Eine Glosse von Uta Buhr
Die Nachmittagsvorstellungen in unseren Theatern erfreuen sich bei Senioren großer Beliebtheit. Und dies besonders in der dunklen Jahreszeit.
„Ich finde das ganz toll“, freut sich Tante Irma. „Da kommt man immer noch im Hellen nach Hause.“ Weniger begeistert war sie allerdings, als vor Kurzem eine ganze Schulklasse den Rang stürmte. Und das fünf Minuten nach Beginn der Vorstellung. Die jungen Leute knisterten mit Bonbonpapier und kommentierten manche Stellen der Handlung ziemlich lautstark. „So etwas hat es zu meiner Zeit nicht gegeben“, tadelte Irma. „Damals verhielt man sich ruhig und diszipliniert an seinem Platz. Die Jugend von heute hat gar keine Manieren.“
Erst kürzlich hat die alte Dame jedoch ihre Meinung gründlich revidiert. Ein seriös wirkender Herr im besten Alter hatte sie auf der Straße angerempelt, so dass sich der Inhalt ihrer Einkaufstasche über den Bürgersteig ergoss. Obst und Gemüse rollten wild durcheinander. Während der „feine Herr“ sich ohne Entschuldigung empfahl, hatte ein Halbwüchsiger in zerbeulten Jeans Tante Irmas Einkäufe eingesammelt und ihr die Tasche bis vor die Haustür getragen. Geld wollte er nicht für seine Hilfe. „Nee, danke. Meine Oma ist auch Rentnerin. Die freut sich immer, wenn sie mit ihren Mäusen über die Runden kommt“, waren seine Worte gewesen. „Die jungen Leute sind doch ganz in Ordnung“, urteilt Irma heute. „Nur oft ein wenig unbedacht. Unter mancher rauen Schale steckt oft ein guter Kern.“ Eben.