen. Die Puszta ist die Region der wasserreichen Flüsse Donau, Theiß, Mieresch (Maros) und der Körös-Flüsse. Es ist eine ursprüngliche Salzseenlandschaft, wo in der Tiefe an Mineralien reiches Wasser steckt, das sich durch den Druck der Erde auf der Oberfläche in Teichen sammelt. In diesem Gebiet befinden sich zahlreiche, unversiegbare Thermalquellen (etwa 500, davon 100 Brunnen liefern Thermalwasser für Bäder), die als Mekka für Heilungs-, Genesungs-, Nachbehandlungs- und Entspannungssuchende gilt. Wassersportler und Angler kommen hier auch auf ihre Kosten.
Im 800 Jahre alten Gyula genießen jährlich eine Million Besucher das Thermalbad. Bei Spaziergängen bewundert man die imposante Ziegelburg, die in der Stadtgeschichte bei der Verteidigung, auch gegen die Osmanen, eine bedeutende Rolle spielte.
Die Römer legten in Ungarn die Grundsteine für die Badekultur und Heilung mit Wasser „Sanitas per aqua“ ab, also „Gesundheit durch Wasser“. Während der Osmanenzeit (1526-1686) entwickelte sich die Badekultur aus religiösen Gründen erneut, deren Spuren man noch heute überall verfolgen kann. Das aus den Brunnen und Quellen sprudelnde Wasser ist nicht nur zum Baden, sondern an vielen Stellen auch für Trinkkuren geeignet. Die Badekultur (Heilung und Wellness) steht im Dienste des Tourismus, ist mit Pusztaromantik, Traditions- und Kulturpflege der Dörfer und Einzelgehöfe verbunden und bietet spezielle kulinarische Gastronomie aus der Pusztagegend den Besuchern an.
Ein alter Wasserturm, der als Aussichtsturm sehr beliebt ist, schmückt das Thermal- und Wellnessbad in Orosháza-Gyopárosfürdő.
Hier und in den anderen Ortschaften wird sowohl in den Bädern als auch um die Bäder herum ein vielseitiges Kulturprogramm (Volks- und Zigeunermusikabende, Folklore, Töpferkurse, Salami- und Wurstfestivals, Kochwettbewerbe) zur Unterhaltung der Gäste angeboten.
Die vielseitige Nutzung des Thermal- und Heilwassers bildet einen wichtigen Wirtschaftszweig in dieser Region. Die Wassertemperatur schwankt in den Brunnen zwischen 35 und 110 Grad Celsius, so dass es vor der Verwendung gekühlt bzw. temperiert werden muss. Durch diese Temperaturen ist es auch im härtesten Winter möglich im Feien zu baden und zu schwimmen. Das edle Wasser setzt sich aus wertvollen Alkali-Hydrogen-Karbonat- oder Jodverbindungen zusammen, die für Heilung von Gelenkentzündungen, Wirbelsäulenbeschwerden, Muskelrheuma, gynäkologischen Entzündungserkrankungen und als Trinkkur zur Heilung von Zahnkaries und von Magen- und Darmbeschwerden geeignet ist. Die Bade- und Wellnesszentren werden von Fachärzten betreut und sind so gut ausgestattet, dass sie den höchsten Erwartungen der Heilungssuchenden, Wellnessurlauber, Einzelpersonen und Familien (im Vergleich zu anderen Regionen zu günstiger Preislage!) entsprechen. Das Pesonal ist gut geschult, spricht Deutsch und Englisch. Überall wird für Unterhaltungs- und Kulturprogramme gesorgt und es werden reichlich Sportmöglichkeiten (u.a. Reiten, Kutschfahrt, Wandern, Angeln, Bootsfahren) angeboten.
In der Tiefebene lebten und wirkten namhafte Persönlichkeiten der ungarischen Kultur. In Szeged unterrichtete und forschte der Nobelpreisträger Albert Szent-Györgyi (1893-1986). Kecskemét ist bekannt von dem Komponisten, Volksmusiksammler und Musikpädagogen Zoltán Kodály (1882-1967), aus Gyula stammt die Familie des weltbekannten Künstlers Albrecht Dürer (1471-1528). Hier in Gyula wurde Ferenc Erkel (1810-1893) geboren, der die erste ungarische Oper komponierte. In dieser Gegend sammelte der weltberühmte Komponist Béla Bartók (1810-1893) Volkslieder und erhielt die ursprüngliche ungarische Volkmusikkultur. In Békéscsaba und Gyula verbrachte seine Jugendjahre der in Paris mit hohen Preisen ausgezeichnete Malerfürst Mihály Munkácsy (1844-1900), der in St. Petersburg Zeichner und Kunstmaler der russischen Zaren war. In den aufgezählten Städten ist es empfehlenswert die Gedenkhäuser und Stadtmuseen zu besichtigen, wo man sich auch in der deutschen Sprache (Kataloge, Bücher, Fremdenführer) gut informieren lassen kann.
Lajosmizse ist ein typischer Puszta-Ort, wo geschulte Reiter ihre hohe Kunst vor in- und ausländischem Publikum mehrmals am Tag vorführen.
Die Tiefebene, sprich die Puszta, war schon vor der Landnahme der Ungarn historisch und wirtschaftlich ein wichtiges Gebiet, um das slawische Stämme, die Römer, die Hunnen, die Awaren gekämpft hatten. Historie, Tradition, Kultur, Universitäten und Dienstleistungen auf Weltniveau (Bade-, Wellness- und Heileinrichtungen) locken heute auch Interessenten aus fernen Ländern hierher.
Die Zeit drängt mich, ich wünsche „gute Fahrt und viel Spaß in den Thermalbädern in der südlichen Tiefebene“ meinen Zuhörern, überreiche ihnen eine Landkarte und mache mich auf den Weg, um meine Entdeckungstour in Ungarn fortzusetzen.
Südliche Tiefeben Ungarn mit dem Zentrum Szeged an dem „blonden“ Fluß Teiß
Info: Ungarisches Tourismusamt Berlin, Tel. und Fax: 030 24 31 46 13, mueller@ungarn-tourismus.de; Ungarisches Touristenamt der südlichen Tiefebene in Ungarn, H-Gyula, Erkel tér 1, Tel. +36 66 521 020, Fax: +36 66 521 024, darib@bhn.hu, www.pusztaregion.hu; Tourinform-Orosháza, H-5904 Orosháza-Gyopárosfürdő, Fasor u. 2/A, Tel. +36 68 414 422, oroshaza@tourinform.hu