erschienen in der Preußischen Allgemeinen Zeitung
Von Dr. Manuel Ruoff
Preußens Premier Johann Kasimir Kolbe nutzte die Gunst von Preußens erstem König rücksichtslos aus
Johann Kasimir Kolbe von Wartenberg gilt als der korrupteste unter den Regierungschefs des preußischen Königreiches. Entsprechend der Volksweisheit „Wie der Herr, so’s Gescherr“ „diente“ Kolbe mit Friedrich I. dem wohl unpreußischsten aller Preußenkönige.
Als erstes stand der am 6. Februar 1643 in der hessischen Wetterau geborene Bürgerliche als Oberstallmeister und Geheimer Rat in den Diensten von Marie von Oranien, Schwägerin des Großen Kurfürsten. Durch sein gefälliges Äußeres und sein geschmeidiges Wesen wusste er vor allem der Damenwelt zu gefallen. Mit seiner Herrin, Prinzessin Marie, hatte er ein Verhältnis und nach deren Tod im Jahre 1688 war es eine Dame, die ihm den Wechsel an den brandenburgischen Hof ermöglichte. Bereits sechs Jahre zuvor war er dort anlässlich eines Berlinbesuchs mit seinem Talent, der Langeweile des Hoflebens durch Festlichkeiten, Aufzüge, Darstellungen, Spiele und Lustbarkeiten aller Art entgegenzuwirken, angenehm aufgefallen. Hierauf legte vor allem der lustbetonte Nachfolger des Großen Kurfürsten großen Wert, der 1688 nach dem Tode seines Vaters dessen Erbe angetreten hatte.
Rücksichtslos beutete Kolbe die Wirtschafts- und Finanzkraft Preußens aus, um die Bedürfnisse seines Herren nach Luxus zu befriedigen. Dabei entwickelte er eine bemerkenswerte Fantasie, die der heutigen Finanzminister in Deutschland würdig wäre. So initiierte er eine Jungfern-, eine Perücken-, eine Hut-, eine Strumpf- wie eine Kutschensteuer und machte den Verzehr von Kaffee, Tee oder Schokolade vom Erwerb einer Erlaubnis abhängig. Dabei sorgte er großzügig dafür, dass ein Großteil der so generierten Einnahmen in seiner Privatschatulle landete.
Die Gunst und Dankbarkeit Friedrichs III. erlangte er vor allem dadurch, dass er dem eitlen brandenburgischen Kurfürsten und preußischen Herzog sein Lieblingsprojekt ermöglichte, die Standeserhöhung zum König. Er erreichte dieses nicht nur mit dem Geld, sondern auch dem Blut der preußischen Bevölkerung. Für die Zustimmung des Kaisers zur Standeserhöhung des Brandenburgers zum König in Preußen stellte er dem Habsburger Soldaten für dessen Kämpfe zur Verfügung.
Der dankbare Hohenzoller überhäufte Kolbe mit Ämtern und Beweisen seiner Gunst. 1690 wurde er Hauptmann von Oranienburg, 1691 Schlosshauptmann von Berlin, 1694 Hauptmann der Dompropstei Havelberg, 1696 Oberstallmeister und Oberkammerherr sowie 1697 Minister und Chef der Generalökonomiedirektion. Daneben war er Marschall des Königreichs Preußen, Protektor der Königlichen Akademien, Oberstallmeister, Oberaufseher der Königlichen Schlösser, Oberhauptmann aller Schatullenämter und Generalpostmeister.
Das Krönungsjahr 1701 brachte Kolbe besonders viele Gunstbeweise seines Herren. Er wurde Premierminister und durfte bei der Krönung Friedrich III. diesem den Purpurmantel umhängen. Den anlässlich der Krönung gestifteten Schwarzen Adlerorden erhielt Kolbe nach den königlichen Prinzen als erster verliehen. Er wurde auch der erste Kanzler dieses fortan höchsten Ordens im Hohenzollernstaat. Beim Kaiser sorgte Friedrich III., der nun König Friedrich I. war, dafür, dass Kolbe Reichsgraf von Wartenburg wurde. Der so Geehrte sicherte seine Stellung zusätzlich dadurch ab, dass er seine Ehefrau seinem Herren als Mätresse zuführte.
Kolbe sorgte maßgeblich dafür, dass den damaligen Kronprinzen, den späteren Soldatenkönig, das System seines Vaters anwiderte und er nach dessen Tod den totalen Bruch vollzog. Die Hofschranze trug damit als abschreckendes Beispiel zu dem von Friedrich Wilhelm I. und dessen Nachfolgern verfolgten preußischen Ideal des sauberen, sparsamen Staates bei. Der Kronprinz machte denn auch seinen Einfluss geltend, dass Kolbe 1710 gestürzt wurde und das Land verlassen musste.
Doch sorgte der trotz aller Korruption und Misswirtschaft seines Günstlings immer noch dankbare König dafür, dass dieser weich fiel. So lebte Kolbe auch in seinem Exil in Frankfurt am Main bis zu seinem Tode am 4. Juli 1712 in unverdientem Wohlstand.