Von Michael Buschow
Erinnerung an eine Tragödie zur See
Am 21.September 1957 versank das frachttragende Segelschulschiff „PAMIR“ ungefähr 600 Seemeilen westlich der Azoren im Zentrum des Hurrikans „Carrie“ in den Fluten des Atlantiks. 80 Mann der Besatzung fanden dabei den Tod, nur 6 überlebten.
Bis heute reißen die Diskussionen über die möglichen Ursachen des tragischen Untergangs nicht ab und ich will mich an dieser Stelle auch nicht daran beteiligen. Erinnern wir uns vielmehr an die vielen ums Leben gekommenen Seeleute, unter denen neben den altbefahrenen Männern der Stammbesatzung, wie zum Beispiel dem erfahrenen Kapitän Diebitsch so viele junge, hoffnungsvolle Menschen waren.
Der Untergang dieser herrlichen Viermastbark war für die Bevölkerung an Land ein Schock und bedeutete für die Seefahrtskreise das Ende der Ära der Frachtfahrt unter Segeln.
Schiffe dieser Art, die stählernen Flying-P-Liner der Reederei Laeisz in Hamburg waren die technisch ausgereiftesten Segelfahrzeuge der Welt und hatten im Laufe von Jahrzehnten ihre ausgezeichnete Seetüchtigkeit und Schnelligkeit in hunderten von Cap Horn Umrundungen und in schwersten Wetterlagen unter Beweis gestellt.
Neben den technischen und konstruktiven Voraussetzungen bedurfte es immer der erfahrenen Führung solcher Schiffe. Das war im Falle der „PAMIR“ durch Kapitän Diebitsch, seine Offiziere und Stammseeleute gewährleistet. Darüber hinaus war bei den Jungen, die freiwillig neu an Bord der Segelschulschiffe „PAMIR“ und „PASSAT“ gingen, der Wille vorhanden etwas zu lernen und auch Härten durchzustehen. Jeder war sich dessen bewußt und stolz darauf, dabei sein zu können.
Als ich selbst vor Jahrzehnten die Seefahrtsschule in Hamburg besuchte, trichterte uns unser Lehrer, ein Kapitän auf Großer Fahrt, der seine Laufbahn noch in den 30er Jahren auf dem Segelschulschiff „Deutschland“ begonnen hatte, immer wieder ein: „Eine Hand für Dich, eine Hand für´s Schiff – und keine Angst, nur Respekt“.
Das mag uns Schülern damals seltsam altmodisch vorgekommen sein, zumal fast alle von uns später auf modernen Containerschiffen oder Tankern einstiegen. Meine ersten Schritte tat ich jedoch auf norwegischen und britischen Rahseglern und ich habe damals erfahren, was es heißt in 45 Metern Höhe über Deck in Fußpferden an die Rah gepresst bei schlechtem Wetter Segel zu bergen und ich habe in manchen Situationen auch wieder gelernt zu beten. Kurzum kann ich heute nur sagen: „Der alte Lehrer hatte verdammt recht“!
Schaut man sich die Unglücke der jüngsten Vergangenheit auf der „Gorch Fock“ an, muß man sich unwillkürlich fragen: „Wie konnte das passieren“? Die Antwort kann nur lauten: Zusammentreffen von unabwendbarem menschlichem Versagen und unglücklichen Umständen. Schuldzuweisungen alleine werden solchen schlimmen Vorfällen nicht gerecht und jeder, der auf einem Schiff egal welcher Art einsteigt, muß sich im Klaren sein, daß es gefährlich werden kann.
Denn trotz aller Hochtechnisierung, bester Ausbildung und Erfahrung in der Seeschifffahrt zählt letztlich nur der Mensch selbst. Und der macht Fehler, die die See unbarmherzig zurückzahlt. Auch heute noch. Das beweisen schließlich die unzähligen Havarien und Unglücksfälle der Gegenwart.
Ob falsche Segelführung, Verrutschen der Getreideladung, Nichtfluten der Tieftanks zu Verbesserung der Stabilität oder was auch immer in der Konsequenz zu der Tragödie des Untergangs der „PAMIR“ geführt hat, läßt sich heute nicht mehr eindeutig klären.
Wollen wir daher schlicht den Menschen aller Länder gedenken, die ihr Leben im Dienste der Seefahrt verloren haben und an dieser Stelle besonders den 80 Mann von dem Segelschulschiff „PAMIR“, das vor 55 Jahren im Hurrikan „Carrie“ gesunken ist.
“Navigare necesse est – Seefahrt tut not” (Gorch Fock)
Fotos: SchmitzArchiv, Nachlass Reichmann (+) “PAMIR”