erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Großherzogin Luises Streben war, dass ihre Geschlechtsgenossinnen in der Gesellschaft genauso segensreich wirken wie in der Familie
Die einzige Tochter des ersten Deutschen Kaisers Wilhelm I. war ebenso wie ihr Ehemann Großherzog Friedrich I. von Baden, ihr einziger Bruder Kaiser Friedrich III., dessen Ehefrau Kaiserin Victoria sowie schließlich ihre in Weimar geborene Mutter Kaiserin Augusta liberal gesinnt. Ihre Mutter hatte sie bereits frühzeitig an die sogenannten fürstlichen Tugenden, die eine gute Landesmutter ausmachen, sprich soziales Engagement im weitesten Sinne, herangeführt. Die 48er Revolution lehrte sie, den Fortbestand der bestehenden Ordnung durch Leistung zu legitimieren.
Preußische Truppen hatten unter dem Befehl von Luises Vater die Badische Revolution niedergeschlagen und damit dem Großherzog die Herrschaft gerettet. Insofern bestanden zwischen den beiden fürstlichen Geschlechtern enge Beziehungen. Hinzu kam die relative räumliche Nähe. 1850 folgte die Familie dem 1849 zum Gouverneur der Rheinprovinz und der Provinz Westfalen berufenen Vater aus Berlin ins westdeutsche Koblenz. Seitdem kam die am 3. Dezember 1838 in Berlin geborene junge Preußenprinzessin alljährlich zum Sommeraufenthalt nach Baden-Baden. 1855, wenige Wochen nach ihrer Konfirmation, wurde sie mit dem Prinzen Friedrich bekannt gemacht, der seit dem Tode seines Vaters Leopold für seinen schwerkranken Bruder Ludwig in Baden die Regentschaft ausübte. Wenige Monate später verlobten sich die beiden und nach der Proklamation Friedrichs zum badischen Großherzog wurde 1856 im Berliner Stadtschloss geheiratet. Ein Jahr nach der Heirat wurde der Stammhalter Friedrich geboren, der letzte Großherzog Badens. Es folgten 1862 die spätere schwedische Königin Victoria und 1865 Ludwig Wilhelm.
Luise beschränkte sich jedoch nicht darauf, für die Fortexistenz der Dynastie zu sorgen und an der Seite ihres Mannes zu repräsentieren. Sie legte vielmehr ein bemerkenswertes gesellschaftliches Engagement an den Tag. Es ging so weit, dass das Geheime Kabinett ihres Mannes mit der zusätzlichen Besorgung ihrer Geschäfte überfordert war und sie deshalb ein eigenes bekam. Luise vertrat die Ansicht, dass den Frauen in der Gesellschaft eine vergleichbare Funktion zukam wie in der Familie und dafür wollte sie sie entsprechend organisieren. 1859 gründete sie mit der Autorität und den Mitteln des Staatsapparats im Rücken als zentrale Dachorganisation den Badischen Frauenverein.
Im selben Jahr kam es im Sardinischen Krieg zur Schlacht von Solferino, die Henry Dunant das Rote Kreuz gründen ließ. Es war eine kriegerische Zeit, eine Zeit noch der Kabinettskriege, die aber bereits mit Mitteln des Industriezeitalters geführt wurden. 1864 führte der Deutsche Bund, dem auch das Großherzogtum Baden angehörte, Krieg gegen Dänemark. 1866 war Baden im Deutschen Bruderkrieg selbst betroffen. Ihr eigener Mann sah sich gezwungen, gegen den Staat ihrer Herkunft Krieg zu führen. 1870 schließlich begann der gemeinsame Waffengang mit den anderen deutschen Staaten gegen den direkten westlichen Nachbarn Frankreich. Luise sah die Berufung von ihren Geschlechtsgenossinnen und deren Organisationen darin, in dieser Zeit Kriegsnot zu lindern. Analog zu den Kriegs- sah Luise auch in den Friedenszeiten eine Aufgabe darin, Bedürftigen zu helfen. Mit der Tüchtigkeit und dem Organisationstalent, die man den Preußen nachsagt, brachte sie es so weit, dass neun von zehn Badenserinnen organisiert waren. Das besagt zumindest eine Reichsstatistik von 1908. Zu dem von ihr als zentrale Massenorganisation des weiblichen Geschlechts aller Klassen geschaffenen Badischen Frauenverein gehörten Kindergärten und -erholungsheime, Heime für Arbeiterinnen, Seminare für Handarbeitslehrerinnen, die Luisenschule, eine Hauswirtschaftsschule, die Friedrichschule, heute Helmholtz-Gymnasium, Fürsorgeanstalten. Volksküchen, Büchereien und Stiftungen für Witwen.
Nicht zuletzt auch die Volksgesundheit lag der Großherzogin am Herzen. Sie engagierte sich im Kampf gegen die Tuberkulose und betrieb die Gründung des Ludwig-Wilhelm-Krankenhauses, der heutigen Psychiatrischen Klinik in der Karlsruher Kaiserallee. Aus der Abteilung Krankenpflege ihres Badischen Frauenvereins ging mit der Badischen Schwesternschaft vom Roten Kreuz die älteste Rotkreuzgesellschaft in Deutschland hervor. Das Großherzogtum war denn auch 1864 einer der ersten Staaten, welche die Genfer Konvention ratifizierten.
Angesichts dieser Leistungen um das Gemeinwohl ist es umso härter, dass Luise Schicksalsschläge nicht erspart blieben. Besonders schwer traf es sie im Dreikaiserjahr 1888. Am 23. Februar verstarb ihr erst 22-jähriger jüngster Sohn unerwartet an einer Lungenentzündung, am 9. März ihr Vater und am 15. Juni ihr einziger Bruder. Zwei Jahre später folgte dann ihre Mutter. Hinzu kam ein langwieriges Augenleiden. Dem konnte dann zwar 1897 durch eine Staroperation entgegengewirkt werden, allerdings erblindete sie schließlich doch.
Im Gegensatz zu ihrem Ehemann, der 1907 verstarb, musste sie noch erleben, dass ihr ältester Sohn als Großherzog 1918 abdankte. Auch sah sie sich gezwungen, mit ihrer Familie aus der großherzoglichen Residenz zu fliehen. Der Flucht aus Karlsruhe folgte ein mehrmonatiger Aufenthalt auf der Burg Zwingenberg am Neckar, dem Schloss Langenstein in Hegau und der Insel Mainau. Ab dem Spätsommer 1919 lebte sie auf dem Schloss Baden-Baden, wo sie auch am 23. April 1923 starb. Noch im Angesicht des Todes fragte sie ihren Arzt: „Nicht wahr, wenn Sie noch jemanden wissen, dem ich helfen kann, so sagen Sie es mir.“
Ihre letzte Ruhestätte fand die beliebte badische Landesmutter aus Preußen in der Haupt- und vormaligen Residenzstadt Karlsruhe, wo sie über Jahrzehnte so segensreich gewirkt hatte und nun zusammen mit ihrem Friedrich und anderen Familienmitgliedern in der von ihr und ihrem Mann aus Anlass des Todes von Ludwig Wilhelm in Auftrag gegebenen großherzoglichen Grabkapelle ihre letzte Ruhestätte gefunden hat.