Von Dr. Manuel Ruoff
Der jüngsten Schwester Friedrichs des Großen, Anna Amalia, wird die größte Ähnlichkeit mit ihrem Bruder nachgesagt
Von allen Geschwistern soll Anna Amalia von Preußen Friedrich dem Großen am ähnlichsten gewesen sein. Gerne ließ sie sich von ihrem Bruder für die Musik begeistern. Bereits als 15-Jährige schreibt sie Friedrich: „Mein teurer Bruder, Sie wissen, daß ich mich seit einiger Zeit ein bißchen mit der Musik beschäftige und ich brenne vor Lust mich darin zu perfektionieren. Hätten Sie die Güte, mir in dieser noblen Absicht zu helfen und mir einige nette Stücke zuzusenden, mit denen ich weiter üben könnte.“ Allerdings hatte Anna Amalia es als Mädchen noch schwerer, dieser Liebe nachzugehen, als die Prinzen, die es beim Soldatenkönig als Vater schon schwer genug hatten. Vor diesem Hintergrund brachte der Thronwechsel vom Vater zum Bruder im Jahre 1740 eine Erleichterung. Als 17-Jährige erhielt die am 9. November 1723 in Berlin geborene Prinzessin endlich mit ihrer älteren Schwester Luise Ulrike Cembalo-, Klavier- und Gesangsunterricht. Offenkundig unterrichtete sie dabei nicht nur der Domorganist Gottlieb Hayne, sondern auch ihr Bruder. Letzterer, ein leidenschaftlicher Flötenspieler, schenkte ihr in den 40er Jahren dann auch eine Flöte. Später kam bei Anna Amalia noch das Spiel auf der Violine und Orgel hinzu. Was dem Bruder die Flöte, wurden ihr schließlich Klavier und Orgel, die Lieblingsinstrumente.
Mit 21 Jahren begann sie mit dem Komponieren, mit 35 ließ sie sich von Johann Philipp Kirnberger, der als Schüler Johann Sebastian Bachs gilt, in die Kontrapunkttechnik einweisen. Als bedeutender denn ihre Kompositionen gilt jedoch die Musikaliensammlung (Amalien-Bibliothek), die sie der Nachwelt hinterlassen hat. Im Jahre des Thronwechsels von ihrem Vater zu ihrem Bruder fing sie mit deren Aufbau an. Thematische Schwerpunkte bildeten dabei neben dem von ihr geschätzten Johann Sebastian Bach auch sein Sohn Carl Philipp Emanuel sowie auch Georg Friedrich Händel, Johann Adolph Hasse und die Gebrüder Graun.
Es ist unklar, ob die Musik die einzige Liebe Anna Amalias war. Die von ihrem Bruder geplante Ehe mit dem damaligen schwedischen Thronfolger Adolph Friedrich blieb aus. Angeblich scheiterte sie an der Weigerung der calvinistischen Hohenzollernprinzessin zum Luthertum der Schweden zu konvertieren. Stattdessen heiratete der spätere Schwedenkönig Anna Amalias Schwester Luise Ulrike. Bei dieser Hochzeit des Jahres 1744 soll Anna Amalia Friedrich von der Trenck kennengelernt haben. Ob sie die Geliebte des berühmten Abenteurers war, wie es der ZDF-Zweiteiler von 2003 „Trenck – Zwei Herzen gegen die Krone“ mit Ben Becker in der Titelfigur und Anna Maria Lara in der Rolle der Preußenprinzessin darstellt und der für sein Aufschneiden berüchtigte Friedrich von der Trenck andeutet, ist fraglich.
Sie heiratete jedenfalls weder Trenck noch irgendeinen anderen Mann. Wollte und sollte sie dennoch ihre soziale Stellung behalten, blieb ihr nur der Weg ins Stift. Noch im Jahr der Hochzeit ihrer Schwester Luise Ulrike mit dem eigentlich für sie ausgesehenen Mann wurde die Calvinistin zur Koadjutorin des lutherischen Stiftes Quedlinburg gewählt. Nach dem Tode der Äbtissin Maria Elisabeth Herzogin von Holstein-Gottorp übernahm sie 1755 als deren Nachfolgerin die Regierung des Stifts.
Für Anna Amalia handelte es sich offenkundig um einen Versorgungsposten. So zog sie dem Stiftleben das Leben bei Hofe vor. Nichtsdestotrotz soll sie ihren Amtspflichten gewissenhaft nachgekommen sein. Insbesondere ihre Personalpolitik und die Einschränkung der unzähligen Fest- und Bußtage wird gelobt.
Abgesehen von ihrer Liebe zur Musik und ihren Gesichtszügen sollen Anna Amalia und Friedrich sich auch in ihrer Schrulligkeit sowie auch dem bitteren Sarkasmus im Alter geähnelt haben. Vor 225 Jahren, am 30. März 1787, starb Anna Amalia in Berlin.