erschienen im Hamburger Abendblatt am 3. Mai 2011
Von Johanna R. Wöhlke
Wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Die Leistung lässt uns nicht los. Wehe, wir leisten nicht, dann ist was los. Ich habe nichts gegen Leistung, im Gegenteil. Ich erbringe sie gerne und wenn es geht auf hohem Niveau, aber muss es denn immer und in jedem Augenblick meines Lebens sein?
Ich lerne. Ich lerne in jedem Augenblick. Ja, es muss in jedem Augenblick meines Lebens sein! Zum Beispiel auch dort, wo ich es gar nicht vermute: in meinem Haushalt. Was kann ich da nicht alles leisten!
Die neue Disziplin heißt Energiesparen. Ich habe das als Aufforderung zur Faulheit aufgefasst und meinem Mann das mitgeteilt. Schließlich spare ich die meiste Energie, wenn ich gar nichts tue. In diesem Moment habe ich meinen Mann endlich einmal sprachlos erlebt. Dann fasste er sich wieder und meinte, diese Aufforderung bezöge sich dann wohl auch auf ihn. Da müssten wir wohl beide Energie einsparen.
Gut. Wir setzten uns hin und sparten Energie dadurch, dass wir nichts taten. Wir stellten die Heizung ab und holten uns die Wolldecken. Wir tranken den Tee kalt. Der Weißwein kam warm auf den Tisch und auf gekochte Eier kann man auch mal verzichten beim Abendbrot. Auch unsere Gespräche stellten wir ein. Das verbraucht gemeinsam mit Denken einfach zu viel Energie.
Mein Mann stellte den Fernsehapparat an. Oh, nein, so geht das nicht. Ausschalten, das spart Energie. Mein Mann meinte – das Radio aber vielleicht wegen Nachrichten? Oh nein, war meine konsequente Antwort, das verbraucht zu viel Energie. Und die Lampen wegen etwas Helligkeit? Auch das geht nicht. Das verbraucht zu viel Energie. So saßen wir da im Dunkeln und sparten Energie. Schließlich meinte mein Mann, wenn gar nichts mehr ginge, vielleicht wäre dann Liebe möglich?
Da hatte er aber die Rechnung ohne mich gemacht! Wenn ich Energie spare, dann konsequent!