erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung
Von Dr. Manuel Ruoff
Sie war eine Frau, die man verehrt hätte, selbst wenn sie gesungen hätte wie eine Krähe.“ Bei aller Übertreibung scheint an diesen Worten von Phineas T. Barnum über die von ihm gemanagte Jenny Lind etwas dran zu sein. Nur mit ihrer Stimme lässt sich die geradezu marien- oder engelhafte Verehrung der 1820 geborenen Sängerin nicht erklären. Noch heute tragen Einrichtungen und Straßen ihren Namen, ziert ihr Konterfei die 50-Kronen-Note ihres Heimatlandes. Die gebürtige Stockholmerin stammte aus bescheidenen und total zerrütteten Familienverhältnissen. Offenkundig wirkte das auf sie abschreckend. Ihr Lebenswandel war ein Musterbeispiel bürgerlicher Tugend. Zudem versuchte sie durch mildtätige Gaben anderen die Armut zu ersparen, die sie selbst als Kind erlebt hatte. Desweiteren hatte sie im Gegensatz zu den meisten anderen Sängerinnen ihrer Zeit eine schauspielerische Ausbildung genossen, die es ihr ermöglichte, mit den gesungenen Liedern besonders glaubhaft rüberzukommen. Schließlich muss die Skandinavierin von einem besonderen Liebreiz gewesen sein, der auch diverse Künstler für sie schwärmen ließ, darunter Hans Christian Andersen. Er widmete ihr mit „Die Nachtigall“ eine Geschichte, die ihr ihren Kosenamen einbrachte. Am 2. November 1887 starb die „schwedische Nachtigall“ auf ihrer Sommerresidenz in Malvern, Worcestershire.