Notizen zur Neu-Inszenierung von Camus‘ „aktuellem“ Stück im Malersaal
Von Hans-Peter Kurr
Die uralte Forderung Leopold Jessners „Gebt mir ein schwarzes Kabinett, einen weissen Stuhl und einen guten Schauspieler“ – im Malersaal des Deutschen Schauspielhauses, bei Alexander Riemenschneiders Inszenierung von Camus‘ Revolutionsdrama „Die Gerechten“ ist sie – modifiziert – wieder einmal erfüllt: Das Kabinett besteht aus den Betonblöcken des Originalbaues, die zahlreichen Stühle sind dem Zuschauerraum (, der in das Geschehen einbezogen wird ) entnommen und der sehr guten Schauspieler gibt es gleich sechs an der Zahl. So gelingt Klaus Schumacher, dem Leiter des „Jungen Schauspielhauses“, mit dieser Mannschaft – wieder einmal -, was seinen Ruf in der Hansestadt inzwischen ausmacht : Ein exemplarischer Theaterabend. Dazu noch „low budget“, denn: Die Schauspieler sind fest engagiert, und die Produktionskosten dürften gegen O gehen.
Was hat sich seit Beginn der hier erzählten Geschichte, die 1905 im zaristischen Russland spielt und zeigt, wie junge Sozialrevolutionäre durch ein Attentat ihr Volk in die demokratische Freiheit führen wollen, bis heute, geändert? Man muss nicht die Hitlerzeit, schon gar nicht Deutschlands Nachkriegssgeschichte bemühen, um aktuelle Bezüge zu entdecken, man muss nur seinen Blick in die Welt hinaus schärfen, um allenthalben zu beobachten, dass es auch bei dem so schwierigen Menschheitsthema der „Freiheit des Individuums“ nichts wirklich Neues unter der Sonne gibt.-
Für diesen tollen Abend im Malersaal sind nicht nur Riemenschneider und die Dramaturgie Stanislava Jevic‘ verantwortlich, nicht nur der sinnenkluge Übersetzer der bei Rowohlt verlegten Fassung, Hinrich Schmidt-Henkel, sondern in erster Linie das mit den Männern Hierse, Gavrilis,Book und Nehlsen exzellent besetzte Ensemble sowie die zwei Darstellerinnen der weiblichen Figuren, Christine Ochsenhofer als verzeihende Grossfürstin, die das Attentat überlebt hat und – in einer der stärksten Frauenrollen, die europäische dramatische Literatrur aufzuweisen hat – Nadine Schwitter als Dora.Sie gibt das Dialogtempo vor , gebildet denkend und daher klug differenzierend….bei der Premiere im ersten Bild auf Kosten der Verstehbarkeit ein wenig zu rasant! Aber das ist der einzige – konstruktiv gemeinte – Korrekturvorschlag für diesen im übrigen durchgehend vorzüglichen Theaterabend.