erschienen im Hamburger Theatermagazin „GODOT“
Von Hans-Peter Kurr
Im Mai schloss sich in der „Kultur Bühne Bugenhagen“ in der Bugenhagenkirche in Barmbek zum letzten Mal der Vorhang. Nun ist das Theater wieder da, unter neuem Namen mit neuen Betreibern: „Die Burg – Theater am Biedermannplatz“. Die Bugenhagenkirche in Barmbek ist wohl die einzige Kirche Deutschlands, die schon beim Bau im Jahre 1926 mit einem echten Theater ausgestattet wurde. Das imposante Bauwerk wurde vom Erbauer nach dem Motto „Ein feste Burg ist unser Gott“ konzipiert – was zum neuen Namen der Bühne führt. Der ebenerdige Saal hat Platz für bis zu 250 Personen. Das hauseigene Café bietet Getränke und kleine Snacks.
Das Eröffnungsstück, das in diesen Tagen vor einem beifallsfreudigen Publikum uraufgeführt wurde, heißt „Dennis“. Das kriminalpsychologische Drama von A. A. Lucas vereint die Themen Kindesmissbrauch und Mobbing.
Gute Autoren sind nur selten auch gute Regisseure. Prominentes Beispiel der vergangenen Jahrzehnte war der Philosoph Thorwald Dethlefsen, der aus Anlass der Präsentation seines genialen „Ödipus“-Buches den sophokleischen „Oedipus Rex“ als Bühnenproduktion seine Vorträge flankieren lassen wollte. Einen bereits engagierten österreichischen Regisseur, der ihm nicht spirituell genug war, entließ er wieder und setzte sich selber ans Regiepult. Obwohl die Titelrolle mit dem hervorragenden deutsch-schweizerischen Schauspieler Burkhard Jahn besetzt war, geriet der Abend zu einer inszenatorischen Katastrophe!
Die blieb bei der „Dennis“-Uraufführung in dem wiedereröffneten Barmbeker Kirchentheater „Burg“ glücklicherweise aus. Der letztendlich berechtigte und verdiente Premierenerfolg ist zum Teil dem wirklich gut geschriebenen „Drama“ des Autors A. A. Lucas zu verdanken. Zum anderen Teil dem nach Protesten des Ensembles dazuengagierten Regisseur Sven Menningmann, der nach vier Wochen Stagnation – so war aus dem Ensemble zu erfahren – in den folgenden drei Probenwochen das sehr interessante, spannende, sozialkritische Skript mit einem fünfköpfigen Ensemble guter Schauspieler schließlich in eine professionelle, ansehbare Form brachte. Gratulation dazu!
Drittens muss den Ensemblemitgliedern Esther Barth, Ann-Christine Gruntzdorff, Moritz von Zeddelmann und Ralph Eckstein gedankt werden, die sich mit dem ungemein schweren Stoff akribisch auseinandergesetzt und ihn individuell prägnant ihren so unterschiedlichen Figuren eingehaucht haben. Eindeutig angeführt (gewiss in ihrer Bescheidenheit ungewollt) von der in ihrer darstellerischen Differenzierungs- und Nuancierungskunst unübertroffenen Catharina Fleckenstein, die die Fußstapfen ihres einst berühmten Vaters, des Göttinger Intendanten Günther Fleckenstein, längst hinter sich gelassen hat und ihren eigenen, eigenwilligen künstlerischen Weg geht.
Fazit: eine lehrreiche, tiefsinnige, ja, auch unterhaltende Schauspielproduktion, die hier zur Wiedereröffnung des Theaters am Biedermannplatz präsentiert wurde.